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die Formationsgrenze zwischen der Kalk- und Granitzone. Die nördl., rechte, Thalwand wird gebildet durch die mächtige Alpenkalkmauer der Gadmerflühe, die vom Tellistock (2581 m) über die Wendenstöcke (3044 m) ansteigt und mit dem Titlis endigt. Vom Titlis springen die kaum über 3000 m sich erhebenden aber ziemlich vergletscherten Uratstöcke südwärts vor und scheinen das Thal abzuschliessen, das sich in schmalem Engpass um ihren S.-Fuss windet u. noch bis zum Sustenpass (2262 m) aufsteigt. Im Süden, d. h. auf der linken Seite, begleitet das Thal die aus Granit aufgebaute Kette, die mit dem Benzlauistock (2574 m) oberhalb Innertkirchen beginnt, im Mährenhorn 2924 m erreicht, das Thal der Aare vom Becken des Triftgletschers scheidet, sich über Radlefshorn (2604 m) und Giglistock zu der breiten Gruppe der Thierberge (3334 m) hebt und mit den durch den Sustenpass von den Uratstöcken geschiedenen Sustenhörnern (3112 m) nach N. umbiegt.
Das 23 km lange Gadmenthal ist von seiner Mündung bei Innertkirchen (616 m) bis zu seinem obersten Abschnitt am Steingletscher (2000 m) in drei Stufen gegliedert. Die unterste Thalstufe erreicht hinter dem Dörfchen Wiler im Mühlethal 850 m, steigt von der vom Achtelsassgrat überragten Mündung des Genthales an als Nessenthal sanft bis etwa 1000 m und weist wildromantische Partien und eine reiche Vegetation auf; bis zu dem diese Stufe nach oben abschliessenden Querriegel hinauf gedeihen noch Linden, Eichen, Birn- und Kirschbäume.
Die zweite Thalstufe, das Gadmenthal im engeren Sinne, reicht vom Schaftelenstutz bis zum Feldmoosstutz und liegt durchschnittlich 1200 m hoch. Die schönen Weidetriften der Thalsohle werden durch Ahorngruppen und Arvenwäldchen, sowie durch das dem Thalwasser entlang reichlich entwickelte Erlengebüsch angenehm umrahmt, während die meist mit Buchen- und Tannenwaldungen bekleideten Gehänge erst sanft dann steiler zu den Tannenwaldungen der höheren Alpweiden ansteigen, über denen endlich die Felsmauern der Gebirgskämme sich emporheben. In der Mitte der von zahlreichen Häusergruppen belebten Thalsohle steht das kleine Pfarrdorf Gadmen.
Als dritte Thalstufe kann das die geradlinige Fortsetzung des Gadmenthals bildende Wendenthal gelten, das sich zwischen den Wendenstöcken und Uratstöcken zum Wendengletscher hinanzieht. Das Hauptthal biegt dagegen vom hohen Querriegel des Feldmoosstutz an nach O. um, setzt sich in dem Felsenthal der Hölle fort und erweitert sich endlich am Fuss des Steingletschers zum Kessel der Steinalp. Als Seitentäler sind zu nennen: das 3 km hinter Innertkirchen von N. her einmündende wasser- und erzreiche Genthal, das nach weiteren 5 km von S. her in enger Schlucht mündende Thal des Triftgletschers und endlich das 3 km über Gadmen sich öffnende Thal des Wendenwassers.
![vergrössern: Gadmenthal. ^[Karte: 6° 0’ O; 46° 45’ N; 1:120000]. vergrössern: Gadmenthal. ^[Karte: 6° 0’ O; 46° 45’ N; 1:120000].](/meyers/teile/42/42_0226-1.jpg)
Das Gadmenthal ist durchzogen von der Sustenstrasse, die von Innertkirchen aus in 10 Stunden nach Wassen im Reussthal führt. Ein guter Saumweg geht vom Mühlethal aus durch das Genthal über die Engstlenalp, den Jochpass und Trübsee in 8 Stunden nach Engelberg. Als Gletscherpässe sind zu nennen das Wendenjoch (2604 m, Steinalp-Engelberg in 10 Stunden), die Sustenlimmi (3103 m, Steinalp-Göschenen in 10 Stunden) und die Stein- und Triftlimmi (3135 m; Steinalp-Gletsch in 12 Stunden). Als Standquartiere für Hochgebirgstouren dienen das Bergwirtshaus auf der Steinalp (1860 m) und die zwei Schutzhütten des S. A. C. am Triftgletscher (Trifthütte in 2515 m und Windegghütte in 1900 m). Unter den Thalbewohnern sind noch heute alte Sagen lebendig. Ueber das Eisenwerk im Mühlethal und das Marmorlager am Schaftelenstutz vergl. die betr. Artikel. S. auch Bühler, A. Der Sustenpass und seine Thäler. Bern 1899.
In botanischer Hinsicht besitzt das Gadmenthal wie auch das Ober Hasle einige interessante Arten, die dem übrigen Abschnitte des Berner Oberlandes fehlen und deren Anwesenheit durch das Auftreten des hier besonders stark wehenden Föhns und durch die grosse Feuchtigkeit dieses Gebietes sich erklärt. Es sind Sesleria disticha, Eritrichium nanum, Saxifraga Seguieri, Tofieldia palustris, Saxifraga cotyledon u. A., Arten, die sonst besonders im obern Reussgebiet, im Kanton Tessin und in den Walliser Alpen angetroffen werden. Das Gadmenthal ist nahe dem S.-Rand der Unterwaldner Kalkalpen in den Gneis der N.-Flanke des Aarmassives eingeschnitten. Im Wendenthal sind von der einstigen Sedimentdecke auch am s. Thalgehänge noch einige Reste von Kalkfels und Kalkglimmerschiefer, wie auch ein Fetzen von Karbonschiefer (auf Urath) erhalten geblieben.