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Chiavenna ist nicht die ausgedehnteste, wohl aber die höchste und schönste Gebirgsgruppe Graubündens. In Bezug auf Schönheit der Gipfelformen, wie auf Grösse und Glanz der Gletscher kann sie sich mit den grossartigsten Alpengruppen messen, obwohl sie an Höhe von den Berner und Walliser Alpen noch beträchtlich übertroffen wird. Ihre Gletscher nehmen eine Fläche von etwa 200 km2 ein, wovon auf den Abschnitt zwischen Bernina- und Murettopass rund 120 km2 kommen.
Die grössten dieser Gletscher sind der Morteratsch-, Roseg-, Fex- und Fedozgletscher auf der Engadinerseite (die zwei erstern mit je etwa 24 km2 Fläche), der Cambrena- und Palügletscher gegen den Berninapass und das oberste Puschlav, der Scerscen-, Fellaria- und Veronagletscher auf der italienischen Seite, dann w. vom Murettopass in der Albigna-Disgraziagruppe der Forno-, Albigna- und Bondascagletscher. Die längsten sind der Morteratschgletscher mit 9½ km, der Fornogletscher mit 8 km und der Roseggletscher mit 7 km. Von blendender Pracht ist besonders die stolze Gipfelreihe im Hintergrund des Morteratschgletschers: der königliche Piz Bernina (4052 m), der bescheiden zurücktretende Piz Zupô (3999 m), die im Eispanzer erstrahlenden Gipfelkämme der Bellavista (3921 m) und des Piz Palü (3912 m), der stockförmige Piz Cambrena (3607 m) und der vom Piz Bernina n. vorspringende Piz Morteratsch (3754 m). Der letztere bildet mit dem Piz Bernina, Monte di Scerscen (3967 m) und Piz Roseg (3943 m) auch den herrlichen zirkusförmigen Abschluss des Vadret da Tschierva, eines Seitenarmes des Roseggletschers.
Weiter nach W. reihen sich an die Gümels (3523 m), La Sella (3566 m), der Piz Glüschaint (3598 m), La Mongia (3419 m) und Il Chapütschin (3393 m) um den Roseggletscher, dann der Piz Tremorgia (3452 m) und der Piz Fora (3370 m) über dem Fexgletscher. In den fiederförmigen Auszweigungen ragen am meisten hervor der Piz della Margna (3163 m) am Silsersee, der Piz Corvatsch (3458 m) über dem Silvaplanersee, beides Aussichtspunkte ersten Ranges, dann der Piz Surlej (3187 m) und Piz Rosatsch (2995 m) über dem St. Moritzersee, endlich der breite Piz Tschierva (3570 m) neben dem Piz Morteratsch.
Gegen das Puschlav springen vor der Pizzo di Verona (3162 m) und weiter s. der im Veltlin als Aussichtspunkt berühmte Pizzo Scalino (3323 m) als Haupt einer besondern kleinen Gruppe jenseits des Passo Confinale (2620 m), der das Puschlav mit dem Malencothal verbindet. Unter den touristisch wichtigen Pässen sind noch zu nennen die Fuorcla Surlej (2760 m) zwischen Piz Corvatsch und Piz Surlej, die von Silvaplana nach dem Val Roseg führt, dann der Diavolezza Pass (2977 m) im Kamm des Munt Pers, der oft zu einer Rundtour von den Berninahäusern (8 km hinter Pontresina), resp. vom Berninapass zum Morteratschgletscher (Bovalhütte) und hinaus ins Pontresinerthal benutzt wird.
Bilden die Gipfel im Zentralstock der Bernina mehr breite, stockförmige, fast ganz in Eis gehüllte Massen, so gefallen sie sich in der Albigna-Disgraziagruppe w. vom Murettopass (2557 m) mehr in den Formen ausserordentlich kühn und schlank emporschiessender Türme und Nadeln, an deren Fuss die Gletscher meist, wenn auch nicht überall, scheu zurückbleiben oder nur mit schmalen Eiszungen in die zerrissenen Flanken hinauf reichen. Die Cima da Rossa (3371 m), der Monte Sissone (3334 m), die Pizzi Torrone (3333, 3270 und 3300 m), die Cima di Castello (3400 m) und die Cima di Cantone (3360 m) umstehen in grandiosem Zirkus den Hintergrund des Fornogletschers, die Pizzi di Sciora (3235 m), die Cima della Bondasca (3293 m), die Pizzi Gemelli, Cengalo und Badile (3259, 3374 und 3311 m) ebenso denjenigen des prächtigen Val della Bondasca, während der Pizzo Bacone (3249 m) und der Pizzo Cacciabella (2973 m) weiter gegen das Bergell vorgeschoben sind und der Monte della Disgrazia (3678 m) als ein gewaltiger Riese weit aus dem S. über alle seine Vordermänner herüber schaut.
Begreiflicherweise übt die Berninagruppe einen starken Reiz auf die Touristen aus, umso mehr als infolge der Höhenlage des Ober Engadin (1800 m) und der mässigen relativen Gipfelhöhen (im Maximum 2000-2200 m) hier Hochtouren ersten Ranges mit geringerer Mühe ausgeführt werden können als z. B. im Berner Oberland und Wallis. Eine Reihe hochgelegener Klubhütten tief im ¶