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ganz an das rechte Ufer desselben hinübergedrückt hat, dort wegen der Auffüllung durch die Aare selbst, die namentlich seit der Korrektion eine Masse von Kies, Sand und suspendiertem Material in den See hinausschafft. Die Wirkungen dieser Sedimentation lassen sich auf dem Seeboden in Gefälle und Relief über 3 km weit verfolgen, und die Zuschüttung des Sees von oben schreitet naturgemäss stetig, wenn auch langsam, fort, wobei die Aare durch mehrere Wildbäche unterstützt wird (Trachtbach, Schwandenbach, Lammbach), von deren Thätigkeit die Katastrophen der letzten Jahre zu erzählen wissen und von deren frühern Gewalt der prachtvolle Schuttkegel Zeugnis gibt, der, ein Muster seiner Art, von Schwanden gegen den See und den Ballenberg abfällt.
Das durchschnittlich 2 km breite Aarethal von Brienz bis Meiringen stellt nur ein in prähistorischer Zeit zugeschüttetes Stück Brienzersee dar. Die Auffüllung durch die Aare haben wir zeitlich mit der Entstehung des Bödeli am untern Seeende zusammenfallend zu denken, und die geleistete grössere Arbeit der Aare versteht sich nicht nur im Hinblick auf ihre Wassermenge, sondern auch beim Vergleich der Einzugsgebiete, die sich ungefähr zu einander verhalten wie 1 (Lütschine) : 1,5 (Aare). Die beim Brienzersee in Betracht kommenden Einzugsgebiete sind nach den Berechnungen des eidgenössischen hydrometrischen Bureaus folgende:
Einzugsgebiet der Aare: | km2 |
---|---|
1. Bis zum Brienzersee | 553.803 |
2. Rechtsseitige Zuflüsse des Brienzersees | 37.032 |
3. Linksseitige Zuflüsse (ohne Lütschine) | 106.801 |
4. Lütschine | 379.667 |
5. Brienzersee selbst | 29.183 |
Einzugsgebiet der Aare mit dem Brienzersee: | 1106.486 |
Wie aus diesen Zahlen hervorgeht, spielen die rechts- und linksseitigen Zuflüsse des Brienzersees im Vergleich zu den grossen Tributären Aare und Lütschine nur eine geringe Rolle. Interessant ist immerhin der Unterschied zwischen der rechten und der linken Seeseite, der sich bei einem Blick auf die orographische Gestaltung des Geländes von selbst erklärt. Auf der rechten Seite vermag die äusserst steile, mauergleiche Kette des Brienzer Grates an und für sich kein grosses Wasserquantum aufzunehmen, und der Mangel an grössern Nischen verhindert meist eine verhängnisvolle Ansammlung der rasch abfliessenden Gewässer, sondern es strömen diese in zahlreichen schwächern Adern, direkt dem Gehänge folgend, in den See.
Dazu sind die untern Partien meist gut bewaldet, wodurch ebenfalls grössere Abschwemmung verhindert wird. Es zeigt sich das auf der Karte auch darin, dass die Tiefenkurven des Sees der Uferlinie folgend fast parallel verlaufen, ohne irgendwo grosse Schuttkegelbildung verratende Ausbauchungen zu bilden. Nicht etwa als ob keine vorhanden wären, im Gegenteil; das Dorf Oberried z. B. steht auf einem typischen Kegel, aber sie sind nicht gross genug, um auf die Gestaltung des Seebeckens bestimmend einzuwirken.
Die rechtsseitigen ^[richtig: linksseitigen] Zuflüsse (es sind hauptsächlich drei: der Giessbach, der Mühlebach bei Iseltwald und der Hauetenbach bei Bönigen) entwässern den gesamten Nordabhang der Faulhorngruppe, die in ihrer Folge von Ketten und Thälern eine viel stärkere Gliederung, daher auch ein grösseres Einzugsgebiet darstellt. Die drei erwähnten Zuflüsse zeigen nun unter sich bemerkenswerte Unterschiede, die gerade in der Gestaltung des Seebeckens sich wiederspiegeln und deshalb hier zu erörtern sind. Der Giessbach übertrifft an Wassermenge wie an Einzugsgebiet seine beiden Rivalen bedeutend. Trotzdem gibt der Verlauf der Tiefenkurven im See kaum eine Andeutung für die Ablagerung seiner Geschiebe und Sinkstoffe, während auf der andern Seeseite viel unbedeutendere Bäche das Böschungsprofil zu modifizieren vermochten.
Der dritte Zufluss endlich, der Hauetenbach bei Bönigen, hat oberhalb dieses Dorfes einen schönen Schuttkegel gebildet, der sich bis in den See erstreckt; immerhin ist sein Anteil an der Zuschüttung des Sees von demjenigen der benachbarten Lütschine nicht zu trennen.
Die oben skizzierte Gestalt des Seebeckens lässt einen Schluss zu auf die Entstehung des Sees. Es ist bemerkt worden, dass der flache Seeboden als altes Thalstück des Aarelaufes aufzufassen sei und einstmals in etwas höherem Niveau von Meiringen bis unterhalb des heutigen Thun sich erstreckte. Schon gleich einer der ersten diluvialen Vorstösse des Aaregletschers (I. und II. Eiszeit) muss Anlass dazu gegeben haben, die eben erwähnte Thalstrecke unter Wasser zu setzen.
Denn wir sehen in der letzten Interglacialzeit die Kander ein Delta in diesen See hinausbauen, dessen weiteres Wachstum später dadurch sistiert wird, dass der zum letzten Male herabsteigende Aaregletscher bezw. die Moränen, welche er zurücklässt, den Fluss ablenken. Gleichzeitig mit der Bildung jenes alten Kanderdeltas werden auch Lombach, Lütschine und Aare ihre Zuschüttungsthätigkeit aufgenommen haben. Dieselbe erlitt dann ebenfalls durch die letzte Eiszeit eine Unterbrechung, ohne aber derartige Flussverschiebungen zur Folge zu haben wie bei der Kander - es fehlte hier oben auch der Raum dazu - und ohne das vorhandene Thal in Form und Ausmass wesentlich zu modifizieren. So wurde denn nach dem definitiven Rückzug der Gletscher das vorher begonnene Werk einfach fortgesetzt. Dass es schon in der Interglacialzeit zur Trennung des Wasserbeckens in zwei Seen kam, ist unwahrscheinlich, da der See damals, wie das alte Kanderdelta beweist, einen höhern Stand hatte.
Ob auch die Gebirgsbildung, speziell die Faltung der Alpen, die Gestalt und Richtung des Seebeckens beeinflusst habe, ist heute schwer zu entscheiden. Eher noch als die orographische Form, die wir als altes Stück eines Erosionsthales genügend erklären können, scheint die Richtung des Sees mit dem Gebirgsbau in Zusammenhang zu stehen, insofern als der Brienzersee ziemlich genau im Streichen der Ketten liegt. Mehr zufällig erscheint der Umstand, dass er die Kreideablagerungen des Brienzer Grates von den Juragesteinen der Faulhorngruppe scheidet.
Doch betrifft das alles nicht den See als solchen, sondern nur als Teilstrecke des Aarethales, wie denn auch thalaufwärts, wo das Aarethal zum Querthal wird, die Ketten und Falten zunächst schief, dann ziemlich senkrecht zur Thalrichtung verlaufen. Dagegen bestimmt die Lage des Sees in einem Längsthal in hohem Masse seinen landschaftlichen Charakter; der Gegensatz des ernsten einförmigen Brienzersees und des offenen abwechslungsreichen Thunersees drängt sich dem Beobachter mit grosser Kraft auf.
Während Messungen der absoluten Wassermenge am Ein- und Ausfluss der Aare bis jetzt fehlen, geben dafür ¶