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Asyl für gefallene Mädchen, Speise- und Suppenanstalt, Volksküche und Kaffeestube.
Industrie und
Gewerbe. Die Henschelschen Maschinenbauwerkstätten mit bedeutendem
Lokomotiven- und Turbinenbau (1892: 1965
Arbeiter)
und die Fabrik für mathem. und physik.
Instrumente von
Breithaupt sind weltbekannt; ferner erstreckt sich
die Industrie auf
mechan.
Weberei,
[* 1] Fabrikation von Eisenbahnwagen,
Maschinen, Eisenmöbeln und Eisschränken,
Klavieren,
Gold-
und Silberwaren,
Messern, Porzellan,
Tabak,
[* 2] Leder, Handschuhen, Wachstuch, Möbeln,
Chemikalien,
Buntpapier, Kartonnagen und
Papierwaren, Zündhölzern und
Brauerei. Cassel
ist Sitz der 5. Sektion der Papierverarbeitungs-, der 3. der Lederindustrie-,
der 5. der Hessisch-Nassauischen Baugewerks-, der 18. der
Fuhrwerks-Berufsgenossenschaft und Sektion Cassel
-Stadt der Hessisch-Nassauischen
Landwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaft.
Handel. Cassel
hat eine Handelskammer für die Stadt und den Landkreis Cassel, eine
Reichsbankstelle, 16
Bank- und
Wechselgeschäfte, je einen Kredit-,
Gewerbe-,
Vorschuß-und Spar-, allgemeinen Vorschußverein,
eine städtische
Sparkasse und eine solche für den Landkreis, eine Beamten-Spar- und
Vorschuß-, eine Landeskreditkasse, eine
National-Viehversicherungs-Gesellschaft sowie 2
Messen und 4 Jahrmärkte, darunter einer mit Wollmarkt.
Verkehrswesen. Cassel
hat einen Centralbahnhof, in der Oberstadt einen Güterbahnhof und einen Bahnhof in der
Vorstadt
Bettenhausen und liegt an den Linien Cassel
-Hannover (166,1 km), Cassel-Gießen-Frankfurt a. M. (200
km),
Cassel-Bebra (58,2 km), Cassel
-Schönfelde-Schwerte (189,7 km), Cassel-Nordhausen-Halle a.
S. (217,6 km) und der
Nebenlinie Cassel
-Waldkappel (49,9 km) der
Preuß. Staatsbahnen.
[* 3] 1890 gingen 100267 t
Güter ab und 314113 t kamen an. Eine Dampfstraßenbahn (5,509 km, jährliche
Beförderung etwa 990000
Personen) verbindet Cassel
mit
Wilhelmshöhe; außerdem besteht eine Pferdebahn (6,5 km, 920000
Personen). - Cassel
besitzt zwei Postämter erster
Klasse, ein
Bahnpostamt, ein
Telegraphenamt erster
Klasse und Fernsprecheinrichtung mit 325 Sprechstellen.
Vergnügungsorte und Umgebung.
Dicht
vor der Stadt im
S. und in
Verbindung mit dem Orangerieschloß, in dem
zur westfäl. Zeit öfters Hofbälle und Maskeraden gegeben wurden, befindet sich die
Aue (Karlsaue), ein 1709 nach
Plänen
des
Pariser Gärtners Le
[* 4] Nôtre angelegter
Park mit schönen
Bäumen und dem vom Landgrafen
Karl (gest. 1730)
1720-28 erbauten Marmorbade (s.
Tafel:
Bäder Ⅰ,
[* 5]
Fig. 5) mit Marmorskulpturen des
Franzosen Monnot. Als Luftkurort gewinnt
Wilhelmshöhe (s. d.) eine immer größere Bedeutung; südwestlich der
Aue das Schlößchen Schönfeld oder Augustenruhe,
und 8 km entfernt in einem anmutigen
Thale das Lustschloß Wilhelmsthal. Die etwa 3 km entfernte Kaltwasserheilanstalt
Bad
[* 6] Wolfsanger ist durch
Omnibus mit Cassel
verbunden.
Geschichte. Eines Ortes Chassala wird schon 913 in einer Urkunde König Konrads Ⅰ. gedacht. Der Landgraf Hermann der Jüngere von Thüringen bestätigte 1239 den Bürgern von Cassel aufs neue ihre Rechte und Freiheiten. Philipp der Großmütige verstärkte die Befestigungen der Stadt, Landgraf Karl legte 1688 die Oberneustadt an. Im Siebenjährigen Kriege wurde Cassel mehrmals von den Franzosen besetzt; nahmen Friedrichs d. Gr. ^[] Verbündete nach langer Belagerung die von den Franzosen verteidigte Stadt; bald nachher wurden die Festungswerke abgetragen.
Nach dem Tilsiter Frieden ward Cassel 1807 die Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Westfalen. [* 7] Nach kurzer Beschießung mußte die Stadt dem General Tschernitschew übergeben werden, der sie aber bald wieder räumte. Jedoch kehrte König Jérôme nur auf wenige Tage zurück. Nach seiner Flucht hielt am 21. Nov. Kurfürst Wilhelm Ⅰ. von Hessen [* 8] seinen Einzug. Am wurde Cassel von preuß. Truppen unter General von Beyer besetzt und ist seitdem preußisch.
Vgl. Piderit, Geschichte der Haupt- und Residenzstadt Cassel (Cass. 1844; 2. Aufl. 1882);
Hahndorf, Cassel vor fünfzig Jahren (ebd. 1863);
Fr. Müller, Cassel seit siebzig Jahren (2 Bde., ebd. 1876-79);
A. Duncker, Landgraf Wilhelm Ⅳ. von Hessen und die Begründung der Bibliothek zu Cassel (ebd. 1881);
Oberbeck, Touristenführer für die Umgebung von Cassel (5. Aufl., ebd. 1886);
H. Brunner, Cassel im Siebenjährigen Kriege (ebd. 1884);
Führer durch Cassel, Wilhelmshöhe und Umgebung (8. Aufl., ebd. 1887);
Woerls Reisehandbücher, Führer durch Cassel und Umgebung nebst Wilhelmshöhe (2. Aufl., Würzb. 1888);
Dehn-Rothfelser und Lotz, Die Baudenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Cass. 1870);
ders., Das Gemäldegaleriegebäude in Cassel (Berl. 1879).