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Dauer ihres Amtes. Durch diese ausserordentliche Massregel fühlte sich aber die gesamte Geistlichkeit betroffen. Nachdem am 11. November 225 Pfarrer im Rathaus zu Lausanne beratschlagt hatten, sandten am folgenden Tag deren 153 dem Staatsrat ihre Kollektivdemission ein. Das Volk stellte sich auf Seite der Regierung, indem 15000 Unterschriften deren Vorgehen billigten, 11000 dagegen die Rücknahme des Beschlusses wünschten. Mit 125 gegen 33 Stimmen übertrug der Grosse Rat dem Staatsrat völlige Handlungsfreiheit in dieser Angelegenheit. Es folgte eine Reihe von vexatorischen Massregeln, indem namentlich diejenigen Personen, die den Gottesdienst der «freien» (evangelischen) Kirche begünstigen sollten, mit Strafe bedroht wurden. Es spielten sich denn auch nicht weniger als 27 Prozesse dieser Art ab, von denen derjenige, der die Witwe Vinet's auf die Anklagebank führte, am meisten Staub aufgewirbelt hat.
Nachdem der Staatsrat die Geistlichkeit des Kantons seine Macht hatte fühlen lassen, ging er auch gegen die Lehrerschaft an den Volks- und höhern Schulen vor. Die Akademie galt bei den Radikalen als ein Hort doktrinärer Gesinnung und war auch beim Landvolk schlecht angeschrieben, obwohl sie sich seit dem Gesetz von 1838 erfreulich entwickelt hatte. Nun schränkte man durch Gesetz von 1846 die Anzahl der Lehrstühle ein und gab mehreren Professoren den Abschied.
Im Frühjahr 1847 entliess man ferner den Direktor und mehrere Lehrer der Kantonsschule. Das brutale Vorgehen der Machthaber von 1845 erregte eine Missstimmung, unter der der Kanton Waadt und besonders die Stadt Lausanne noch auf lange Zeit zu leiden haben sollten, trug aber andrerseits zu einer Annäherung der französischen an die deutsche Schweiz bei, die dann ein gemeinsames Vorgehen gegen den Sonderbund ermöglichen sollte.
Eine weitere Stärkung erfuhr das radikale Element in Zürich, wo bei den Wahlen von 1845 die Radikalen Furrer, Rüttimann und Alfred Escher über die Konservativen Bluntschli und Mousson obsiegten. Das selbe wiederholte sich 1846 in Bern, wo die Wahlen neue Männer, die zu einem energischen Vorgehen gegen den Sonderbund entschlossen waren, zur Macht brachten. Hier sahen sich die Radikalen der ältern Schule, wie Neuhaus und Tavel, von den Jungradikalen Ochsenbein, Stämpfli und Stockmar verdrängt. Am genehmigte das Berner Volk mit 35063 gegen 1280 Stimmen eine neue Verfassung, «welche bedeutende Erweiterungen des demokratischen Prinzips brachte (z. B. direkte Wahlen, Abberufungsrecht gegen den Grossen Rat, Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens und die Möglichkeit, durch Gesetz dem Volke Gegenstände zur Entscheidung vorzulegen)».
Die staatlichen Einrichtungen des Kantons Genf waren freisinniger als diejenigen der Mehrzahl der übrigen Kantone. Auf Betreiben von J. J. Rigaud-Sarasin, der im Zeitraum 1825-1843 elfmal das Amt des Syndikus bekleidete, hatte die Regierung die politischen Rechte der Bürger stufenweise erweitert, so dass die Republik Genf der revolutionären Krise, die 1830 fast alle übrigen Kantone erschütterte, vollkommen entging. Obwohl der Genfer Staatsrat sich geweigert hatte, den Badener Artikeln beizutreten, verstand er es doch, die katholische Geistlichkeit der staatlichen Autorität fügsam zu machen. Auch in der aargauischen Klosterfrage von 1844 beobachtete er eine vorsichtige und versöhnliche Haltung. Die Mehrheit des Grossen Rates, die sich konservativer zeigte als der Staatsrat, versagte trotz der Fürsprache der Bürgermeister Rigaud und Rieu, sowie des Professors Auguste de la Rive, mehr als einmal das zu gunsten der Stadt Genf geforderte Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden, so dass die Stadt direkt vom Staatsrat aus verwaltet blieb.
Der eigentliche Grund zu einem sich vorbereitenden Umschwung lag aber darin, dass eine junge Generation von tatkräftigen Männern, wie z. B. James Fazy, herangewachsen war, die darnach trachtete, die Leitung des Staatswesens in ihre Hände zu nehmen. Der Tod von Étienne Dumont und Bellot, der Wegzug von Rossi und der Verzicht von Sismondi und de Candolle auf weitere Wirksamkeit hatten die Regierungspartei geschwächt und zugleich entmutigt. Nachdem am die Reform der Gemeindeverwaltung neuerdings abgelehnt worden war, bildete sich die sog. «Association du 3 mars», um auf die Einberufung eines Verfassungsrates hinzuarbeiten.
Die zunächst sich ebenfalls daran beteiligenden gemässigten Elemente mussten bald den Radikalen der schärfern Tonart weichen und zogen sich zurück. Am 22. November beschloss der Grosse Rat unter dem Druck der Ereignisse die Einberufung eines Verfassungsrates. Die Wahlen fanden am 14. Dezember statt und waren die ersten im Kanton Genf, bei denen das allgemeine Stimmrecht zur Anwendung kam. Sie gaben den Konservativen den Sieg. Während sich die Parteien in der Stadt die Wage hielten, hatten die Landgemeinden für die konservativen Kandidaten entschieden. Die nun zur Ausarbeitung ¶