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des Bundes durch Matrikularbeiträge aufgebracht. Für Streitigkeiten unter den verbündeten Staaten oder mit dem Bunde wurde gewöhnlich ein schiedsrichterliches Verfahren angeordnet (Austrägalverfahren, s. d.). Der Verband [* 1] hat einen völkerrechtlichen, keinen staatsrechtlichen Charakter. Der Staatenbund hat keine Einheit, er ist schwach nach innen und nach außen. Er genügt daher weder den Interessen noch der nationalen Machtentwicklung großer Völker.
Zuerst hat die Union der Vereinigten Staaten [* 2] von Amerika [* 3] den Fortschritt aus dem Staatenbunde in die höhere Form des Bundesstaat oder der Föderation gemacht, indem Hamilton den Gedanken aussprach und mit Hilfe der Konvention von 1787 zur Geltung brachte, daß zwar die staatliche Existenz und Selbständigkeit der verbündeten Staaten erhalten bleiben solle, aber trotzdem der Verband derselben als nationaler Gesamtstaat ausgebildet und mit eigenen Organen für Gesetzgebung, Regierung, Rechtspflege ausgestattet werde, die verschieden sind von den entsprechenden Organen der verbündeten Staaten.
Damit wird auch die Gesamtheit zu einer souveränen, lebensfähigen und mächtigen Staatsperson erhoben. Diese Verfassung wurde sodann 1848 von der Schweiz [* 4] nachgebildet und mit den Modifikationen, welche die deutschen monarchischen Staaten und die preußisch-deutsche Entwicklung forderten, auch bei der Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 und des Deutschen Reichs 1871 angenommen. Der Bundesstaat ist staatsrechtlich, nicht mehr völkerrechtlich. Die Form nähert sich dem Einheitsstaate, welcher eine Autonomie der Provinzen oder Kronländer verstattet (Österreich [* 5] mit seinen Kronländern, Ungarn [* 6] mit seinen Nebenländern).
Die principielle Verschiedenheit des Bundesstaat vom Einheitsstaats liegt in der Organisation der Centralgewalt, welche in letzterm einheitlich, in ersterm föderativ ist. Im Deutschen Reich ist die Einheit der verbündeten Regierungen Träger [* 7] der souveränen Centralgewalt, derart, daß dieselbe durch einen Repräsentanten, den Bundesrat, zur Ausübung gelangt. Der hat eine ihm eigene Gesetzgebung, Regierung, Gerichte, eigenes Heer und Marine, eigene Finanzen, eigene Diplomatie und Konsularvertretung im Auslande.
Die Funktionen des Staates sind geteilt zwischen und Einzelstaaten, jedoch so, daß die Rechtssetzung des erstem stets derjenigen der letztern vorgeht («Reichsrecht bricht Landesrecht») und daß die Grenzen [* 8] der Kompetenz durch den Bundesstaat gegenüber den Einzelstaaten gezogen werden, demgemäß auch verändert werden können. Allerdings mögen bei der weitgezogenen autonomen Selbständigkeit der Einzelstaaten leicht Reibungen und Schwierigkeiten vorkommen. Indessen lassen sich diese teils durch Kompetenzausscheidung, teils durch richterliche Entscheidungen (Nordamerika), [* 9] teils durch verfassungsmäßige Mittel (Deutsches Reich), insbesondere aber durch kluge Politik der Centralgewalt zurückdämmen, und die Vorzüge der Einrichtung, welche zugleich die Macht und Wirksamkeit des gemeinsamen nationalen Vaterlandes und die Freiheit der einzelnen kleinern Länder sichert, sind für die Völker so wertvoll, daß vor diesem Interesse alle Bedenken zurücktreten.
Freilich scheint die Form des Bundesstaat doch nur eine Übergangsform zu sein. Wenn das Streben nach voller Staatseinheit erwacht und das Bewußtsein der innern Zusammengehörigkeit des ganzen Volks erstarkt, so liegt die Gefahr nahe, daß diese Form in die der vollen Union umgewandelt werde. Die Einverleibung eines bisher selbständigen, wenn auch nur halbsouveränen Partikularstaates in den Hauptstaat oder den Gesamtstaat wird Inkorporation genannt und, je nachdem man sich auf den Standpunkt des letztern stellt, auch als Annexion bezeichnet oder, wenn man auf dem Standpunkte des erstern steht, der freiwillig sich an den Hauptstaat oder Gesamtstaat anschließt, Accession genannt.
Beispiele für jene sind die Annexion von Hannover, [* 10] Kurhessen, Nassau, Frankfurt, [* 11] Schleswig-Holstein [* 12] an Preußen [* 13] 1866 und für diese der Beitritt der ital. Mittelstaaten zum neugebildeten Königreich Italien. [* 14] Für die staatsrechtliche Wissenschaft ist der Begriff des Bundesstaat immer noch eine lebhaft umstrittene Kontroverse; bedeutende Schriftsteller wie Seydel verwerfen denselben ganz und erklären nur den Begriff «Staatenbund» als dem Einheitsstaat gegenüber juristisch haltbar.
Litteratur. Außer den Werken über allgemeines und deutsches Staatsrecht vgl. Brie, Der Bundesstaat (1. Abteil., Lpz. 1874);
Jellinek, Die Lehre [* 15] von den Staatenverbindungen (Wien [* 16] 1882);
Westerkamp, Staatenbund und Bundesstaat (Lpz. 1892).