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vornehmlich auf die von den Fremden am stärksten begangenen Strassen, so die Rues Basses, Rue du Rhône und die Quais, wo zugleich auch die Geschäfte der Tuch- u. Kleiderhändler am häufigsten anzutreffen sind. Viele der alten hohen Häuser des Quartiers Saint Gervais tragen unter dem Giebel Reihen von kleinen Glasgemächern, in denen die Uhrenmacher, Juweliere, Graveure etc. arbeiten, wie sich denn überhaupt in den alten Quartieren des rechten Ufers eine ganze Masse von sog. «cabinotiers», d. h. Arbeitern der beiden nationalen Industriezweige der Uhrenmacherei und Bijouterie, zusammen schaaren.
Schon in den frühesten Zeiten war Genf bekannt durch seine Messen, die im Jahr bis auf siebenmal gehalten wurden und zahlreiche fremde Händler anzogen. Ihr Platz war besonders in den Rues Basses und der Rue de Coutance, der wichtigsten Gasse des Quartiers Saint Gervais. Hier findet heute zweimal in der Woche, je Mittwochs und Samstags, der von den Bauern des Kantons und der zollfreien Zone beschickte Gemüsemarkt statt; in der nahe den Rues Basses befindlichen Rue du Commerce treffen wir die Händler mit essbaren Pilzen, auf dem Grand Quai den Grosshandel mit Obst und Gemüsen und auf der Place du Molard den stark besuchten Blumenmarkt.
Die Stadt Genf hat ferner drei gedeckte Markthallen, die an der Grenze gegen das Quartier Les Eaux Vives stehende Halle de Rive, die Halle de l'Ile am untern Ende der Insel und die Halle der Rue Pécolat am rechten Ufer nahe dem Postgebäude. Aber auch in den diesen Hallen angrenzenden Gassen wird am Mittwoch und Samstag jeweilen noch offener Wochenmarkt gehalten. Endlich hat sich je Dienstags und Freitags noch unter den Bäumen am O.-Rand der Plaine de Plainpalais ein Lebensmittelmarkt installiert.
In Bezug auf die Verkehrsverhältnisse erinnern wir daran, dass der Hauptbahnhof, die sog. Gare de Cornavin, am rechten Ufer und der Bahnhof der kurzen Linie Genf-Annemasse, die die Stadt mit dem Bahnnetz Savoyens verbindet, am linken Ufer im Quartier Les Eaux Vives liegen. Beide Bahnhöfe werden von der französischen Bahngesellschaft Paris-Lyon-Méditerranée betrieben. Für das die Stadt bedienende ausgedehnte Netz der elektrischen Strassenbahn bestehen eine Reihe von Wartehallen, so auf dem linken Ufer am Quai de la Poste, am Molard und am Cours de Rive, auf dem rechten Ufer an der Rue du Mont Blanc.
Das Hauptpostamt befindet sich in seinem eigenen neuen Gebäude an der Rue du Mont Blanc; von den sieben Filialpostbureaus der Stadt sind fünf auf die linksufrigen Quartiere verteilt. Das Haupttelegraphenbureau ist im ersten Stock des Filialpostbureaus in der Rue du Stand untergebracht, wo auch die Telephonzentrale ihren Sitz hat. Die Quartiere Les Pâquis und Plainpalais haben je ein eigenes Telegraphenbureau, während im übrigen alle Filialpostbureaus Depeschen annehmen. Oeffentliche Telephonsprechstationen hat die Stadt deren 6, und die Zahl der Telephonabonnenten betrug 1902 mehr als 4500. Die eidgenössische Zollverwaltung unterhält im Bahnhof Cornavin drei und im Bahnhof Les Eaux Vives, im Lagerhaus von Rive und am Hafen je ein Bureau. Endlich verfügt Genf auch noch über einen Freihafen.
Wissenschaft, Kunst, Unterricht.
Der wissenschaftliche Brennpunkt von Genf
ist seine Universität, die aus der 1559 gegründeten ehemaligen
Calvinischen Akademie hervorgegangen ist. Durch Angliederung einer medizinischen Fakultät hat man diese 1873 zur wirklichen
Universität erhoben. Die Anfänge der Akademie waren recht bescheidene, indem sie zuerst nur über 5 Professoren (3 für
Theologie und je einen für Philosophie und Litteratur) verfügte. 1560 kam dazu eine Professur für
Medizin und 1565 eine Rechtsschule, die aber Mangels an Schülern schon nach 5 Jahren wieder einging, um 1573 von den beiden
hervorragenden Professoren Bonnefoy Godefroy und Hottomann mit Erfolg neu aufzublühen.
Der Absicht ihres Gründers entsprechend lag der Schwerpunkt der Akademie in der Ausbildung von Theologen und Pfarrern, und erst im 18. Jahrhundert kamen auch die Naturwissenschaften durch Errichtung von eigenen, bis heute stets von vorzüglichen Gelehrten besetzten Lehrstühlen zu ihrem Recht. (Vergl. Borgeaud. L'Académie de Calvin. Genève 1901). Heute ist die Genfer Universität eine der blühendsten und zieht namentlich fremde Studierende in von Jahr zu Jahr wachsender Zahl an. 1902 zählte man deren im Ganzen 768, wovon 342 Russen, 183 Deutsche, 63 Bulgaren, 47 Franzosen etc. Im Sommersemester 1902 betrug die Gesamtfrequenz 1075 Studierende, nämlich
Davon sind 372 weibliche Studierende (293 immatrikulierte und 79 Hörerinnen). Am stärksten vertreten ist das weibliche Geschlecht an der medizinischen (198), philosophisch-philologischen (111) und naturwissenschaftlichen Fakultät (60), während an der rechtswissenschaftlichen Fakultät nur 3 Damen eingeschrieben waren. Der Lehrkörper besteht aus 66 ordentlichen und ausserordentlichen Professoren u. 89 Privatdozenten und Assistenten. Ihre eigenen Bauten haben die Chemie, Anatomie mit Physiologie u. Histologie und die Pathologie, u. die klinischen Vorlesungen u. Uebungen finden in den verschiedenen Krankenhäusern statt. Die Universität verfügt über etwa 10 Spezialfonds. Deren bedeutendster, das Legat von Professor Tingry im Betrag von 150000 Fr., ist ausschliesslich für den Chemieunterricht ¶