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ganze Frage durch eine friedliche Umwälzung und ohne fremde Einmischung erledigt. Das weniger zur Nachgibigkeit gestimmte Berner Patriziat zeigte allen Begehren gegenüber einen Starrsinn, der zu seinem Sturze führen sollte.
Als man in Lausanne am den eben erwähnten Beschluss des französischen Direktoriums vernahm, bildete sich unter dem Namen des «Comité de Réunion» sofort ein revolutionärer Klub, der nach allen Seiten hin Boten aussandte und sich mit den Patrioten der übrigen Ortschaften der Waadt in Verbindung setzte, um auf dem Wege der Petition die Einberufung der Waadtländer Ständeversammlung zu erwirken. Am 8. Februar beschloss der Rat der Zweihundert in Lausanne auf den von Maurice Glayre gestellten Antrag hin, diese Petition dem Berner Rate zu unterbreiten, worauf auch die übrigen Städte der Waadt diesem Beispiel folgten und somit die Bewegung vom ganzen Waadtland anerkannt und unterstützt war. Um die Petitionäre einzuschüchtern, beschloss Bern, die Milizen und die Räte der Städte auf den 10. Januar zur Huldigung einzuberufen.
Während Vevey, Cully, Moudon, Nyon, Aubonne und andere Orte sich zu huldigen weigerten, hielten sich in Lausanne selbst zahlreiche Bürger vom Huldigungsakte fern. Am folgenden Tag bemächtigten sich die Patrioten von Vevey des Schlosses Chillon. Da die Autorität des Rates von Bern nicht mehr anerkannt wurde, sorgten die Gemeindebehörden für Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Bern wandte sich an die Tagsatzung, welche J. C. Wyss und von Reding-von Biberegg als eidgenössische Kommissäre nach Lausanne abordnete.
Diese drangen in den Rat von Bern, dass er die Ständeversammlung einberufen solle, wovon Bern aber nichts hören wollte, sondern Truppen aufbot und das Waadtland unter die Militärdiktatur des Obersten von Weiss, Landvogtes von Moudon, stellte. Am 22. Januar verweigerte der Rat der Zweihundert zu Bern mit einer Mehrheit von zehn Stimmen die Einberufung der Stände, indem er zugleich die Truppen des deutschen Kantonsteiles einberief. Am nämlichen Tage hatte sich eine Abordnung der Waadtländer Städte nach dem Pays de Gex begeben, um sich der eventuellen Unterstützung von Seiten des Generales Ménard zu versichern. Am folgenden Abend, 23. Januar, kam eine aus Fernex datierte Proklamation dieses Generales in Lausanne an, die den Waadtländern ankündete, dass ihm das Direktorium den Auftrag erteilt habe, ihnen mit allen Mitteln zur Freiheit zu verhelfen. Am nämlichen Tage war ferner noch eine aus Paris kommende Broschüre angelangt, die den Titel Instruction pour l'Assemblée représentative lémanique trug und von F. C. de Laharpe und Vincent Perdonnet unterzeichnet war.
Am 24. Januar erklärten sodann die Abgeordneten der Gemeinden die Unabhängigkeit des Waadtlandes und bestellten eine provisorische Regierung. Die Mehrzahl der Berner Landvögte verliessen hierauf das Land. Damit hatte sich die Revolution vollzogen, ohne dass ein Tropfen Blutes vergossen worden war. Einige Landesteile wie Aigle, die Ormonts, das Pays d'Enhaut, Grandson, Sainte Croix, Orbe und ein Teil des Gros de Vaud waren indessen Bern treu geblieben, das auf seinem Standpunkt verharrte und sich anschickte, die Waadtländer mit Waffengewalt zur Unterwerfung zu zwingen.
Unterdessen ereignete sich der Zwischenfall von Thierrens, der den Franzosen den gesuchten Vorwand zum Einmarsch lieferte. Am 25. Januar hatte nämlich General Ménard seinen Adjutanten Autier als Unterhändler nach Yverdon gesandt. Während dieser in der Nacht in einem Wagen unterwegs war, wurde seine Eskorte von der Sicherheitswache, die die Bewohner von Thierrens zu ihrem persönlichen Schutze aufgestellt hatten, angehalten. Anstatt aber auf das an sie gerichtete «wer da?» zu antworten, zogen die französischen Husaren die Säbel, worauf sich ein Kampf entspann, in dem sie den Tod fanden.
Obwohl die sofort eingeleitete Untersuchung dartat, das die Bewohner von Thierrens in rechtmässiger Notwehr gehandelt hatten, beharrte General Ménard darauf, seine Husaren seien ermordet worden. Er hatte den Vorwand, den er schon lange gesucht, gefunden. So gab er denn am 27. Januar seinen Truppen (10500 Mann) den Befehl zum Einmarsch ins Waadtland. Aber auch ohne den Zwischenfall von Thierrens stand dieser Einmarsch unmittelbar vor der Türe, da er, wie aus einem Brief Ménard's an den General Müller hervorgeht, bereits beschlossene Sache gewesen war.
Während sich die Affäre von Thierrens am 25. Januar, abends 10 Uhr ereignete, datiert der Brief, der den Einmarsch der französischen Truppen auf den 28. Januar ankündigte, vom 26. Januar, zu welcher Zeit dem General Ménard von jenem Ereignis noch keine Kunde zugekommen sein konnte. Da Ménard's Truppen seit drei Monaten keinen Sold erhalten hatten, beeilte sich der General, von den Waadtländern 700000 Fr. auf dem Wege eines Zwangsanleihens zu verlangen, für welches er als Garantie die «französische Loyalität» gab. Ferner schrieb er die Lieferung von Brot, Fleisch, Wein, Branntwein, Heu, Hafer etc., sowie das Aufgebot von 5000 Mann Truppen vor.
Die eigentliche Absicht des Direktoriums war, wie dies auch der französische Geschichtschreiber Martin zugibt, der Umsturz des aristokratischen Regimentes in den Schweizer Kantonen, um dadurch in den Besitz des Staatsschatzes und der öffentlichen Kassen der einzelnen Orte zu kommen. Marmont sagt in seinen Memoiren: Man gab vor, sich über die Schweizer zu beklagen zu haben. Nachdem die eidgenössischen Truppen im Kampf geworfen und zerstreut worden waren, erreichte man Bern, wo man sich des durch Sparsamkeit und in Voraussicht kommender Ereignisse angesammelten beträchtlichen Staatsschatzes bemächtigte.
Trotz ihrem anspruchsvollen Auftreten, das einen ärgerlichen Eindruck machte, wurden die französischen Truppen in Lausanne gut aufgenommen, weniger gut dagegen in Yverdon und Sainte Croix. Bei der Nachricht vom Einmarsch der Franzosen in Lausanne zogen sich die Berner Milizen nach Gümmenen zurück und zeigte das Berner Patriziat ein verspätetes Entgegenkommen, indem es ¶