mehr
keinen Gehorsam schulden, welche die Eidgenossen mit Gewalt angreifen oder bedrängen wollte».
Die am Morgarten erlittenen Verluste nötigten den Herzog von Oesterreich zum Aufschub seiner Revanchegelüste. Im Jahr 1318 schloss er darum einen Waffenstillstand, der zu wiederholten Malen erneuert wurde. Dieser Frieden anerkannte in einem gewissen Mass die Eigenschaft der Eidgenossen als direkte Untertanen des Reiches, d. h. als reichsfreier Leute.
5. Rückgang der Feudalzeit.
Im Verlaufe des 13. Jahrhunderts schwächte sich die kaiserliche Gewalt ab und kräftigte sich zu gleicher Zeit das Bedürfnis nach Unabhängigkeit mehr und mehr. Das Volk suchte sich allmählig und fortschreitend von seinen Herren zu befreien. Es waren namentlich die vom Adel dem Verkehr in den Weg gelegten Hindernisse, die das Volk erbitterten. Der Tod so vieler Edelleute in der Schlacht am Morgarten war für den Adel der deutschen Schweiz ein Schlag, von dem er sich nie wieder zu erholen vermochte. Die fortschreitende Entwicklung des Gemeindewesens führte zum Aufschwung des Bürgertums, das nun zu einem in der Politik ausschlaggebenden Faktor ward. Dank besonderer lokalen Umstände ging die Schweiz auf diesem Wege ganz Europa voran.
Die Bewohner der städtischen Gemeinden waren in verschiedene Klassen oder Stände geschieden, von denen ursprünglich allein die Adeligen und die durch Grundbesitz Reichen zu den öffentlichen Ehrenstellen Zugang hatten. Aber auch die durch ihre Arbeit zu Wohlstand gelangenden Handwerker fingen ihrerseits an, nach politischen Rechten zu verlangen. Sie vereinigten sich zu besondern Korporationen oder «Zünften» 1), wie denjenigen der Schneider, Schuhmacher, Schmiede, Bäcker, Krämer, Weber, Rebleute, Metzger, Zimmerleute etc. [1) Im Welschland, d. h. in den Bischofsstädten Genf und Lausanne nannten sich die einen religiösen Charakter tragenden Zünfte «Confréries» (d. h. Bruderschaften) und stellten sich unter den Schutz eines Heiligen.] Solche Zünfte sieht man in Basel schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts sich bilden.
Die Zünfte umschlossen sowohl die Handwerksmeister, als auch die Gesellen und Lehrlinge des nämlichen Handwerkes. Der Eintritt in eine Zunft war an mehrere Prüfungen des Arbeiters gebunden, und später wurde verlangt, dass jeder, der Meister werden wollte, ein eigenes Haus besitzen müsse. Gemeinsame Gastmähler und Feste brachten die Zünfter einander persönlich näher. Bei Anlass solcher Vereinigungen besprachen die Handwerker ihre Lage und klagten sich gegenseitig ihre Kümmernisse.
Bald wurden sie gewahr, dass sie auch politisch eine grosse Rolle zu spielen fähig seien. Derart gestalteten sich die Zünfte ganz naturgemäss zu einem Herd der Opposition gegen das Patriziat, das bisher die ganze öffentliche Gewalt in seiner Hand monopolisiert hatte. «Das städtische Leben gestaltete sich seit dem 13. Jahrhundert immer mannigfaltiger. Handel und Verkehr weckten neue Bedürfnisse und Interessen. Man begann, der Bequemlichkeit und Annehmlichkeit des äussern Daseins ein grösseres Augenmerk zu schenken; man strebte auf allen Gebieten nach Vervollkommnung. Ein frischer, lebensfroher und fröhlicher Geist weht uns im mittelalterlichen Bürgertum entgegen ... Die städtischen Obrigkeiten handhabten eine weitgehende Polizeigewalt» und schenkten besonders auch der Gesundheitspolizei eine grosse Aufmerksamkeit.
Brot-, Wein- und Fleischverkauf wurden strenge beaufsichtigt und namentlich Weinfälscher hart bestraft. Man erliess Verordnungen betreffend Reinlichkeit und Sicherheit und liess in den Strassen besondere Nachtwachen die Runde machen. Auch sittenpolizeiliche Vorschriften erliess man. «Jeder übergrosse Aufwand in Kleidung, Geschenken u. dergl. ward verboten. Man schrieb vor, wann der Einzelne Abends nach Hause gehen müsse. Nach dem Abendläuten waren in Luzern alle Spiele (wie Kegeln, Stechen, Turniere, Schiessen, Steinstossen, Brettspiel) verboten, wie auch Tanzen und Lustigmachen.»
Von berühmten Predigern dieser Zeit kann der Franziskanermönch Berthold von Regensburg (um 1255) genannt werden, der die Nordschweiz durchzog und als gewaltiger Bussprediger aller Orten die Herzen rührte.
Auch der Sinn für Bildung erwachte von neuem, und die Städte wurden zu Herden der Kunst und Wissenschaft. Hier entstanden weltliche Schulen.
6. Ausdehnung des Bundes der Eidgenossen; Luzerns Beitritt zum Bund
Im Morgartenkrieg hatten sich die Städte Bern, Solothurn, Murten, Biel und Freiburg neutral verhalten. Nach dem Sieg der Eidgenossen verbündeten sie sich dagegen mit diesen. Die Bildung dieser erweiterten Eidgenossenschaft erbitterte den Herzog Leopold, der sich zur Hebung seines Ansehens mit dem Grafen Hartmann von Kiburg, dem Freiherrn von Weissenburg und dem Baron Jean La Tour de Châtillon verband, um mit einer aus Aargauern, Elsässern, Wallisern und Berner Oberländern bestehenden grossen Armee Solothurn zu belagern.
Die Berner beeilten sich, der bedrohten Stadt Hilfe zu senden. Doch hätten Solothurns Aussichten auf einen Sieg wohl auf schwachen Füssen gestanden, wenn sich ihm nicht ein Zufall günstig gezeigt hätte: Ein plötzlich eintretendes Hochwasser der Aare riss die Brücke, die Leopold über den Fluss hatte schlagen lassen, hinweg, so dass die dieselbe besetzt haltenden Wachen in den reissenden Strom fielen. Einem grossmütigen Zug des Herzens folgend, machten sich nun die Solothurner an die Rettung ihrer Feinde, worauf Leopold, von solcher Gesinnung gerührt, die Belagerung aufhob und Frieden schloss.
Im Jahr 1327 traten die
Eidgenossen einem umfassenden Bündnis bei, dem Zürich,
Bern,
Mainz, Worms, Speier, Strassburg, Basel,
Freiburg
im Breisgau, Konstanz,
Ueberlingen,
Lindau und der
Graf Eberhard von
Kiburg angehörten. 1331 schloss der Landammann von
Attinghausen
im Namen der
Eidgenossen und ihrer Verbündeten Zürich
und Urseren mit dem Generalvikar von Como, Franchino Rusca, als Vertreter
der
Leventina und und des Ossolathales, einen Vertrag, laut welchem sich jede der Parteien verpflichtete, auf ihrem Gebiete
für den Unterhalt der Gotthardstrasse zu sorgen.
Am Ausfluss der Reuss aus dem Vierwaldstättersee hatte das Kloster Murbach im Elsass im 8. Jahrhundert ein bescheidenes Klösterlein gestiftet und unter den Schutz des h. Leodegar gestellt. Um die Stiftung herum entstand dann auf Klosterboden ein Fischerdorf, das den Namen Luzern erhielt, sich vergrösserte und im Laufe des 12. Jahrhunderts zu einer Stadt auswuchs, die aber gleich 15 umliegenden Ortschaften unter der Gerichtsbarkeit der reichen Abtei Murbach verblieb.
Dem Vertreter des Abtes stand ein Rat von 12 Bürgern zur Seite. Die hohe Vogtei war dem Landgrafen des Aargaues, d. h. seit 1239 der ältern Linie der Habsburger anvertraut, die sich an Ort und Stelle durch die Edeln von Rotenburg vertreten liessen. Die an der Ausmündung verschiedener Thäler und nahe dem Gotthard gelegene Stadt, von der aus der Verkehr bequem nach dem Rhein weitergeleitet werden konnte, hatte sich zu einem wichtigen Stapelplatz und Markt entwickelt. Schon hatte auch der Rat ziemliche Freiheiten und Rechte erlangt.
Während des Kampfes zwischen Welfen und Ghibellinen nahm Luzern für das Reich Partei und trat damit in Gegensatz zum Kloster Murbach, das zum Papste hielt. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts erlaubten es die zerrütteten finanziellen Verhältnisse von Murbach der Stadt Luzern, einen Teil der dem Kloster zustehenden Hoheitsrechte zurückzukaufen. Im Jahr 1291 verkaufte Abt Berchtold von Murbach die Stadt Luzern samt allen seinen Gütern in deren Umgebung an den König Rudolf.
Anlässlich dieser Erwerbung verpflichtete sich das Haus Habsburg der Bürgerschaft Luzerns gegenüber, alle ihre bisherigen Freiheiten zu bestätigen. Ein vom Landvogt von Baden abhängiger Schultheiss sollte in Luzern die habsburgischen Interessen wahren, vermochte aber dem Rat der Stadt gegenüber nicht viel auszurichten. Um diesem Uebelstand abzuhelfen, übertrugen die Herzoge von Oesterreich während der aufgeregten Zeiten vor der Schlacht am Morgarten die Verwaltung der Stadt und ihrer in der Umgebung gelegenen Güter einem auf Rotenburg sitzenden Vogt. Der nun folgende Sieg der Eidgenossen am Morgarten machte auf die Luzerner einen tiefen Eindruck, unter welchem sie, die Kämpfe Habsburgs gegen Ludwig den Baiern ausnutzend, ihre Vorrechte zu erweitern und die Befugnisse des österreichischen Vogtes einzuschränken suchten. ¶