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bei doch grösserer Insolation. Castasegna hat bei fast doppelter Regenmenge einen ebenso hellen Himmel wie Chur. Denn da der Regen am S.-Abfall der Alpen meist in kurzen, heftigen Güssen fällt, so hellt sich der Himmel jeweilen schnell wieder auf. Langandauernde sog. Landregen mit tagelang bewölktem Himmel sind hier selten. Zur Aufhellung des Himmels und zugleich zur Verminderung der Luftfeuchtigkeit trägt wesentlich auch der den transalpinen Thälern eigentümliche Nordföhn bei, dessen häufiges Auftreten speziell im Bergell nachgewiesen ist. Die Regenfülle aber - im Misox steigt sie bis auf und über 200 cm - kommt durch die warmen S.-Winde, indes die N.-Winde durch den Alpenwall abgehalten werden. So vereinigen sich denn ein warmer Sommer und ein milder Winter, Regenfülle und Sonnenschein, um den Gewächsen Italiens das Gedeihen zu ermöglichen, und der Boden ist feucht und frisch genug, um den Alpenpflanzen die erforderliche quellige Stätte zu bereiten.
Die bisherige Betrachtung des bündnerischen Klimas und Pflanzenlebens nach den drei horizontalen Klimagebieten (unteres Rheingebiet, zentrales Hochland und transalpine Thäler) mag noch ergänzt werden durch einen Blick auf die vertikalen Klima- und Vegetationsregionen. Für die N.-Seite der Schweizeralpen werden in der Regel folgende fünf Regionen angenommen: 1. Die Region des Weinstocks bis 550 m, 2. die Region des Buchenwaldes bis 1300 m, 3. die Region des Tannenwaldes bis 1800 m, 4. die Region der Alpweiden bis 2600 m und 5. die Schneeregion.
Für den nordöstlichsten Teil Graubündens oder für dessen unteres Rheingebiet kann man bei dieser Gliederung bleiben, obwohl hier der Weinbau bis 600 m und der Tannenwald bis 1900 m gehen. Für das ganze übrige Bünden aber muss sie nicht unwesentlich modifiziert werden, denn einmal gibt es da keine Buchen, also auch keine Buchenregion, dann sind auch die Höhengrenzen anders anzunehmen. Bekanntlich ist durch die Gebrüder Schlagintweit und seither wiederholt, für die Schweiz besonders auch durch H. Christ, nachgewiesen worden, dass allgemein die Vegetationsgrenzen mit zunehmender Massenerhebung steigen.
Nun ist aber gerade Graubünden, wie früher gezeigt wurde, ein Gebiet sehr starker Massenerhebung, und es kommt dies auch in den Höhengrenzen deutlich zum Ausdruck. Für die Waldgrenze z. B. finden wir folgende Höhen: im Toggenburg 1600 m, im Churer Rheinthal 1800 m, im hintern Prätigau und Schanfigg 1900 m, in Davos 2000 m, im, obern Albulathal 2100 m und im Engadin 2100-2200 m. So liegt auch die Schneegrenze am Säntis bei 2450 m, am Glärnisch bei 2500 m, in der Tödi-Hausstock-Sardonagruppe bei 2700 m, in der Silvrettagruppe bei 2750 m, in der Kesch-Vadretgruppe bei 2820 m und endlich in der Err- und Berninagruppe, also zu beiden Seiten des Ober Engadin, bei etwa 2950 m. In ähnlicher Weise verschieben sich alle andern Höhengrenzen.
Auf der N.-Seite der Alpen geht der Getreidebau nur etwa bis 1200 m; im obern Vorderrheinthal (Tavetsch) aber gedeihen Roggen und Gerste, Hanf und Flachs, Kartoffeln und verschiedene Gemüse bis über 1600 m, im Engadin und Münsterthal an sonnigen Halden bis über 1700 m, an einzelnen Stellen sogar bis 1800 m. Im Unter Engadin sieht man an den terrassierten Halden der linken Seite von Guarda bis Schleins zahlreiche Ackerfelder, die ein Getreide liefern, das nach dem Zeugnis Sererhards der besten Etschländer Frucht in nichts nachsteht. In frühern Zeiten, als das Thal noch mehr auf sich selber angewiesen war, hatte der Getreidebau eine grössere Bedeutung als jetzt, und es soll das Unter Engadin damals Roggen ausgeführt haben.
Auch der Obstbau hat dort noch eine Stätte. Apfelbäume gehen bis Sent und Lavin, also bis über 1400 m, Kirschbäume, mit allerdings erst gegen Ende August reifenden Früchten, da und dort bis 1800 m. Im frühern Mittelalter gab es bei Remüs in 1200 m Höhe sogar Weingärten. Die Einschränkung des Landbaus auf das heutige Mass ist mehr wirtschaftlichen und kulturellen als klimatischen Gründen zuzuschreiben. Mit Berücksichtigung all' dieser Verhältnisse dürfte es sich empfehlen, für das rätische Hochland etwa folgende Regionen zu unterscheiden (wobei die Grenzen vom untern Rheingebiet bis zum Engadin je um einige hundert Meter schwanken): 1. Region des Landbaus, obere Grenze im Mittel 1200 m (unteres Rheingebiet) bis 1500 m (Engadin), stellenweise auch noch beträchtlich höher: 2. Region der Nadelwälder, obere Grenze 1900 m (Prätigau) bis 2200 m (Engadin), einzelne Bäume (Lärchen und Arven) noch 200-300 m höher. 3. Region der Alpweiden, obere Grenzen 2400 m bis 2700 m, im obersten Teil allerdings nur noch Schafweiden. 4. Schneeregion, untere Grenze 2750 m (Silvrettagruppe) bis 2950 m (Berninagruppe), der Uebergang von den obern Alpweiden bis zur Schneegrenze gebildet durch Schutthalden und Schneeflecken.
Die Tierwelt Graubündens, wenigstens die höhere, weicht von derjenigen der übrigen Schweizer Alpen weniger ab als die Pflanzenwelt. Die Wölfe, von deren ehemaligem Dasein die am Rathaus in Davos befestigten Köpfe zeugen, sind längst verschwunden. Der letzte Luchs Graubündens, zugleich der letzte der Schweiz, wurde ums Jahr 1875 im Unter Engadin erlegt. Auch die Bären sind selten geworden. Doch zeigen sich gelegentlich noch welche in einzelnen Seitenthälern des Unter Engadin und vielleicht auch des Misox.
Dachse steigen im Sommer zuweilen bis über die Waldgrenze hinauf. Füchse sind mancherorts nur zu zahlreich, so dass man ihnen auf allerlei Weise zusetzen muss. Beträchtlichen Schaden richten unter den Vögeln, auch unter Haus- u. Jagdhühnern, die Marderarten an, von welchen Edelmarder, Hausmarder, Iltis, Hermelin und Wiesel vorkommen. An manchen Gewässern machen sich Fischottern unangenehm bemerkbar. Hirsche und Rehe haben sich im Prätigau, Davos und Unter Engadin wieder vermehrt, werden aber leider nur zu sehr verfolgt, ebenso wie die Gemsen. Doch sind letztere überall in den Hochgebirgsregionen noch zahlreich vorhanden, und leicht kann der achtsame Wanderer Rudel von 10-20 und noch mehr Stück antreffen. Es gibt im Kanton für dieselben drei Jagdbannbezirke, nämlich Bernina, Spadlatscha (in den Bergünerstöcken) und Traversina (sö. von Roveredo im Misox). Auch Murmeltiere sind an geeigneten Stellen überall noch zahlreich, Feld- und Alphasen dagegen etwas ¶