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selbst wo sie erzählt, für ihre Hauptaufgabe hält, die einzelnen, vom höchsten Lebensgefühl getragenen Gestalten in harmonischem Gleichgewicht [* 1] zur Anschauung zu bringen. Zugleich aber tritt das dekorative Prinzip mit seiner Verteilung der Formen und Farben nach den Gesetzen großartiger, frei und leicht bewegter, niemals strenger und starrer Monumentalität, den Bedürfnissen der Wand- und Deckenmalerei entsprechend, so herrschend in den Vordergrund von Paolos Schaffen, daß er bis auf den heutigen Tag der klassische Vertreter dieser dekorativen Malerei im höchsten Sinn des Wortes geblieben ist und sein Freskostil auch für seine Staffeleigemälde maßgebend wurde. Die Bewegungsmotive, die er seinen Gestalten und Gruppen verleiht, richten sich zunächst nach dem großen, hellern, dekorativen Linienzug, der sich durch seine Flächen bewegt; seine Farbenakkorde, denen zuliebe phantastisch-reiche Kostüme [* 2] bevorzugt werden, folgen demselben Zug, ohne, bei aller Glut im einzelnen, den feinen, gedämpften veronesischen Silbergrundton zu verleugnen. Wunderbar aber versteht der Meister es, eine lebenswahre, ja realistische Auffassung der Gestalten und Situationen von diesen dekorativen Linienwogen und Farbenfluten tragen zu lassen.« (Woermann.) Veronese behielt seinen Wohnsitz in Venedig, [* 3] war aber zu wiederholten Malen auch in der Umgegend thätig, so 1560-61 in der Villa Tiene bei Vicenza, wo er mit G. Zelotti allegorische Darstellungen und solche aus der alten Geschichte ausführte, um 1566 in der Villa der Barbari zu Maser bei Treviso, wo er mit Zelotti eine Reihe von Zimmern und Sälen ausmalte, eine seiner dekorativen Hauptschöpfungen, und nach 1572 im Schloß Magnadole im Gebiet von Treviso, wo er Fresken aus der alten Geschichte, darunter die Familie des Dareios und das Gastmahl der Kleopatra, malte. Veronese starb in Venedig.
Die Zahl seiner Werke, an deren Ausführung sich später zahlreiche Gehilfen und Schüler beteiligten, ist sehr groß. Von den in Venedig ausgeführten dekorativen Malereien sind die bedeutendsten: die Gestalten der Musik, der Geometrie, der Arithmetik und des Ruhms in ovalen Deckenfeldern der Libreria vecchia, die auf Leinwand gemalten mythologischen Deckenbilder für den Bankettsaal des Fondaco dei Tedeschi (jetzt im Museum zu Berlin), [* 4] die Decken- und Wandbilder in verschiedenen Sälen des Dogenpalastes (darunter die thronende Venezia, der Sieg von Lepanto und die Apotheose Venedigs).
Eine besondere Gruppe unter seinen religiösen Darstellungen bilden die »Gastmähler«, nach Motiven aus dem Neuen Testament, üppige Schilderungen venezianischer Tafelfreuden in phantastischen Hallen und Palasträumen, von denen eins, das Gastmahl bei Levi (1572, jetzt in der Akademie zu Venedig),
dem Inquisitionstribunal Veranlassung gab, den Maler 1573 einem peinlichen Verhör zu unterziehen, weil er »Narren, betrunkene Deutsche, [* 5] Zwerge und andre Albernheiten« auf dem Bilde dargestellt hatte. Die andern Hauptwerke dieser Gattung sind: die Hochzeit zu Kana (1561) und das Gastmahl beim Pharisäer (beide im Louvre zu Paris), [* 6] das Gastmahl bei Simon (in der Galerie zu Turin), [* 7] die Hochzeit zu Kana und Christus und die Jünger von Emmaus (in der Galerie zu Dresden). [* 8]
Von den Kirchenbildern Veroneses sind noch als die hervorragendsten zu nennen: die Vermählung der heil. Katharina (in Santa Caterina zu Venedig), das Martyrium der heil. Justina (in Padua), [* 9] das Martyrium des heil. Georg (in Verona), [* 10] die Anbetung der Könige (Exemplare in Venedig, Mailand, [* 11] Wien [* 12] und Dresden) und die Familie Cuccina vor der thronenden Maria (in der Dresdener Galerie). Veroneses glänzende Farbenlust zeigt sich besonders in feinen Ölgemälden aus der antiken Mythologie und Geschichte. Der Raub der Europa [* 13] (im Dogenpalast zu Venedig und in der kapitolinischen Galerie zu Rom) [* 14] und die Familie des Dareios (in der Nationalgalerie zu London) [* 15] sind seine Hauptwerke dieser Gattung. Endlich hat er auch zahlreiche Einzelbildnisse gemalt, in welchen er eine Verwandtschaft mit Tintoretto zeigt. - Auch nach seinem Tod wurde seine Malweise noch eine Zeitlang von seinem Bruder Benedetto (1538-98), seinen Söhnen Carlo (1570-96) und Gabriele (1568-1631) und seinen Schülern fortgesetzt.
Vgl. Janitschek in Dohmes »Kunst und Künstler«, Bd. 3; Caliari, Paolo Veronese (Rom 1888).