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Folge gehabt. Es ist namentlich die das Hübschhorn vom Mäderhorn bis zum Schirmhaus VII umrahmende Zone von Glanzschiefern, die der Erosion einen wenig widerstandsfähigen Angriffspunkt bot, so dass die zuerst nur schmale Scharte durch die Gletscher allmählig erweitert und noch tiefer hinunter eingeschnitten werden konnte. Die ganze Scheitelfläche des Simplonpasses zeigt mit ihren Rundhöckern, Furchen, Gletscherschliffen etc. offenkundige Spuren der Glazialerosion. Am Fusse des Schienhorns liegt etwa ein Dutzend kleiner Seen, deren Becken im anstehenden Fels ausgekolkt sind und der glazialen Erosion ihre Entstehung verdanken.
Andere solcher Seen sind bereits vertorft. Die Lagerung der Gesteinsschichten an der Stelle des Simplonpasses hat auch zur Folge, dass der Gneis des Monte Leone sich w. vom Hübschhorn vollständig in der Tiefe verliert. Der Pass liegt in kristallinen Schiefern und schiefrigen Gneisen, denen sich am O.-Hang des Schienhorns Kalkschiefer, Fortsetzung derjenigen des Ganterthales, auflagern. Auch der den Gipfel des Schienhorns aufbauende Gneis gehört nicht mehr zum Leonegneis, sondern ebenfalls zur Zone des Ganterthales. Nähere Aufschlüsse über diesen geologischen Bau gibt der Art. Monte Leone dieses Lexikons.
[Prof. Dr. H. Schardt.]
Den Simplonpass überschreitet eine 63 km lange Strasse, die ehemals von Glis ausging, ihren Anfang aber heute am Bahnhof Brig (681 m) nimmt. Sie ist bis zur Betriebseröffnung des Simplontunnels im Juni 1906 während des ganzen Jahres von der eidgenössischen Post befahren und von zahllosen Reisenden überschritten worden. Der Fussgänger, der sich der Abkürzungen bedient, braucht von Brig bis zum Hospiz auf der Passhöhe 6, von da bis zum Dorf Simpeln 2 und weiterhin nach Domodossola hinunter noch 6 Stunden, im ganzen also 14 Stunden. Da der Simplon gleich dem Grossen St. Bernhard auch mitten im Winter sozusagen jeden Tag begangen wird, sorgt der Bund dafür, die Strasse jederzeit geöffnet zu halten.
Eine der grössten Gefahren bilden im Winter die Lawinen, welche die Strasse oft vollständig verschütten und das Leben der Reisenden bedrohen. Mit Bezug auf landschaftliche Schönheit, Grossartigkeit und Abwechslung übertrifft die Simplonstrasse alle übrigen Alpenstrassen, mit denen sie sich auch an Kühnheit der Anlage wohl zu messen vermag, obwohl sie zusammen mit dem Lukmanier den niedrigsten Alpenübergang von der Schweiz nach Italien darstellt und zugleich die zeitlich erste fahrbare Strasse ist, die die Nordflanke der Alpen mit deren Südflanke verbindet. Seit Eröffnung der Bahn hat der Sommerverkehr, sowohl von seiten der Touristen als auch von den italienischen Arbeitern, denen die Fusswanderung billiger als eine Bahnfahrt zu stehen kommt, nicht im mindesten abgenommen.
Der von Brig kommende Reisende gewann die Simplonstrasse früher in Glis, wo sie sich in 755 m Höhe an die über die Faucille heranführende Thalstrasse anschloss, um sofort auf der 27 m langen, hölzernen Napoleonsbrücke (Pont de Napoléon), die nun völlig zerfallen und 1886 durch eine Eisenkonstruktion ersetzt worden ist, die vom Monte Leone herabkommende und zur Zeit der Schneeschmelze ihre Schlucht fast bis zum Rande füllende, ungestüme Saltine zu überschreiten.
Vor Jahrhunderten soll in der Nähe der Brücke an der vom Volksmund heute noch «in den Höllenen» genannten Stelle ein längst verschwundenes Schloss gestanden haben. Heute bleibt man von Brig an auf dem rechten Ufer der Saltine und erreicht die auf Napoleons Befehl erbaute Strasse erst etwas oberhalb der Brücke. Nun zieht die Strasse durch die mit Häusern und Bütten übersäten Wiesen von Brigerberg in weitem Bogen gegen O., um von dem über dem Weiler Lingwurm stehenden, nun abgebrochenen Schirmhaus I an nach W. sich zu wenden und bis zur Kapelle «In der Bleiken» den prächtigen Brandwald zu durchziehen. Es folgt ein von der tief unten brausenden Saltine durchschluchteter Engpass, an dessen Ausgang sich das Schirmhaus II (Schallberg oder Auberge del Monte Leone; 1321 m) befindet.
Weiterhin lässt man das Nesselthal und das Thälchen von Les Tavernettes oder Tafernen, in dem der alte Weg sich heraufwand, südwärts liegen, um nahezu ebenen Fusses dem rechten Ufer der Saltine zu folgen, dann den Fluss in 1407 m auf der einbogigen hölzernen Ganterbrücke (20 m lang und 23,5 m hoch) zu überschreiten und mit zwei Kehren den Weiler Berisal (1526 m) mit dem Schirmhaus III (zugleich Posthaus) zu erreichen. Berisal ist heute ein gut besuchter Luftkurort und beliebte Sommerfrische.
Die Strasse wendet sich von hier neuerdings gegen SW., steigt durch den aus Lärchen bestehenden Rotwald bergan und durchsticht jenseits des Schirmhauses IV (1751 m), wo sich das Fletschhorn mit dem Rossbodengletscher zeigt, mit der 30 m langen Schalbetgallerie oder dem Kapfloch (auch Caploch geheissen) einen Felssporn. Wenig hinter dem Schirmhaus V (1935 m) passiert man die drei Kaltwassergallerien - Galerie de la Cascade, Vieille Galerie (50 m lang) und Galerie de Saint Joseph (130 m lang) -, die über oder unter den vom Kaltwassergletscher herabkommenden Wildbächen hinführen. ¶