lang ununterbrochen aufgehalten hat, fällt im Fall der Unterstützungsbedürftigkeit als landarm dem Landarmenverband seines
Aufenthaltsorts zur Last. Die zweijährige Erwerbs- und Verlustfrist führt freilich nicht selten Ortsarmenverbände dazu, durch
»Abschiebung« von Hilfsbedürftigen vor Ablauf der zwei Jahre den Erwerb des Unterstützungswohnsitzes zu verhüten. Der Hilfsbedürftige,
welcher innerhalb eines Ortsarmenverbandes den Unterstützungswohnsitz hat, wird als ortsarm bezeichnet.
Entstehen über die Verpflichtung zur Unterstützung hilfsbedürftiger Personen zwischen verschiedenen Armenverbänden Streitigkeiten,
so kommt es, was das Verfahren anbetrifft, darauf an, ob die streitenden Teile einem und demselben Bundesstaat oder verschiedenen
Staaten angehören. Im erstern Fall sind die Landesgesetze des betreffenden Staats maßgebend, während
für Differenzen zwischen den Armenverbänden verschiedener Staaten in dem Gesetz vom besondere Vorschriften gegeben
sind.
Auch in diesem Fall wird nämlich zunächst von den nach Maßgabe der Landesgesetzgebung kompetenten Behörden, in Preußen
von den Verwaltungsgerichten, in andern Staaten von den hierzu besonders eingesetzten Deputationen oder von den
sonst zuständigen Verwaltungsbehörden, verhandelt und entschieden. Diese Behörden können Untersuchungen an Ort und Stelle
veranlassen, Zeugen und Sachverständige laden und eidlich vernehmen und überhaupt den angetretenen Beweis in vollem Umfang
erheben.
Gegen die durch schriftlichen, mit Gründen zu versehenden Beschluß zu gebende Entscheidung findet Berufung an das Bundesamt für das Heimatswesen
statt. Letzteres ist eine ständige und kollegiale Behörde mit dem Sitz in Berlin, bestehend aus einem
Vorsitzenden und mindestens vier Mitgliedern, welche auf Vorschlag des Bundesrats vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt werden.
Zu der Beschlußfassung sind mindestens drei Mitglieder zuzuziehen. Die Berufung ist binnen einer Präklusivfrist von 14 Tagen,
von der Behändigung der angefochtenen Entscheidung an gerechnet, bei derjenigen Behörde, gegen deren
Entscheidung sie gerichtet ist, schriftlich anzumelden.
Der Gegenpartei steht das Recht zu einer binnen vier Wochen nach der Behändigung einzureichenden schriftlichen Gegenausführung
zu. Die Entscheidung des Bundesamtes erfolgt gebührenfrei in öffentlicher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung
der Parteien; gegen die Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig. Das Bundesamt ist aber von verschiedenen
Staaten und namentlich von Preußen auch für die im eignen Gebiet vorkommenden Streitsachen als letzte Instanz anerkannt. In
Bayern gilt noch das partikulare Heimatsrecht (s. Heimat, S. 302). In Süddeutschland ist vielfach der Wunsch
nach Rückkehr zu dem frühern Heimatssystem laut geworden.
Vgl. Eger, Das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom (2. Aufl.,
Bresl. 1884);
Arnold, Die Freizügigkeit und der Unterstützungswohnsitz (Berl. 1872);
Rocholl, System des deutschen Armenpflegerechts (das. 1873);
Wohlers, Das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz (4. Aufl., das.
1887).
Die Entscheidungen des Bundesamtes für das Heimatswesen werden gesammelt und herausgegeben von Wohlers
(Berl. 1873 ff.).
(Untersuchungsarrest), Verhaftung des einer verbrecherischen That Verdächtigen, um die Erreichung
der Zwecke der strafrechtlichen Untersuchung zu sichern. Im Gegensatz zur Strafhaft ist der Zweck der Untersuchungshaft ein vorbereitender,
die Vollstreckung des künftigen Strafurteils sichernder. Die ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit
lediglich
aus Zweckmäßigkeitsgründen. Die moderne Strafprozeßgesetzgebung ist daher darauf bedacht, die Voraussetzungen
der Untersuchungshaft genau festzusetzen, um ein willkürliches Verhängen der Untersuchungshaft möglichst
zu vermeiden (s. Haft).
Jedenfalls müssen gegen den Angeschuldigten dringende Verdachtsgründe vorliegen. Die Untersuchungshaft darf nicht
den Charakter einer Strafe haben. Deshalb ist die Behandlung des Untersuchungsgefangenen von derjenigen
des Strafgefangenen wesentlich verschieden. Nach der deutschen Strafprozeßordnung (§ 116) muß der in Untersuchungshaft. Genommene,
soweit möglich, einzeln und namentlich nicht mit Strafgefangenen zusammen verwahrt werden. Mit Zustimmung des Verhafteten
kann jedoch von dieser Vorschrift abgesehen werden.
Demselben sollen ferner nur solche Beschränkungen auferlegt werden, welche zur Sicherung des Zweckes der
Haft oder zur Aufrechthaltung der Ordnung im Gefängnis notwendig sind. Bequemlichkeiten und Beschäftigungen, die dem Stand
und den Vermögensverhältnissen des Verhafteten entsprechen, darf sich derselbe auf seine Kosten verschaffen, soweit sie
mit dem Zweck der Haft vereinbar sind und weder die Ordnung im Gefängnis stören noch die Sicherheit gefährden.
Fesseln dürfen dem Verhafteten im Gefängnis nur dann angelegt werden, wenn es wegen besonderer Gefährlichkeit seiner
Person, namentlich zur Sicherung andrer, erforderlich erscheint, oder wenn er einen Selbstentleibungs- oder Entweichungsversuch
gemacht oder vorbereitet hat. Bei der Hauptverhandlung soll er ungefesselt sein. Gleichwohl erleidet der
nachmals verurteilte Angeschuldigte durch die vorgängige Untersuchungshaft thatsächlich ein Mehr an Strafe, und ebendeshalb entspricht es
der Billigkeit, die erlittene Untersuchungshaft auf die erkannte Strafe in Anrechnung zu bringen.
Das deutsche Strafgesetzbuch (§ 60) bestimmt, daß eine erlittene Untersuchungshaft bei Fällung des Urteils auf die erkannte
Strafe ganz oder teilweise angerechnet werden kann. Sie muß nach der deutschen Strafprozeßordnung (§ 482) auf die
zu vollstreckende Freiheitsstrafe insoweit angerechnet werden, als sie für den verurteilten Angeschuldigten noch fortbestand,
nachdem er auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet oder das eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen hat, oder seitdem
die Einlegungsfrist abgelaufen ist, ohne daß er eine Erklärung abgegeben.
Nach der österreichischen Strafprozeßordnung (§ 400) ist die Untersuchungshaft anzurechnen, welche der zu einer
Freiheitsstrafe Verurteilte seit der Verkündigung des Urteils erster Instanz erlitten hat, insofern der Antritt der Strafe durch
von dem Willen des Verurteilten unabhängige Umstände verzögert wurde. Außerdem findet die Einrechnung
auch dann statt, wenn ein zu gunsten des Verurteilten ergriffenes Rechtsmittel auch nur einen teilweisen Erfolg hatte. Für
den durch eine Untersuchungshaft betroffenen, nachträglich aber freigesprochenen Angeschuldigten wird neuerdings
vielfach die Gewährung einer Entschädigung als ein Gebot der Billigkeit bezeichnet (s. Unschuldig Angeklagte und unschuldig
Verurteilte).
Vgl. Deutsche Strafprozeßordnung, § 112 ff.; Österreichische,
§ 184 ff.