forlaufend
878
unterscheiden sich in keinen wesentlichen Punkten von denen anderer Pilze, [* 1] die nicht mit Algen [* 2] zusammen- leben. Es sind meist teller-, schüssel-, flaschen- oder lrugförmige Gebilde, in denen die Entwicklung von Sporenschläuchen stattfindet. Die Sporen treten bei der Neife aus den Schläuchen aus und können nun- mehr einen Kcimfchlauch treiben; aber die Weiter- entwicklung dieses Keimschlauchs unterbleibt nach den bisher angestellten Versuchen vollständig, weun nicht die Möglichkeit gegeben wird, daß die keimende Spore in Verbindung mit einer zur Ernährung geeigneten Alge treten kann.
Nur bei wenigen Flechten, [* 3] so bei den Graphideen ss. d.), hat man gefunden, daß sich anfangs keine Gonidien im Thallus vor- finden und daß erst in einer spätern Lebensperiode solche von dem Pilze umsponnen werden; erst in diesem Stadium kann man von einem Flcchten- thallus bei den Graphideen sprechen, anfangs sind sie als normale Ascomyceten zu betrachten. Die Apothecien stehen bei den gymnocarpen Flechten stets auf der Oberfeite, wenn der Thallus laub- oder krustenartig ist und mit der einen Seite der Unterlage anliegt; bei den strauchartigen Formen finden sie sich an den Rändern oder an den Spitzen der Verzweigungen, bei einigen Arten stehen sie auf besonders ausgebildeten Zweigen, Pooetien, so bei iülaäoniH (s. o.), bei andern stehen sie auf kleinen Stielchen, wie bei I)Ä60ni)^o3; bei den meisten jedoch sitzen die Apothecicn direkt dem Thallus auf oder sind in denselben eingesenkt. Diejenige Schicht der Apothecien, in der die Sporenschläuche stehen, und der Rand derselben sind oft lebhaft gefärbt, meist braun oder rot, und heben sich dadurch deut- lich von dem meist blassen Thallus ab. Die Bildung der Apothecien (s. Taf. I, [* 4] Fig. 4) hat man neuerdings vielfach als Folge eines geschlechtlichen Akts angesehen. Man kennt nämlich schon seit längerer Zeit eigentümliche Organe am Thallus der allermeisten Flechten, die man als Spermogonien (s. Taf. I, [* 4] Fig. 13) be- zeichnet hat und die mit den bei vielen andern Ascomyceten bekannten gleichnamigen Organen im wesentlichen übereinstimmen. In diesen Sper- mogonien, die als kugel- oder flaschenförmige oder auch anders gestaltete kleine Behälter dem Thallus eingesenkt sind, werden Spermatien ge- bildet.
Bei einigen Collema-Arten hat man nun beobachtet, daß vor dem Auftreten der Apothecien nicht weit unterhalb der Außenfläche des Thallus eigentümliche, vielleicht als weibliche Geschlechts- apparate anzusehende Gebilde entstehen, von denen nach außen einzelne Kyphen (Trichogyne) wachsen; an diese Trichogync sollen sich nun die als männ- liche Befruchtungszellen anzusehenden Spermatien anlegen und dadurch eine Befruchtung [* 5] bewirken, als deren Folge die Entwicklung der Apothecien und der in diefen zur Ausbildung gelangenden Sporen (Ascosporen) anzusehen wäre. Es ist jedoch frag- lich, ob diese Auffassung richtig ist, denn in neuester Zeit ist es gelungen, die Spermatien der Flechten zum Keimen zu bringen, womit die geschlechtliche Natur derselben sehr unwahrscheinlich geworden ist.
Auch sind zahlreiche Fälle beobachtet worden, in denen die Entwicklung der Apothecien jedenfalls ohne einen solchen Vorgang stattfindet. Bei allen Flechten erfolgt die Apothecienbilduna, aus- schließlich durch die flechtenbildenden Pilze, dle Go- nidien beteiligen sich niemals daran, es sind also die Apothecien nur als Fruchttörpcr dcr Pilze zu betrachten. Die Algen tragen allerdings, wie schon erwähnt, ebenfalls zur Vermehrung der Flechten bei, aber in einer ganz andern Weise.
Die Gonidien besitzen nämlich die Fähigkeit, sich zu teilen; da nun durch rasch aufeinander folgende Teilungen derselben, wo- bei die neugebildeten Zellen von einem dichten Hy- phengeflecht umsponnen werden, häufig die sie um- gebende Nindenschicht zerrissen wird, so treten die einzelnen Gonidien mit ihren Umhüllungen von Pilzfäden als ein feines Pulver aus dem Thallus hervor. Diefelben können nunmehr zu Gruppen vereinigt oder auch einzeln weiter wachsen, wodurch ein neuer Flechtenthallus gebildet wird.
Man be- zeichnet diesen Vorgang als Soredienbildung und nennt die einzelnen Gonidien mit den sie umspinnenden Pilzhyphen Soredien. (S. Taf. I, [* 4] Fig. 6.) Bei manchen Flechten tritt diese soredien- bildung ungemein häufig auf, so daß der ganze Thallus zu einer pulverigen Masse wird. Man hat früher folche Anhäufungen von Soredien unter be- sondere Gattungen vereinigt, so unter den Namen VariolariH, I^pra, i'uIveiai-iH u. a., da sie ein ganz anderes Aussehen haben wie die übrigen Flechten und auch keine Apothecien bilden.
Sie können den ver- schiedensten Flechtenarten angehören, die Bildung derselben wird begünstigt durch einen schattigen Standort. An manchenStellen bilden diese Soredien umfangreiche gelbe oder graue Überzüge an Fels- wänden oder Baumstämmen. Die Vermehrung der Flechten mit heteromerem^hallus geschieht wahrscheinlich größtenteils durch soredienbildung, seltener durch Vereinigung der aus den Apothecien stammenden Sporen mit Algen; bei den Gallertflechten dagegen erfolgt die Fortpflanzung wohl ausschließlich auf die letztere Weise.
Die künstliche Vermehrung der Flechten, d. h. die Aussaat von Sporen auf die dazu- gehörigen Algen, ist schon bei mehrern Flechten- arten erperimentell versucht worden und hat auch in der That zur Bildung von normal entwickelten Flechten geführt. Es ist dies gerade der beste Beweis dafür, daß die Flechten keine selbständigen Pflanzen, sondern die Folge eines eigentümlichen Parasitis- mus von Pilzen auf Algen sind. Gegenwärtig wird diese Ansicht wohl von allen Botanikern als zweifel- los richtig anerkannt; diefelbe wurde von Schwen- dener auf Grund genauer anatom. Untersuchungen des Flechtenthallus zuerst aufgestellt und Mler von Bornet, Stahl u. a. erperimentell bestätigt.
Die neuerdings von dem ital. Botaniker Mattirolo näher untersuchten Flechtengattungen (^oi-a und NipjäollsuiH beweisen, daß nicht bloß Ascomyceten, sondern auch Basidiomyceten als flechtenbildende Pilze auftreten können. Die Algengattungen, die in den Flechten als Goni- dien sich finden, sind sehr verschiedenartige. Bei den meisten Laub- und Strauchflechten gehören sie der Familie der Palmellaceen an, bei den meisten Gallertsiechten dagegen den Nostochaceen. Außer- dem können noch Algen aus den Familien der Ri- vulariaceen, Scytonemaceen, Confervacecn, Chroo- lepideen, Sirosiphonaceen, Coleochaeteen u. a. als Gonidien auftreten. Da viele der genannton Algen eine sehr ausgedehnte Verbreitung haben und Felsen, Baumstämme u. dgl. überziehen, so erklärt sich dar- aus auch das ungemein häusige Auftreten von an solchen Orten. An nackten Felsen stellen sie die ersten Anfänge pflanzlichen Lebens dar. Die Be- festigung der an dem Substrat, auf dem sie wachsen, geschieht meist durch feine, aus wenigen ¶