mehr
Pflegeanstalt von Rugenet. Die Kranken bezahlen eine Pensionsgebühr von 1-10 Fr. Der Staat hat 1903 für diese Anstalten 153656 Fr. ausgegeben.
Das in Dombresson befindliche Waisenhaus Borel trägt den Namen eines hochherzigen Bürgers, der dem Staat sein ganzes Vermögen zur Gründung eines kantonalen Waisenhauses für Knaben und Mädchen vermacht hat. Es zählte am im ganzen 117 Zöglinge (72 Knaben und 45 Mädchen), wovon 11 in eine Lehre gegeben waren. 1903 betrugen die Einnahmen 56986 Fr. und die Ausgaben 45648 Fr. Der Ueberschuss der Einnahmen von 11338 Fr. ist zu verschiedenen Amortisationen verwendet worden.
Volkscharakter und geselliges Leben.
Ein Schriftsteller hat 1840 erklärt, dass gewisse Charakterzüge sich bei den Neuenburgern aus allen Gegenden des Kantons regelmässig wiederfinden. Als solche nennt er eine ungewöhnliche Intelligenz, strenge Gerechtigkeitsliebe, aufbrausendes Temperament und feste Anhänglichkeit an ihre Sitten, Gebräuche und Ueberlieferungen aus alter Zeit. Diese Charakteristik darf auch heute noch als völlig zutreffend gelten. Immerhin zeigen sich zwischen den Bewohnern des Seegeländes und den Leuten der Bergregion in dieser Beziehung noch manche erheblichen Unterschiede.
Der im Vignoble aufgewachsene Neuenburger ist meist zurückhaltend und gegenüber Fremden oft etwas kühl; sein ganzes Tun lässt noch den Einfluss der alten Gebräuche und Ueberlieferungen erkennen, so besonders eine gewisse Strenge in seiner Lebensauffassung, die ohne Zweifel auf seine althergebrachten religiösen Grundsätze zurückzuführen ist. Seit den letzten 60 Jahren haben sich Sitten, Gebräuche und Lebensweise auch in der Stadt Neuenburg selbst nicht wesentlich geändert, obwohl hier die Kantonsbürger jetzt in beträchtlicher Minderheit sind (1904: 8719 Neuenburger gegen 13266 Schweizern aus andern Kantonen und Ausländern).
Der Neuenburger aus dem Vignoble pflegt mit Bewusstsein das religiöse Moment und widmet ausser dem Genuss von kirchlicher und klassischer Musik, der Veranstaltung von Familienabenden und dem Besuch von geselligen Anlässen den Freuden des Lebens nur wenig Zeit. Er hat Sinn und Geschmack für Kunst, Litteratur und Wissenschaft und kann zu opferwilliger Begeisterung entflammen, wenn es die Hebung des geistigen Lebens und die Unterstützung der Kunst gilt. Rauschenden Festlichkeiten zieht er ernste Feiern und Vorträge vor. Dieses ruhige und gemässigte Temperament des Städters zeigt sich auch bei den Landleuten ö. und w. der Stadt, denen die harte und ständige Arbeit in den Weinbergen diesen Stempel aufgedrückt hat.
Im Gegensatz dazu ist der Neuenburger der Thalschaften und Bergregionen offenherzig, gesprächig, unternehmungsfreudig und für den Fremden leicht zugänglich. Die frische Luft seiner Berge und der lang andauernde Winter wecken in ihm den Sinn für fröhliches geselliges Leben. Man erkennt den Montagnard sofort an seinem lebhaften Charakter und seiner schlagfertigen Zunge. Er ist gastfreundlich, zuvorkommend und intelligent und zeigt sich geschickt und erfinderisch für alle industriellen Betätigungen.
Auch er ist trotz der starken Vermehrung der kantonsfremden Bevölkerung (La Chaux de Fonds 1904: 13727 Neuenburger und 24006 Schweizer anderer Kantone und Ausländer) seinen überlieferten Bräuchen und Charaktereigenschaften treu geblieben. Der Montagnard zeigt endlich auch eine ganz besondere Vorliebe für lebhafte Anteilnahme an allen Tagesfragen und nicht zum wenigsten auch am politischen Leben seines Kantons. Sehr stark entwickelt ist im Kanton Neuenburg das Vereinsleben.
Jeder Ort hat seine Musik-, Gesang-, Schiess- oder Turnvereine. Die Zahl der gemeinnützigen und wohltätigen Gesellschaften (Unterstützungen mit Geld, Kleidern, Lebensmitteln, Schuhen etc.) ist Legion. Jeder Zweig der industriellen Tätigkeit hat seine zahlreichen Fachvereine, wie sich auch überall landwirtschaftliche Genossenschaften gebildet gaben. Ferner werden das religiöse Leben, Kunst, Wissenschaft, gegenseitige Fortbildung, Sport etc. in zahlreichen Vereinigungen gepflegt. Viele Kranken-, Versicherungs- und Sparvereine etc.
[Ed. Quartier-la-Tente.]
Geschichtliche Entwicklung.
Ein eigenes geschichtliches Leben entfaltete sich im Gebiet des jetzigen Kantons Neuenburg erst seit dem Untergang des zweiten Burgunderreiches im 11. Jahrhundert. Eine erste Aufgabe der Bewohner war es, in ihrer dicht bewaldeten und vom Bären und Wolf verheerten Heimat sich sichere Wohnstätten anzulegen. Das flache Seeufer und die nahe dem Land nur geringe Tiefe des Sees lud zur Erstellung von Pfahlbauten ein, die denn auch in keinem andern See der Schweiz so häufig waren wie gerade hier, wo man bis jetzt deren etwa 70 (teils aus der Stein- und teils aus der Bronzezeit) kennt.
Von Vaumarcus bis Marin liegen vor jedem Uferdorf eine oder mehrere solcher Stationen, von denen namentlich diejenige von La Tène (vor Marin) deswegen berühmt geworden ist, weil sich hier ein merklicher Fortschritt in der Eisentechnik offenbart hat. Die in diesen Pfahlbauten gefundenen und in unsern Museen oder Privatsammlungen aufbewahrten zahlreichen Kriegs- und Jagdwaffen, Haushaltungsgegenstände, Fischereigeräte, Schmucksachen zeugen nicht nur von einer einst verhältnismässig dichten Besiedelung, sondern auch von einer lebhaft tätigen Bevölkerung, die schon einen gewissen Tauschhandel betrieb, um auf diesem Wege ¶