mehr
Truppenaufstellung bewilligte, und nicht anders handelten in rascher Folge auch alle übrigen Kantone.» Anfangs Januar deckten nahe an 30000 Mann die Rheingrenze von Basel bis Romanshorn, nachdem General Dufour von neuem mit dem Oberbefehl über die eidgenössischen Truppen beauftragt worden war.
Da regte sich in ganz Europa die öffentliche Meinung zu gunsten der Schweiz. Napoleon trat neuerdings als Vermittler auf und brachte nach langwierigen Unterhandlungen eine Versöhnung der beiden Staaten zu stande. Im Vertrag von Paris vom «verzichtete der König auf ewige Zeiten für sich und seine Erben auf die Souveränetätsrechte über Neuenburg, und der Staat Neuenburg wurde als Glied der schweizerischen Eidgenossenschaft, mit den gleichen Rechten wie alle andern Kantone erklärt».
Obwohl die Bundesverfassung von 1848 den Abschluss von Militärkapitulationen untersagt hatte, wirkten doch diejenigen, die schon vorher mit dem Könige von Neapel eingegangen worden waren, immer noch fort. Mehr als einmal lud man den Bundesrat ein, der geheimen Rekrutierung ein Ende zu machen. Als dann am 7. und in Neapel Wirren ausbrachen, entschloss sich der König just in dem Augenblick zur Entlassung seiner getreuen Regimenter, da er deren Beistand zur Verteidigung seines Reiches gegen Piemont nötig gehabt hätte.
Ins folgende Jahr fällt die Annexion Savoyens durch Frankreich. Bei Beginn des italienischen Feldzuges von 1859 hatte der Bundesrat von den Signatarmächten des Wiener Vertrages, sowie von Sardinien die Zusicherung des der Schweiz zustehenden Rechtes auf die Besetzung Savoyens im Kriegsfalle erbeten. Eine von ihm gewünschte Konferenz kam aber wegen der zu rasch sich vollziehenden Ereignisse nicht zu stande. Anlässlich des Friedensschlusses beharrte die Schweiz darauf, dass ihrem Recht Rechnung getragen werde. Obwohl nun Napoleon in einem gegebenen Augenblick sich zur Abtretung der Landschaften Chablais und Faucigny an die Schweiz geneigt zu zeigen schien, ging er später nicht mehr auf diesen Gedanken ein, sodass sich die Annexion Savoyens trotz aller Versuche des Bundesrates, die Höfe von London und St. Petersburg für seine Sache zu interessieren, ausschliesslich zu gunsten von Frankreich vollzog.
Im Jahr 1865 wurde ein Anlauf zu einer Teilrevision der Bundesverfassung gemacht, die sich auf folgende Punkte erstrecken sollte: Einführung des Metersystems in Mass und Gewicht;
freie Niederlassung;
Gleichstellung des niedergelassenen Schweizerbürgers mit dem niedergelassenen Kantonsbürger in Gemeindeangelegenheiten;
Regulierung der Besteuerung und der zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen;
Erteilung des Stimmrechtes im Kanton an die Niedergelassenen vom Tag der Niederlassung an;
völlige Glaubensfreiheit und freie Ausübung des Gottesdienstes auch ausserhalb des christlichen Bekenntnisses;
die Möglichkeit, gewisse Strafarten (z. B. Prügelstrafe) durch Bundesgesetz zu verbieten;
Schutz des literarischen und künstlerischen Eigentums;
Erteilung des Rechtes an den Bund, Gesetze gegen Loterie- und Hazardspiele zu erlassen. In der Abstimmung vom nahm dann aber das Volk bloss den Artikel der Niederlassungsfreiheit an, während es alle übrigen verwarf.
Um die nämliche Zeit machte der demokratische Staatsgedanke in verschiedenen Kantonen erfreuliche Fortschritte, die durch die Aufnahme des Rechtes der Initiative, des fakultativen Referendums und der direkten Wahl der vollziehenden Behörde durch das Volk in die resp. Verfassungen sich charakterisieren. Diese Weiterentwicklung vollzog sich 1863 in Basel Land, sowie 1865 und 1868/69 in Zürich. Hier regnete es von Pamphleten gegen den überwiegenden Einfluss von Alfred Escher und das sog. «System». Die von Locher, Bleuler, Vögelin, Ziegler u. A. energisch geführte Kampagne führte zu der neuen Verfassung vom Der Thurgau revidierte seine Verfassung am Luzern führte am das fakultative Referendum, Bern am das obligatorische Referendum, Solothurn und Aargau das obligatorische Referendum und die Initiative am bezw. im Jahr 1870 ein.
Fragen betreffend das Bank- und das Eisenbahnwesen standen damals beständig auf der Tagesordnung der Räte. Zur Erleichterung des Kreditwesens entstanden in verschiedenen Kantonen Staatsbanken. Auch die von Stämpfli 1863 verfochtene Idee des Rückkaufes der Eisenbahnen machte sich schon damals geltend. Die Frage des Alpendurchstiches gab 1867 Anlass zu einem internationalen Uebereinkommen, das von den eidgenössischen Räten nach stürmischen Debatten am genehmigt wurde. 1869 brachte der Waadtländer Nationalrat Louis Ruchonnet eine Motion über Beseitigung der Ehehindernisse und die bundesgesetzliche Regulierung des Eherechtes vor die Räte, die sich zu einem 1872 abgelehnten Versuch der Revision der Verfassung auswuchs. Inzwischen war der deutsch-französische Krieg ausgebrochen, der die Schweiz zur Mobilisation von 35000 Mann und zur Grenzbesetzung veranlasste und uns die Internierung der 85000 Mann starken Armee des Generals Bourbaki brachte.
1873 nahm man die Frage der Verfassungsrevision von neuem an die Hand, diesmal mit Erfolg, indem das Schweizervolk am den neuen Entwurf genehmigte. «Das Ergebnis war ein glänzendes: 14½. Kantone und 340199 Volksstimmen für Ja, bloss 7½ Kantone und 198013 Nein. An dem herrlichen ersten Frühlingstag des 20. April feierte das revisionsfreundliche Schweizervolk von Berg zu Berg, von Thal zu Thal unter Kanonendonner, Freudenfeuern und patriotischen Liederklängen den Eintritt in eine neue Aera.»
Diese von den eidgenössischen Räten am in Kraft erklärte «Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft», die seither in einigen Punkten abgeändert worden ist, besteht bis zum heutigen Tage zu Recht. Sie war das Resultat einer Verständigung zwischen den Zentralisations- und den föderalistischen Tendenzen und erteilte den Bundesbehörden ausgedehntere Kompetenzen namentlich im Militärwesen. Der Bund übernahm nun den gesamten Militärunterricht aller Truppengattungen, die unentgeltliche Bewaffnung und die Gesetzgebung über das Militärwesen. Er erweiterte seine gesetzgeberische Tätigkeit (Gesetz betr. das Zivilstandswesen, Obligationenrecht, Gesetz betr. Schuldbetreibung und Konkurs, Fabrikgesetz etc.). Während die Ausübung der Rechtspflege den Kantonen überlassen blieb, wandelte man das Bundesgericht als Rekursinstanz in Sachen der Auslegung der eidgenössischen Gesetze zu einem ständigen Gerichtshof um, als dessen Sitz 1874 Lausanne bestimmt wurde.
Eine wichtige Neuerung bedeutete die Einführung des fakultativen Referendums: Bundesgesetze, sowie allgemein verbindliche Bundesbeschlüsse, die nicht dringlicher Natur sind, sollen dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden, wenn es von 30000 stimmberechtigten Schweizerbürgern oder von 8 Kantonen verlangt wird.
Die Verfassung von 1874 enthält ferner Bestimmungen über kirchliche und religiöse Fragen, die sich in den frühern Entwürfen nicht fanden und durch damals noch ganz frische Vorfälle veranlasst worden waren. Als drei Priester des Bistums Basel, die erklärt hatten, sich dem Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes nicht fügen zu wollen, vom Bischof Lachat in ihren Funktionen eingestellt wurden, setzte die Diözesankonferenz mit allen gegen die Stimmen von Zug und Luzern am den Bischof ab. Zugleich verbot Bern der katholischen Geistlichkeit jede Gemeinschaft mit dem abgesetzten Bischof «Hierauf entsetzte die Berner Regierung neunundsechzig Priester im Jura, welche gegen diese Massregel protestierten. Darob entstand grosse Aufregung im Jura; Bern musste Militär schicken und ging im Uebereifer so weit, die widerstrebenden Geistlichen auszuweisen. Allein nach der Bundesverfassung war Ausweisung von Schweizerbürgern nur gestattet bei wiederholter Begehung schwerer Verbrechen, und der Bundesrat verlangte darum Rücknahme dieser Verfügung. Nur ungern entschloss sich Bern dazu und hielt sich hernach schadlos durch Erlass eines freisinnigen Kirchengesetzes. Gegen alle diese Vorgänge sprach sich der Papst in einer Enzyklika vom so scharf aus, dass der Bundesrat seine Verbindung mit Rom abbrach und dem Nuntius Agnozzi seine Pässe gab. Tatsächlich wurde ¶