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mancherorts je nach Geschlecht und Alter mit verschiedenen Glocken. Am Sonntag nach der Beerdigung kommt im Unter Engadin die ganze Gemeinde schwarz zur Kirche. Die «Grabbeterin» oder «Dreissigstbeterin» begibt sich an den 30 ersten Abenden mit einer Wachskerze in die Kirche und betet für das Seelenheil des Verstorbenen (Urschweiz, Luzern, Aargau, Solothurn). Der Grabhügel wurde im Werdenbergischen (St. Gallen) mehrere Sonntage nach der Beerdigung mit Kohlenstaub, Hammerschlag oder Eisenfeilspänen bestreut. Totenbretter («Eh-, eigentlich Ree-Bretter») sind nur in der katholischen Nordostschweiz (wahrscheinlich aus Oesterreich her) nachweisbar: nach Eintritt des Todes wird der Verstorbene auf ein rohes Brett gelegt, dieses Brett hernach zu einer sargbrettartigen Form ausgesägt, mit Inschriften oder einem Kreuz bemalt und aussen am Hause angebracht.
Auch der Hausbau und Hausbezug hat seine Volksbräuche. Ist das Haus «aufgerichtet», so wird es mit einem bebänderten Tännchen geschmückt und ein Aufrichtefest veranstaltet. Im Kanton Luzern findet eine Aufricht-Messe statt, an der die Handwerksleute und Nachbarn teilnehmen. Am Abend geschieht das «Firobig-Klopfen», wobei die Zimmerleute im Takt auf ein Stück Langholz schlagen. Beim nachfolgenden Fest spricht der Meistergeselle das Lob des Meisters aus. Die «Hausräuki» oder der «Einstand» ist das Mahl, das Nachbarn oder guten Freunden zum erstenmal im neuen Haus geboten wird. In einzelnen Bergdörfern des Prättigaus besteht noch das «Ehrentagwen» oder «Frohnen», d. h. die Gratisbauarbeit der Mitbürger. Das Schlussmahl wird «Firstwein» genannt.
β) Von Gelegenheitsbräuchen und festlichen Anlässen im Berufe nehmen wir die der Aelpler voraus. Allbekannt ist die Alpfahrt mit ihrem festlichen Aufzug. Voran geht gewöhnlich der sonntäglich gekleidete Senn und die «Meisterkuh» oder «Heerkuh» mit dem Melkstuhl zwischen den Hörnern, dann die übrigen Kühe u. das Alppersonal in bestimmter Reihenfolge. Die schönsten Kühe sind oft bekränzt. Ebenso berühmt ist der «Betruf» (weniger richtig auch «Alpsegen» genannt), den die Sennen einiger Alpen (Pilatus, Sargans, Gross-Isenthal, Obwalden, Ulrichen, Urnerboden, Zug, Goms, französische u. rätoroman. Schweiz) noch heutzutage beim Dunkelwerden durch einen Milchtrichter über die Alp singen.
Der schönste und altertümlichste Betruf ist derjenige von Sargans. Im Eifischthal wird dem Pfarrer von Vissoye dafür, dass er die Alp gesegnet hat, jeweilen der Milchertrag des dritten Sömmerungstages jeder Alp gesteuert. Der Meistersenn macht daraus einen Käse und bringt ihn am Sonntag vor Bartholomäi (24. August) nach Vissoye. In langem Zug ziehen die Sennen der 25 Alpen, derjenige mit dem grössten Käse voraus, am Altar vorbei und lassen ihre Produkte von dem Pfarrer segnen. Mancherorts wird auch der Ertrag eines Tages als Armensteuer bestimmt. Die Hauptfeste des Aelplers aber sind die «Aelplerkilbenen» («Alpstubeten», «Bergdorfet» etc.), die teilweise während der Sömmerung selbst abgehalten werden und dann vorwiegend in Kampfspielen bestehen, oder (wie z. B. in Schwyz, Sarnen, Stans) nach der Alpentladung vor sich gehen, und dann mit grossen Festlichkeiten, Aufführungen (Wildmann und -weib), Fahnenschwingen, Tanz und dergl. verbunden sind.
Auch der Bauer hat seine landwirtschaftlichen Gelegenheitsbräuche, besonders zur Zeit der Ernte. Da wird bei der Kornernte das «Glückshämpfeli» («Glücksgarbe» etc.), ein Büschel Aehren, bis zuletzt stehen gelassen und sodann etwa unter Aussprechen der drei höchsten Namen geschnitten. Diese Aehren beschützen das Haus vor Unglück. Der Samen wird im Namen der heiligen Dreifaltigkeit ausgestreut, die Ernte mit dem Spruche begonnen: «Walt Gott, well Gott, dass es wohl ausgebe» (Zürich), etwa auch der Pflug gesegnet (St. Gallen). Sehr verbreitet sind die Feste am Schluss der Ernte, des Dreschens usw. («Segessen-Henki», «Sichel-Lösete», «Flegel-Henki», «Rechen-Löse», «Schnitter-Sonntag», «Kräh-Hahnen» usw.), gewöhnlich ein Schmaus und ein Trunk, der den Arbeitern von den Bauern gespendet wird und dem sich je nach der Gegend grössere oder kleinere Lustbarkeiten anschliessen.
Farbenprächtiger waren und sind die Handwerker- und Zunftfeste. Hierher gehören die Winzer-Feste, besonders dasjenige von Vivis, das aus ursprünglich bescheidenen Umzügen der «Abbaye des Vignerons» zu Riesendimensionen angewachsen ist; hierher auch die schmucken Küfertänze, wie sie früher in Basel, Bern, und Genf ausgeführt wurden, die Umzüge der Metzger (besonders in Bern und Zürich), sowie anderer Zünfte und Gilden. In ihren ersten Ursprüngen gehen diese Umzüge gewiss auf Kulthandlungen zurück, was bei den Metzgerumzügen mit dem (zum Opfer) geschmückten Stier am deutlichsten kenntlich ist. Dann mögen die mittelalterlichen Musterungsumzüge viel zu ihrer Erhaltung und Ausgestaltung beigetragen haben.
Von militärischen Festen erwähnen wir den hübschen Brauch des «Aepfelhauets», eines Reiterspiels der Kavallerievereine im Kanton Basel, bei dem ein von einem Galgen niederhangender Apfel im Vorüberreiten wagrecht mit dem Säbel durchhauen werden muss. Die Kadettenfeste weisen dagegen meist wenig Volkstümliches auf.
Unter den Festen des fahrenden Volkes ist namentlich die «Feckerkilbe» in Gersau berühmt geworden, deren Ursprung in das Mittelalter zurückreicht. Auf Sonntag nach Himmelfahrt strömten aus allen Gegenden fahrende Leute in Gersau zusammen, um eine fröhliche Kirchweih zu halten. Vormittags nach dem Gottesdienst zogen alle Teilnehmer unter Aufsicht des Bettelvogtes in zerlumpten Kleidern und Almosen sammelnd durch das Dorf, nachmittags erschienen sie auf dem Festplatz geputzt, und nun entwickelte sich ein reges Festleben mit Schmaus und Trunk. Am folgenden Tage war Jahrmarkt und Tanz, wobei es, da die Fecker stets gute Zahler waren, hoch herging. Dieser Gersauer Feckerkilbe wurde in den 1830er Jahren durch polizeiliches Verbot ein Ende gemacht. Auch in Herisau haben sich noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts in der Neujahrswoche die fahrenden Leute versammelt.
γ) Als Feste von höherer Organisation bezeichnen wir einerseits historische und politische Feiern, Gedenktage, Freiheitsfeste, Jubiläen, anderseits Schützen-, Sänger-, Turn-, Schwingfeste, auch Jugend- und Schulfeste. Einzelne derselben mögen echt volkstümliche Ursprünge haben; da aber heutzutage die Anordnung solcher Feste gewöhnlich in den Händen von eigens dazu bestimmten Komitees liegt, dürfen wir bei ihnen nicht viel urwüchsiges Volkstum mehr erwarten.
Die historischen und politischen Feiern lassen sich am besten scheiden in solche, die in kleinern Zeiträumen periodisch wiederkehren, und solche, die nur einmal oder höchstens in ganz grossen Zeitintervallen begangen werden. Zu erstern gehören die Sempacher Schlachtfeier, die «Näfelser Fahrt», die Schlachtjahrzeitfeier am Morgarten, die Tellsplattenfahrt, der Kreuzgang der Appenzeller an den Stoss, das St. Jakobsfest in Basel, die Dornacher Schlachtfeier und die Gedenkfeier an die «Escalade» in Genf. Davon reichen zurück ins 14. Jahrhundert die Sempacher- und die Näfelserfeier (auch die Tellsplattenfahrt und die Morgartenfeier?),
in's 15. die Feier am Stoss, in den Anfang des 16. die Dornacher Feier, in den Anfang des 17. die «Escalade», während das St. Jakobsfest (seit 1822) und die Neuenburger Erinnerungsfeier an den erst der Neuzeit angehören. Nicht periodisch wiederkehrende Feste wären z. B. die Feiern des Eintritts der Kantone in den Bund, die Feier der Schlacht bei Murten (1876), der Tagsatzung zu Stans (1881), des Bundes der Urkantone (1891), der Gründung des Unot in Schaffhausen (1864), der Vereinigung von Gross- mit Klein-Basel (1892) u. a. m.
Die kantonalen und eidgenössischen Schützenfeste sind aus den lokalen und regionalen Schiessen hervorgegangen, wie sie sich schon im Mittelalter reichlich nachweisen lassen. Ebenso gehen die Schwingfeste auf ganz bescheidene Anfänge zurück, während die Turn- und Sängerfeste grösseren Stils erst dem 19. Jahrhundert angehören. Auch die von Quartieren oder ganzen Gemeinden angeordneten Jugendfeste sind durchaus modern und tragen kein echt volkstümliches Gepräge.
δ) Weit interessanter und altertümlicher sind die Verfassungsbräuche und -feste.