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mit ihren Nussisizicrungsmahregeln hervortrat.
Diese betrafen zwar zunächst nur die Mittelschulen (1886);
doch wurde schon nach dem Ukas vom Febr. 1889 eine Reorganisation der jurist.
Fakultät (da- mals 5 Lehrstühle und 1 Docent) vorgenommen: einer der beiden Lehrstühle für baltisches Recht wurde auf- gehoben und dafür ein Lehrstuhl für russ. Privatrecht und russ. Civilprozeß errichtet, dem andere Lehrstühle (1892 im ganzen neun) für russ. Recht folgten. Nur noch zwei Rechtsgegenstände (baltisches Recht und Völkerrecht) werden deutsch vorgetragen.
Der kaiserl. Ukas vom hob die Autonomie der Universität auf und legte die Verwaltung der- selben (Ernennung des Rektors, Prorektors und der Dekane, Berufung der Docenten u. s. w.) in die Hände des russ. Unterrichtsnnnisters.
Die Gehalte und Pensionen wurden 1892 verbessert, aber nur zu Gunsten der Professoren und Docenten, die ihre Vorträge in rnss.
Sprache [* 1] halten. In der mediz. Fakultät (13 Lehrstühle) ist die russ. Lchrsprache bisher in 4 Lehrstühle eingedrungen, in der histor.- philos.
Fakultät (11 Lehrstühle) in 5 (wovon jedoch drei: russ. Sprache, russ. Geschichte und slaw. Sprach- wissenschaft, schon früher russisch vorgetragen wur- den), in der physik.-mathem.
Fakultät (10 Le'hrstühlc) in 5, wobei aber 4 Lehrstühle der Besetzung durch den Minister harren.
Nur die theol. Fakultät ist bisher unberührt geblieben, doch droht ihr Auf- lösung und Verlegnng als luth.
Seminar ins In- nere Rußlands.
Die Zahl der Studenten betrug (Winter 1893) 1348 und 198 Pharmaceuten;
dar- ' unter 875 aus den Ostseeprovinzen, 064 aus dein übrigen Russischen Reich mit Einschluß Polens (viele Deutsche) [* 2] und 7 Ausländer.
Die höchste Zifser war 1890 mit 1812 Stndenten erreicht worden. -
Vgl. Die deutsche Universität Dörpfeld im Lichte der Geschichte und der Gegenwart.
Eine histor. Studie auf dem Ge- biet östl. Kulturkämpfe (1. bis 3. Aufl., Lpz. 1882); Hasselbladt und Otto, Von den 14000 Immatriku- lierten D.s (Dorpat [* 3] 1891).
Neben der Universität besitzt Dörpfeld eine Veterinär- anstalt (seit 1846, ganz russifiziert), ein russ. Lehrer- seminar (das deutsche wurde 1889 von der Regie- rung aufgehoben), ein Kron-(Staats-)Gymnasium i (456 Schüler; seit 1892 völlig russifiziert, nur in den Neligionsstunden darf noch die dcntsche und esthnische Sprache angewendet werden), zwei Privat- gymnasien (500 Schüler), eine Realschule (300 Schü- ler), drei höhere Mädchenschulen und viele niedere Schulen, die alle mehr oder weniger rasch in der Russifizierung begriffen sind.
Eine vierte höhere Mädchenschule hat sich 1892, um den Negierungs- mahregeln zu entgehen, selbst aufgelöst.
Unter den Vereinen und Gesellschaften sind zu nennen: die Livländisch-Ökonomische Societät (seit 1802), die Gelehrte Esthnische Gesellschaft (seit 1838), Verein zur Förderung der Landwirtschaft und ! des Gewerbfleches, der Hausfleißverein, derHand- werkcrverein (mit über 1000 Mitgliedern und einem Theater), [* 4] vier deutsche, ein russischer, zwei esthnische Klubs u. s. w. In Dörpfeld erscheinen drei deutsche, drei esthnische und drei russ. Zeitungen. Industrie und Handel. Dörpfeld hat 3 deutsche, 1 russische, 2 esthnische Buchhandlungen, 3 größere und 2 kleinere (esthnische) Vuchdruckereien, 4 Dampf- säaemühlen, Brennereien, 2 Tabakfabriken und 4 Bierbrauereien.
Der Handel, besonders in Flachs und Holz, [* 5] ist nicht unbedeutend.
Alljährlich vom ?. bis 28. Jan. findet der sog. große deutsche Jahr- markt statt, im August stark besuchte landwirtschaft- liche Ausstellungen mit Wettrennen u. s. w. An Kreditinstitutcn sind vorhanden: die DorpaterVank, Filiale der Kommerzbank in Pskow, die Esthnische Distriktsverwaltung des livländ. (Güter-)Kredit- vereins, die Vauernrentenbank, der Livländische Stadthypotheken- und der Städtische und Liv- ländische Feuerassekuranz-Verein. Geschichte.
An der Stelle D.s gründete der russ. Großfürst Iaroslaw 1030 eine Feste Iurjew, die sich aber nicht hielt;
die Esthen blieben frei, bis 1224 der Deutsche Orden [* 6] den befestigten Domberg erstürmte. Dörpfeld wurde hierauf 1225 der Sitz eines Bischofs, dessen Schloß an der Stelle der heutigen Sternwarte [* 7] stand, und bald nahm die Stadt infolge der deutschen Einwanderung und der günstigen Lage als Handelsplatz einen bedeutenden Aufschwung, namentlich seitdem sie sich in: 14. Jahrh, der Hansa angeschlossen hatte. 1525 wurde in Dörpfeld die Refor- mation eingeführt, 1558 belagerte Iwan der Schreck- liche die Stadt, die sich durch Kapitulation ergab;
bald darauf wurde der Bischof nach Rußland abgeführt und die Verbindung mit der Hanfa aufgehoben. 1565 wnrden die Einwohner nach Rußland fortge- führt und die Stadt zerstört. 1582 kam sie mit dem größten Teil Livlands an Polen, 1625 an Schweden. [* 8] 1656-60 war sie wieder in den Händen der Rnssen nnd gelangte definitiv an dieselben 1704 im Nordi- schen Krieg. 1708 wurde Dörpfeld von den Russen aus Furcht vor Karl Xll. vollständig zerstört, und sämt- liche Einwohner wurden ins Innere Rußlands ab- geführt. 1775 zerstörte ein Brand die Stadt fast gänzlich.
Die im I. 1889 eingeführte Iustizreform setzte an die Stelle mehrerer autonomer Kreis- behörden Negierungsinstitnte mit russ. Amtssprache. -
Vgl. Hausmann, Aus der Geschichte der Stadt Dörpfeld lDorpat 1872).
Dörpfeld, Friedr. Wilh., pädagogischer Schrift- steller, geb. 1824 zu Selscheid in der Gemeinde Wermelstirchen (Kreis [* 9] Lennep), [* 10] besuchte das Zahn- schc Institut auf Fild bei Mors und das Seminar in Mors. Er war 1844-48 Lehrer am Zahnschen Institut, 1848-49 an der Schule zu tzcidt bei Rons- dorf, 1849-79 Hanptlehrer zu Wupperfcld bei Bar- men. Er starb in Ronsdorf bei Bar- men. In seinen pädagogischen Schriften wie in dem seit 1857 von ihm herausgegebenen «Evang. Schul- blatt» vertrat Dörpfeld die Herbartsche Pädagogik in po- sitiv christl. ^inne, kämpfte aber zugleich gegen die Abhängigkeit der Schule von kirchlichen und polit. Interessen. Von seinen Schriften verdienen Erwäh- nung: «Die freie Schnlgemeinde auf dem Boden der freien Kirche im freien Staate» (Gütersloh 1863), «Die drei Grundgebrechen der hergebrachten Schul- verfassungen» (Elberf. 1869),
«Ein Beitrag zur Leidensgeschichte der Volksschule» u. s. w. (3. Aufl., Barmen [* 11] 1892),
«Grundlinien einer Theorie des Lehr- plans» (Gütersloh 1873),
«Enchiridion der biblischen Geschichte» (16. Aufl., ebd. 1892),
«Beiträge zur pädagogischen Psychologie» (Heft 1, 4. Aufl., ebd. 1891), «Das Fundamentstück einer gerechten Schul- verfassung» (Hilchenbach 1894). -
Vgl. Höfler, Friedr. Wilh. Dörpfeld (Lpz. 1890);
Vogelsang, Rektor Friedr. Wilh. Dörpfeld (Hilchenbach 1894).
Dörpfeld, Wilh., Archäolog, Sohn des vorigen, geb. in Barmen, studierte an der Bau- akademie in Berlin, [* 12] war 1877 als Bauführer unter Oberbaurat Adler [* 13] thätig, nahm vom Herbst 1877 bis 1881 an den Ausgrabungen in Olympia teil ¶