neugebildeten nationalen Regierungskommission, um Polen durch Reform der Schule und Befreiung des Bauernstandes zu heben und
seine Wiedergeburt vorzubereiten, stieß aber bei seinen Landsleuten auf so allgemeines Mißtrauen, ja Haß und Feindseligkeit,
daß er im Dezember wieder seine Entlassung nahm. Dennoch folgte er im Juni 1862 dem Statthalter Großfürsten Konstantin
als Chef der Zivilverwaltung nach Warschau, um die Unzufriedenheit in Polen durch eine nationale Regierung und gemäßigte Reformen
zu beschwichtigen.
Als seine Thätigkeit wiederum erfolglos blieb und die rote Partei die Polen durch Gewaltakte, unter anderm zwei Attentate auf
Wielopolski, zur Revolution drängte, die auch Anfang 1863 ausbrach, zog er sich in demselben Jahr nach Dresden
zurück, wo er starb.
Vgl. Lisicki, Le marquis Wielopolski, sa vie et son temps (Krak. 1878-80, 2 Bde.), eine von etwas
einseitiger Vorliebe für den Helden beherrschte Biographie, die von mehreren Seiten, besonders vom Grafen H. Tarnowski (das.
1878), angefochten wurde; Spasowicz, Leben und Politik des Marquis von Wielopolski (russ., Petersb. 1882).
Stadt im russisch-poln. Gouvernement Kalisch, an der Liswarta, unweit der preußischen Grenze, hat 5 Kirchen,
ein Gymnasium, ehemaliges Piaristenkollegium und (1885) 5268 Einw.
11 km lange Halbinsel an der Küste von Esthland, umschließt im O. die Revalsche Reede und
enthält die großartigen Ruinen des von den Russen 1577 zerstörten Brigittenklosters.
An der Spitze von Wiems liegt die bewaldete
Insel Wulff.
(lat. Vindobona, Vienna, hierzu der Stadtplan), die Reichshaupt- und Residenzstadt des österreichischen Kaiserstaats
und dem Rang nach die vierte Großstadt Europas (nach London, Paris und Berlin), liegt unter 48° 13' nördl.
Br. und 16° 23' östl. L. v. Gr., am rechten Ufer der regulierten Donau, von einem Arm derselben (dem sogen. Donaukanal) durchschnitten,
welcher hier das Flüßchen Wien aufnimmt, 170-205 m ü. M. (der Nullpunkt des Donaupegels 152 m). Die Stadt ist durch ihre
Lage am Übergang des Alpenlandes zur Donauebene, an der Grenzscheide des deutschen, slawischen und ungarischen
Sprachgebiets, an den Marken der alten Kulturländer von Zentraleuropa und der erst in den letzten Jahrhunderten der Bildung
und dem Weltverkehr erschlossenen Länder Osteuropas seit jeher von hervorragender Wichtigkeit gewesen.
Nördlich der Donau endet im Bisamberg das Böhmisch-Mährische Hochplateau; östlich senken sich einerseits
die Karpathen, anderseits das Leithagebirge zur Donau. Wien selbst steht auf den Abhängen der letzten nordöstlichen Ausläufer
der Alpen (des Wiener Waldes und des Kahlengebirges) und ist von der Niederung des Wiener Beckens umgeben. So ist die natürliche
Lage und Umgebung der Stadt aus bemerkenswerten Kontrasten zusammengesetzt, welche sich denn auch in dem
Stadt- und Volksleben von Wien in eigentümlicher Weise widerspiegeln. Das Klima von Wien ist sehr unbeständig, die Luft rauh und
mehr trocken als feucht, die Atmosphäre nur selten in Ruhe. Die mittlere Jahreswärme beträgt 9,2° C., der mittlere Luftdruck 744 mm,
der durchschnittliche Niederschlag 595 mm; auf ein Jahr entfallen 75 Nebel-, 111 Regen- und 33 Schneetage.
Stadtteile.
Die Metropole bestand früher
aus der innern Stadt, deren Festungswerke das mit Alleen besetzte Glacis umgab, und aus einem
Kranz von 36 Vorstädten, von denen 4 durch den erwähnten Arm der Donau von den andern geschieden waren.
In diesen Verhältnissen ist durch die 1857 vom Kaiser Franz Joseph angeordnete Stadterweiterung eine wesentliche Veränderung
vor sich gegangen. Die Basteien, Forts und Gräben um die innere Stadt wurden beseitigt und die hierdurch sowie durch Auslassung
der Glacis gewonnene Fläche als Baugrund verwertet.
Aus dem Ertrag wurde der Stadterweiterungsfonds gebildet, welcher die Kosten der Stadterweiterung und der
Herstellung einer Reihe von Monumentalbauten (Opernhaus, Burgtheater, Hofmuseen) zu tragen hatte. Der Stadterweiterung wurden
die Pläne der Architekten F. Stache,L. Förster, van der Nüll und Siccardsburg zu Grunde gelegt. Gegenwärtig besteht Wien aus
zehn Bezirken:
1) die innere Stadt;
2) die Leopoldstadt, welche die Donauinsel umfaßt;
3) die Landstraße;
4) Wieden;
5) Margarethen;
6) Mariahilf;
7) Neubau;
8) Josephstadt;
9) Alsergrund;
10) Favoriten, der im S. außerhalb der Wiener Linienwälle gelegene, erst in neuester Zeit entstandene Stadtbezirk. Der zweite
Bezirk ist von den übrigen durch den Donauarm, der vierte und fünfte von dem sechsten durch den
Wienfluß geschieden, der auch zwischen dem ersten, dann dem dritten und vierten Bezirk die Grenze bildet. Der Alsbach und
der Währinger Bach durchfließen, durchaus überwölbt, den neunten Bezirk. Die Bezirke haben vielfach eine eigentümliche Physiognomie
in Beziehung auf Bauart und Einwohner; so z. B. ist der erste Bezirk hauptsächlich der Sitz der Geburts-
und der Geldaristokratie, der Ämter, des Geschäfts- und Fremdenverkehrs, der zweite der Sitz des Handels, daher auch der Mittelpunkt
der jüdischen Bewohnerschaft, der dritte zu einem großen Teil Wohnort der Beamten, der fünfte Hauptsitz des Kleingewerbes,
der sechste und siebente vorzugsweise der Mittelpunkt der Fabrikthätigkeit, der neunte der Sitz der medizinisch-chirurgischen
Anstalten, der zehnte vorwiegend ein Arbeiterviertel.
Gegen die Vororte ist Wien seit 1703 mit einem 4 m hohen Wall und Graben abgeschlossen von etwas mehr als 30 km Länge (mit den
Krümmungen), dessen Beseitigung in Aussicht genommen ist, wegen der schwierigen Lösung der damit zusammenhängenden
Verzehrungssteuerfrage aber noch nicht durchgeführt werden konnte. Die Thore in demselben werden »Linien« genannt und sind 15 an der
Zahl. Sie führen zu den Vororten, welche sich teilweise unmittelbar an die Linienwälle anschmiegen, teilweise aber miteinander
in Zusammenhang stehen und eigne Gemeinden bilden.
Diese Vororte sind: gegen N. Floridsdorf;
gegen O. Simmering;
gegen SW. Gaudenzdorf, Ober- und Untermeidling, Sechshaus, Fünfhaus,
Rudolfsheim, in weiterer Linie Schönbrunn, Penzing, Hietzing, Ober- und Unter-St.
Veit, Baumgarten u. Breitensee;
gegen Westen Neulerchenfeld, Ottakring und Hernals, woran sich weiter Dornbach und Neuwaldegg anschließen;
gegen NW. Währing, Ober- und Unter-Döbling, in weiterer Linie Weinhaus, Gersthof, Pötzleinsdorf, Ober-
und Unter-Sievering, Grinzing, Heiligenstadt und Nußdorf.
Die Gesamtfläche von Wien samt den Vororten (Wiener Polizeirayon) beträgt
14,967 Hektar; davon entfallen auf das Wiener Gemeindegebiet 5540, auf die