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indessen Bürger anderer Gemeinden des Kantons. Für die Gründung eines Pfrundhauses zur Aufnahme von alten alleinstehenden Bürgern aus dem Mittelstande besteht ein Fond, der gegenwärtig auf 247000 Fr. angewachsen ist. In dem seit 1885 bestehenden Waisenhause erhalten arme verwaiste Bürgerkinder eine gute Erziehung; sein Vermögen ist grösstenteils das Ergebnis von privaten Vermächtnissen und betrug Ende 1901 366000 Fr. Die Ferienversorgung armer Schüler der Primarschule wird ermöglicht durch einen ganz aus freiwilligen Gaben geäufneten Fond, der 1901 den Betrag von 25000 Fr. erreicht hat. Unter den übrigen Wohlfahrtseinrichtungen ist neben einer Reihe von Kranken- und Alterskassen noch die Jugendersparniskasse zu erwähnen, bei der Ende 1901 773 Kinder ein Gesamtguthaben von 183000 Fr. besassen.
Das gesellschaftliche Leben ist ziemlich reich entwickelt, wird aber zur Zeit durch die wirtschaftliche Krisis merklich beeinträchtigt. Unter den zahlreichen Vereinen treten besonders die Gesang- und Musikvereine hervor, welche durch Veranstaltung von Konzerten und Unterhaltungsabenden der Einwohnerschaft ideale Genüsse verschaffen. Wissenschaft und Kunst werden naturgemäss weniger intensiv gepflegt als in grössern Städten; doch fehlt es nicht an Vereinen, die sich neben der Besprechung der öffentlichen Angelegenheiten die Belehrung des Publikums durch öffentliche Vorträge zur Aufgabe machen. Das Schiesswesen wird in mehreren Gesellschaften eifrig betrieben. Es gibt ferner drei Turnvereine, darunter einen Damenturnklub, mehrere Sportklubs und eine Reihe von Berufsvereinigungen.
Unter den vielen namhaften Männern, deren Heimat oder Wirkungsfeld Glarus war, sind zu nennen: der Reformator Ulrich Zwingli, der von 1506-1516 als Pfarrer in Glarus wirkte;
der Pfarrer Valentin Tschudi (1499 bis 1555), der in Glarus den Reformierten den neuen Glauben predigte, aber auch bei der Messe der Katholiken als Sänger mitwirkte;
der Geschichtschreiber und Staatsmann Ægidius Tschudi (1505-1572);
der Geschichtschreiber J. J. Tschudi (1722-1784);
Niklaus Heer (1775-1822), von 1799-1802 Regierungsstatthalter des Kantons Linth und von 1803-1821 Landammann oder Landesstatthalter des Kantons Glarus; Landammann Kosmus Heer (1790 bis 1830), Bundespräsident Dr. Joachim Heer († 1879), Bundesgerichtspräsident Dr. J. J. Blumer († 1875), der Dichter Jakob Vogel von Glarus (1816-1899).
Geschichtliches.
Da die Geschichte des Hauptortes der Hauptsache nach mit derjenigen des Kantons zusammenfällt, sind aus derselben nur wenige Momente hervorzuheben. Zur Zeit der Säckinger Herrschaft wurde in Glarus die erste Kirche des Landes, zuerst eine Michaelskapelle auf dem Burghügel und dann die Hilariuskirche unten in der Ebene erbaut. Diese Kirche machte die Ortschaft Glarus zum Mittelpunkt des ganzen Landes Glarus. Erst im Laufe der Jahrhunderte lösten sich die übrigen Gemeinden durch Gründung eigener Kirchen von ihr los, so 1273 das Sernfthal, 1283 Linthal und Mollis-Näfels, 1350 Schwanden.
Trotzdem diese Mutterkirche und das säckingische Meieramt, das hier seinen Sitz hatte, Glarus zum Hauptort des Landes machten, fanden doch in frühern Jahrhunderten nicht alle wichtigern Amtshandlungen hier statt. So wurde die Landsgemeinde bis in die Reformationszeit hinein nicht in Glarus, sondern entweder in Schwanden oder im Däniberg bei Schwanden abgehalten, und als durch den Landesvertrag von 1623 die konfessionellen Landsgemeinden entstanden, kam blos die «gemeine» Landsgemeinde nach Glarus, die reformierte dagegen nach Schwanden und die katholische nach Näfels. Auch die Ratssitzungen fanden in früherer Zeit nicht ausschliesslich in Glarus statt. Sie blieben erst definitiv dort, als gegen Ende des 15. Jahrhunderts das Rathaus entstand, in dem auch die Gerichtsverhandlungen abgehalten wurden, die sich in der ältesten Zeit an offener Stätte, «unter der Eiche» in Glarus (in der Gegend des heutigen Quartiers «Eichen») abgespielt hatten.
Eine Anerkennung von Glarus als Hauptort lag auch in der hier 1419 erfolgten Einrichtung eines Wochenmarktes und in dem 1724 gefassten, später jedoch wieder aufgehobenen Beschlusse, dass der Landammann in Glarus wohnen müsse. Schwere Zeiten erlebte Glarus im Jahre 1799, als seine Umgebung während längerer Zeit der Schauplatz der Kämpfe zwischen den Franzosen, Oesterreichern und Bussen war.
Die «gemeine Kirche Glarus", , zu der einst das ganze Land gehört hatte, umfasste auch nach der Reformation noch die reformierten und katholischen Bürger der Gemeinden Glarus, Riedern, Netstal, Ennenda und Mitlödi und besass grosse Alpen und Wälder, namentlich im Gebiete des Klönthals. Merkwürdigerweise blieb diese Korporation in vollem Umfange bis ins 19. Jahrhundert hinein bestehen, obschon im 17. und 18. Jahrhundert in Netstal, Ennenda und Mitlödi besondere reformierte Kirchgemeinden entstanden waren. 1830 wurden die Wälder gegen Geldentschädigung an die genannten fünf Bürgergemeinden abgetreten und 1856 auch die Alpen verkauft, wodurch die «gemeine Kirche» zu grossem Vermögen gelangte. Als man nach dem Brande von 1861 zum Bau einer neuen Kirche genötigt war, wurde auf das Drängen von Glarus nach mühsamen Verhandlungen der unnatürliche Korporationsverband endlich aufgelöst, so dass seither die «gemeine Kirche Glarus" nur noch die Kirchgenossen beider Konfessionen von Glarus und Riedern umfasst.
Bibliographie:
Tschudi, Niklaus. Glarus vor, während und nach dem Brande. 1864. - Das alte Glarus; Album mit erläuterndem Text, hrsg. von der Casinogesellschaft. 1901. - Führer für Glarus und Umgebung; hrsg. vom Verkehrsverein Glarus. - Sammlung der Gesetze und Verordnungen der Gemeinde Glarus.
[J. Oberholzer.]