mehr
zur Gegenwart bewahrt, ebenso Pierrafortscha, wo das deutsche Element noch überwiegt. - Von grosser Bedeutung für die Entwicklung der sprachlichen Machtverhältnisse in freiburgischen Landen war der Verlauf der Sprachbewegung in der Hauptstadt. Durch die deutschen Zähringer 1177 als Stützpunkt ihrer Hausmacht gegen Westen gegründet, war Freiburg ursprünglich eine deutsche Stadt. Sie büsste aber diesen Charakter schon sehr bald ein. Ihre Lage an der deutsch-romanischen Grenze, die Vorteile, die sie in politischer und ökonomischer Beziehung dem Ansiedler bot, die Vorliebe des Welschen für städtisches Zusammenleben, all das hatte einen erheblichen Zuzug aus dem welschen Hinterlande zur Folge; dazu kam, dass der Klerus (die Stadt gehörte zum Sprengel von Lausanne) überwiegend französisch war und seinen starken Einfluss in diesem Sinne geltend machte.
Seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts herrschte das Französische in der städtischen Kanzlei; auch die ältesten Schulen waren französisch. Eine Wendung zu gunsten des Deutschen brachte dann im 15. Jahrhundert die politische Annäherung an die deutsche Eidgenossenschaft, und mit seinem Eintritt in den Bund nach Abschüttelung der savoyischen Herrschaft wurde Freiburg offiziell wieder deutsch, das Deutsche die einzig anerkannte Amts-, Schul- und Kirchensprache, und das Französische sah sich auf den Privat- und Familienverkehr zurückgedrängt. An Zahl hielt die französische Bevölkerung der deutschen nach wie vor ungefähr die Wage. Im 17. und 18. Jahrhundert, in der Zeit der literarischen, überhaupt kulturellen Hegemonie Frankreichs, erlangte das Französische insofern wieder das Uebergewicht, als die gebildeten und sozial höher stehenden Kreise sich ihm zuwandten.
Um so leichter konnte es geschehen, dass die politische Umwälzung um die Wende des 18. Jahrhunderts mit dem alten Regiment auch die offizielle Herrschaft des Deutschen beseitigte. 1830 wurde das Französische ausdrücklich als Staatssprache des neuen Kantons Freiburg erklärt und genoss fortan der selben Förderung von oben herab, die unter den frühern Verhältnissen dem Deutschen zu gute gekommen war. Dass seitdem grundsätzlich die Gleichberechtigung beider Sprachen proklamiert wurde, änderte daran in Wirklichkeit nicht viel, zumal in der Hauptstadt, deren Verwaltung in allen Zweigen ausschliesslich französisch blieb.
Auch die Kirche hielt an der alten Bundesgenossenschaft mit dem Französischen fest. So konnte es nicht ausbleiben, dass das numerische Verhältnis des französischen und deutschen Elements sich zu Ungunsten des letztern verschob, das bei der jüngsten Zählung nur noch ⅓ der Bevölkerung ausmachte (5595 Deutsche auf 9701 Welsche). Dass es nicht noch stärker zurückging, ist der anhaltenden starken Zuwanderung aus dem deutschen Kantonsteil und der übrigen deutschen Schweiz zuzuschreiben. Die alte lokale Scheidung zwischen der deutschen Unterstadt und der französischen Oberstadt hat heute keine Berechtigung mehr.
Auf den engen Zusammenhang, der zwischen der Entwicklung der westlichen Sprachgrenze und gewissen grossen Tatsachen unsrer Geschichte besteht, hat namentlich H. Morf (Deutsche und Romanen in der Schweiz. S. 24 ff.) hingewiesen. Jene mittelalterlichen Vorstösse des Deutschen am Bielersee und im Freiburger Mittelland fallen ohne Zweifel zusammen mit der Ausbreitung der zähringischen Herrschaft im 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts. Eine neue, dem Deutschtum günstige Epoche leiteten die Burgunderkriege ein: teils wurde der ältere deutsche Besitzstand befestigt, teils neues Gebiet hinzugewonnen.
Letzteres war besonders in der Herrschaft Murten der Fall, die 1476 an Bern und Freiburg kam und unter dem Einfluss Berns nicht nur endgiltig germanisiert, sondern auch der Reformation zugeführt wurde, womit ein neues wichtiges Moment in die Sprachbewegung eintrat. Einen französischen Rückstoss, dessen Wirkungen noch heute nicht abgeschlossen sind, brachte die französische Revolution und die durch sie herbeigeführte Umbildung der Eidgenossenschaft. In Freiburg gewinnt dadurch das Französische die Oberhand und gefährdet, von Staat und katholischer Kirche begünstigt, eine der noch nicht gefestigten deutschen Positionen um die andere. Anderseits erweist sich das deutsche protestantische Murten als «kirchliches und wirtschaftliches Germanisierungszentrum» und hält den von der Hauptstadt ausgehenden romanisierenden Einflüssen innerhalb seiner Einflusssphäre erfolgreich das Gegengewicht. Im Zeichen dieses Gegensatzes steht die moderne freiburgische Sprachbewegung.
In ähnlichen, auch zeitlich entsprechenden Etappen wie im Freiburgischen verlief die Entwicklung der deutschen Sprachgrenze im Wallis. Als ältestes deutsches Gebiet, von dessen Besitznahme früher die Rede war, haben die obersten Thalstufen bis gegen Brig und Naters hinunter, also die Bezirke Goms und Mörel zu gelten; es ist als solches gekennzeichnet durch das Fehlen romanischer Flurbezeichnungen Von hier aus wurde, wahrscheinlich im 12./13. Jahrhundert, das Gebiet bis zur Mündung der Lonza (Bezirke Brig, Visp und Raron) dem Deutschtum gewonnen: hier finden sich noch zerstreut romanische Flurnamen an der Lonzamündung die letzten deutschen Ortsnamen (Steg, Hohtenn).
Ein neuer Vorstoss, seit dem 14. Jahrhundert erkennbar, führte zur Germanisierung des Bezirks Leuk und schuf dem Deutschen auch in Siders und Sitten das Uebergewicht. Wieder ist der Flurnamenbefund charakteristisch: im Bezirk Leuk sind romanische Flurnamen noch häufig, schon in Leuk machen sie ⅔ des ganzen Bestandes aus, in Salgesch, dem untersten Dorf des Bezirks, ebenso in Siders und Sitten bilden sie die Regel. Auch im Wallis liegt der Zusammenhang der sprachlichen Verschiebungen mit dem Gang der Landesgeschichte offen zu Tage: sie sind nichts als Begleiterscheinungen des grossen Kampfes, den die in ihrer Mehrheit deutschen Bauerngemeinden des Oberwallis mit dem Haus Savoyen, bezw. dem ihm dienstbaren Landadel und dem Bischof von Sitten um die Vorherrschaft im Rhonethal führten und der 1475 mit der Eroberung des Unterwallis endete, das fortan (bis 1798) Untertanenland des Oberwallis war. Nur in der ältern Zeit geschah die Ausbreitung der deutschen Siedelungen wohl auch wie anderwärts mit Zustimmung oder auf direkte Veranlassung und Befehl der Feudalherren, um unbebaute Gegenden ihres Besitzes zu bevölkern und nutzbar zu machen; wie denn die deutsche Besiedelung des Lötschenthals den Herren von Thurn zugeschrieben wird, denen das Thal im 13. und 14. Jahrhundert gehörte.
Schon im 14. Jahrhundert scheinen die obern Gemeinden des Zendens Leuk deutsch geworden zu sein; im untern Teil vollzog sich der Uebergang im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts: Salgesch war im 15. Jahrhundert noch romanisch, Leuk um die Mitte des 16. noch doppelsprachig. Das Gleiche ist aus der selben Zeit für Siders bezeugt, ebenso für Sitten, wo die ersten sichern Anzeichen deutscher Einwanderung im Anfang des 15. Jahrhunderts auftreten. Während aber Leuk später vollständig verdeutscht wurde, war das in Siders wohl niemals der Fall, und noch weniger in Sitten, wenn auch das Deutsche im 17. und 18. Jahrhundert nicht nur das ganze öffentliche Leben beherrschte, sondern auch die entschiedene Mehrheit der Bevölkerung für sich hatte.
Dazu kam, dass, im Gegensatz zu den obern Bezirken, in Siders und Sitten die Germanisierung sich im wesentlichen auf das Weichbild dieser Orte beschränkte, während das umliegende Land romanisch blieb (das bei Sitten gelegene und wirtschaftlich mit ihm zusammengehörige Bramois ausgenommen). Wie in Freiburg, so leitete im Wallis die Umwälzung von 1798 eine Wendung zu gunsten des Französischen ein. Das Oberwallis verlor seine politischen Vorrechte. Indem die Verfassung von 1840 für die Bestellung der Staatsbehörden den Grundsatz der proportionalen Vertretung aufstellte, musste die politische Vorherrschaft dem numerisch weit stärkern romanischen Landesteil zufallen.
Das Französische wurde, wenn auch nicht gesetzlich, so doch in Wirklichkeit die eigentliche Staatssprache. Die Folge war ein rascher Rückgang des Deutschtums vor allem in der Hauptstadt. Während noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts ¾ ihrer Bewohner deutsch sprachen, hatten die Deutschen schon 1860 die Mehrheit eingebüsst und machten im Jahr 1900 kaum mehr ¼, noch dazu den wirtschaftlich schwächsten Teil der Bevölkerung aus. In der gleichen Richtung ging die Entwicklung im benachbarten Bramois, das um 1800 noch 60-70% Deutsche zählte, heute aber eine starke französische Mehrheit hat. Ebenso in Siders, wo das deutsche ¶