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dem Jahr 1812, dass die Lötschthaler Pferde und Ziegen züchteten und Schweine und Färsen mästeten, die sie dann im Rhonethal gegen Hanfgespinnste austauschten. Heute liegen die Verhältnisse natürlich wesentlich anders, da sich die Bewohner jetzt Gewebe aller Art leicht verschaffen können. Geblieben ist aber aus jener vergangenen Zeit die Aufzucht von Pferden und Maultieren, welchem Zweck noch eine ganze Alpweide ausschliesslich dient. Es sei gestattet, an dieser Stelle folgende, von Prof. F. O. Wolf gegebene Charakteristik der Thalbewohner anzuführen: «Der Lötschthaler ist ein durch seine Abgeschlossenheit und den steten Kampf mit der feindlichen Natur, mit dem reissenden Gebirgsstrom, mit Lawinen und Steinschlag und andern seine Existenz und seinen Wohlstand bedrohenden Zufällen abgehärteter Volksschlag. Im Allgemeinen ernst und wenig mitteilsam, teilt er mit andern abgesondert lebenden Gebirgsstämmen das Misstrauen gegen Fremdes und Neues, ist jedoch dem einmal ihm Nähergetretenen ein umwandelbar ergebener und treuer Freund. Die Tracht, vollständig aus selbstgezogenem Flachs und selbstgesponnener Schafwolle verfertigt, ist ebenfalls ernst und einförmig. Schwarze Röcke, Weste und Beinkleider, schwarze Hüte bei den Männern, schwarze Kittel bei den Weibern, die nur durch die bunten Kopf- und Brusttücher etwas belebt werden, geben der Tracht ein sehr ernstes und monotones Ansehen. An hohen Festtagen jedoch erscheinen auch gestickte Jacken, schneeweisse Wäsche, seidene Hals- und Brusttücher und die koketten Häubchen der Walliserinnen, wodurch die Frauen und Mädchen ein überaus schmuckes Ansehen erhalten und man die Schönheiten vom Gletscherstaffel, die man am Werktage nur in ihren schmutzigen, unschönen Hirtenhemden zu sehen gewöhnt ist, gar nicht wieder erkennt. Während die Männer mähen und das Heu bergen, Holz schlagen und allerlei häusliche Arbeiten verrichten, besorgen die Weiber ausschliesslich die eigentliche Alpwirtschaft. Daher das allgemein prächtig blühende und gesunde Aussehen der weiblichen Bevölkerung, die zu den schönsten der Schweiz gerechnet werden kann. Auch die Männer sind meist lange, hagere, knochige Gestalten, von denen viele durch ihre roten Haare und blauen Augen urächt germanische Abstammung verraten. Im ganzen Lötschthal gibt es noch keine existenzlosen Proletarier, und der Bettel ist unbekannt. Die Gemeindegüter sind so gross, dass Jeder etwas davon benutzen und wenigstens ein paar Ziegen oder Schafe sein Eigentum nennen kann.»
Der untere Abschnitt des Lötschenthales zwischen Ferden und Gampel bildet eine wilde und unbewohnbare Schlucht mit nackten Steilhängen, längs welchen der in das obere Becken hinaufführende Weg mit so vielen Hindernissen zu kämpfen hat, dass er stellenweise nicht fahrbar ist. Ueber den senkrechten Felswänden und den kümmerlichen Waldpartien liegen in kleinen Thälchen einige den Gemeinden Gampel, Steg und Ferden gehörende Alpweiden. Wo sich die Schlucht etwas erweitert, trifft man da und dort auf eine kleine Siedelung.
Eine solche ist Goppenstein mit einer Kapelle, einigen Hütten und den alten Anlagen der Bleibergwerke von Rotenberg, die jetzt am Fuss der Felswände links über Goppenstein in einer Höhe von 1672 m wieder ausgebeutet werden. Seit 3-4 Jahren sind hier wieder zahlreiche Arbeiter mit der Neueinrichtung der Hüttenwerke und mit dem Abbau des silberschüssigen Bleies beschäftigt. Diese im 16. Jahrhundert entdeckten und 1640 zum ersten Mal abgebauten Erzgänge werden jetzt, wenn wir uns nicht irren, zum fünften Mal in Angriff genommen. 1854 erbaute man in Goppenstein und Steg Schmelzwerke, die aber ihre Arbeit wegen der zu geringen Mächtigkeit der Gänge bald wieder einstellen mussten. Die heutigen Konzessionäre haben die Fortsetzung des Hauptganges in einem tiefern Niveau aufgesucht, womit sie bis heute einen vollen Erfolg erzielten (vergl. den Art. Goppenstein). Es werden hier auch Versuche gemacht, das Erz vermittels eines hochgespannten elektrischen Stromes zu schmelzen. Beschäftigt werden etwa 50 Arbeiter.
Nahe Goppenstein steht am schmalen Lonzaufer ein sonderbarer Felsobelisk, der sog. Längstein, der im Volksmund «Waldisch Ankenchübji» (Waldins Butterfass) heisst und zwar zur Erinnerung an den Meyer Waldin, der ein leidenschaftlicher Jäger war und dessen ganzes schönes Besitztum zusammen mit dem kirchturmgrossen Butterfass zur Strafe für einen Wortbruch zu Stein verwandelt wurde. (S. diese Sage beim Art. Goppenstein). Am Fuss dieses Obelisken stehen einige kleine Hütten. Das Lötschenthal wird bis Goppenstein von einer ¶