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Truppen. Ja, es ließ zu, batz die Kammer im Oktober ein Gesetz annahm, welches die Deputierten, welche erklärten, daß der Eid der Treue gegen den Kaiser ihrem Glauben oder ihren politischen Ansichten zuwiderlaufe, von demselben entbinde. So untergrub das Ministerium selbst die Monarchie.
Der Kaiser Dom Pedro II. besaß nicht die Thatkraft und Entschlossenheit mehr, um der Umsturzbewegung erfolgreich entgegenzutreten. Vielmehr hatten er selbst und der Graf d'Eu wiederholt offen erklärt, daß sie bereit seien, das Land zu verlassen, wenn dies der Wille des Volkes sei und in legitimer und freier Form ausgesprochen werden sollte. Obwohl in Brasilien [* 1] dem Kaiser nie die gebührenden äußern Ehren vom Volk erwiesen wurden, so waren seine edle Gesinnung und Uneigennützigkeit so bekannt und gewürdigt, daß man glaubte, eine Staatsumwälzung werde erst nach seinem Tod eintreten.
Indes der ungeduldige Ehrgeiz Fonsecas ließ sich nicht mehr zügeln, zumal das Ministerium doch noch einen Garnisonswechsel beschlossen hatte. Nachdem er sich durch das ihm ergebene Militär aller wichtigen Punkte der Hauptstadt versichert hatte, verkündete er den Sturz des Kaiserreichs und die Errichtung der Republik. Die Minister versuchten Widerstand, wurden aber verhaftet, der Marineminister Ladario hierbei verwundet. Der Kaiser, der im Glauben, es handle sich nur um einen Ministerwechsel, von Petropolis herbeigeeilt war, wurde in seinem Palast eingeschlossen und gezwungen, sich 17. Nov. mit seiner Familie nach Lissabon [* 2] einzuschiffen; es wurde ihm eine Dotation gewährt, aber, da er nicht abdanken wollte, 21. Dez. wieder zurückgezogen, ja er und seine Familie sogar aus Brasilien verbannt Fonseca stellte sich an die Spitze einer provisorischen Regierung, welche 16. Nov. ein Manifest erließ, in welchem sie das Geschehene verkündete, Senat und Staatsrat abschaffte, die gerade beurlaubte Kammer auflöste und erklärte, daß sie die Staatsschuld sowie alle Verträge und Verbindlichkeiten gegen auswärtige Mächte anerkennen und achten werde.
Das daraus aus Republikanern unter Fonsecas Vorsitz gebildete Ministerium erklärte die Konstitution der Vereinigten Staaten [* 3] von und verkündete für alle, die lesen und schreiben könnten, das allgemeine Wahlrecht. Von den Provinzen erfolgte gegen die Staatsumwälzung zunächst kein Widerspruch. Um genügende Zeit zur Befestigung ihrer Gewalt zu gewinnen, verschob die provisorische Regierung durch einen Erlaß vom die allgemeinen Wahlen auf den und den Zusammentritt der Konstituierenden Versammlung auf den 15. Nov. Bis dahin erhielten die Gouverneure der Provinzen, die, soweit sie nicht der republikanischen Regierung unbedingt sich anschlössen, neu ernannt wurden, diktatorische Gewalt. Jeder Versuch einer Auflehnung gegen die neue Ordnung der Dinge wurde mit Waffengewalt unterdrückt. Da man von der neuen Herrschaft liberale Reformen erwartete, wurden die Trennung der Kirche vom Staat und die religiöse Gleichstellung verkündet.
Neuere Litteratur: v. Koseritz, Bilder aus Brasilien (Leipz. 1885); Hehl, Von den vegetabilischen Schätzen Brasiliens und seiner Bodenkultur (das. 1886); von den Steinen, Durch Zentralbraslien. Expedition zur Erforschung des Schingu im J. 1884 (das. 1886); Andrews, Brazil, its condition and prospects (Lond. 1887); Roméro, Matreriaes para a historia de literatura brazileira (1883 - 85, Bd. 1 - 3).