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Besitzstand von 1618 fest. Nur der Kaiser machte davon für seine Erblande eine Ausnahme. In der kirchlichen Frage bestätigte der Friede den Passauer Vertrag und den Augsburger Religionsfrieden und schloß die Reformierten in die den Augsburger Religionsverwandten gewährte Rechtsstellung ein. Beide Konfessionen, [* 1] die katholische wie die evangelische, wurden vollkommen gleichgestellt; die evangelische Minorität durfte auf den Reichstagen in Religionssachen nicht majorisiert werden.
Der Streit über die geistlichen Stifter und Güter wurde unter Aufhebung des Restitutionsedikts von 1629 dahin ausgeglichen, daß 1624 Normaljahr sein und der evangelische und katholische Besitzstand so bleiben oder restituiert werden sollte, wie er gewesen. Doch wurden auch hiervon die kaiserlichen Erblande ausgenommen. Die Territorialhoheit der Reichsstände wurde ausdrücklich anerkannt, ja ihnen das Recht gegeben, zu ihrer Erhaltung und Sicherheit untereinander und mit auswärtigen Mächten Bündnisse zu schließen, nur nicht wider Kaiser und Reich. Die neue Verfassung des Reichs sollte auf einem zu berufenden Reichstag beraten werden.
Die Pläne der katholischen Reaktion und der habsburgischen Hauspolitik, den Protestantismus auszurotten und Deutschland [* 2] einer absoluten Militärgewalt zu unterwerfen, waren unter Strömen Bluts, unter Vernichtung des Wohlstandes und der Bildung des deutschen Volkes vereitelt worden. Ja, der Kaiser mußte im Frieden auf den letzten Rest seiner Macht verzichten. Das Reich verlor durch den Frieden eine Ländermasse von mehr als 100,000 qkm mit 4½ Mill. Menschen und erhielt eine ganz zerstückelte, wehrlose Grenze gegen Frankreich.
Die Befestigung der dreihundertfachen landesherrlichen Vielherrschaft und die Verwickelung so vielseitiger Grenz- und Hoheitsrechte mußten fortan den Gang [* 3] der Verwaltung erschweren, sie mit Formen überladen und die Volksstämme feindselig auseinander reißen. Die Rechte der Landstände in den einzelnen Territorien wurden unterdrückt. Dagegen wurde Deutschland nun Gegenstand und Schauplatz der europäischen Staatshändel, seit die Fürsten das von Frankreich bei der Friedensverhandlung durchgesetzte Recht der Bündnisse geltend machten, Bayern, [* 4] Brandenburg [* 5] und andre deutsche Fürstenhäuser, welche bei den Säkularisationen geistlicher Stifter nicht bedacht worden waren, eine Stellung in dem europäischen politischen System annahmen und fremde Mächte, wie Schweden, [* 6] in den Reichsverband eintraten, andre, wie Frankreich, als Garanten des Friedens sich stets in die innern Angelegenheiten Deutschlands [* 7] einzumischen das Recht hatten.
Daher wurden fortan die meisten europäischen Kriege auf deutschem Grund und Boden ausgefochten. Auch als Schutz des Protestantismus kann der Westfälische Friede nicht angesehen werden. Er konnte sich nicht weiter im Reich ausbreiten, und die aus den österreichischen Erblanden Vertriebenen und ihrer Güter Beraubten erhielten nicht einmal die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, geschweige denn Entschädigung. Österreich [* 8] wurde aus dem Herzen des Reichs auf seine Erbstaaten zurückgedrängt und von der politischen und geistigen Verbindung mit dem übrigen Deutschland losgelöst.
Der Westfälische Friede kann also als das traurige Ergebnis der noch traurigern, schrecklichen Zeit des Dreißigjährigen Kriegs bezeichnet werden.
Vgl. Gärtner, Westfälische Friedens-Kanzley (Leipz. 1731-38, 9 Bde);
J. G. ^[Johann Gottfried] v. Meiern, Acta pacis Westfalicae publica (Götting. 1734-36, 6 Bde.);
»Correspondencia diplomatica de los plenipotenciarios españoles en el congreso de Munster« (Madr. 1885 ff.): Woltmann, Geschichte des Westfälischen Friedens (Leipz. 1808, 2 Bde.);
dazu die staatsrechtlichen Schriften von J. J. ^[Johann Jacob] Moser (»Erläuterung des Westfälischen Friedens«, Erlang. 1775-76, 2 Bde.),
Pütter (»Geist des Westfälischen Friedens«, Götting. 1795), Senckenberg (Frankf. 1804) u. a.