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von Petrus Hispanus gegebenen Bearbeitung gebräuchlich. Der einzige Gegenstand, der bis zu Ende des 11. Jahrh. eine Art selbständigen und philosophischen Interesses in Anspruch nahm, war die Frage, ob die allgemeinen Begriffe wirkliche Dinge bezeichnen oder bloße Produkte der Reflexion [* 1] und Abstraktion sind; der Gegensatz in der Beantwortung dieser Frage (s. Realismus und Nominalismus) spaltete sich in eine Menge teils streitender, teils vermittelnder Lehrformen.
In der ersten, bis zu Anfang des 13. Jahrh. reichenden Periode der Scholastik haben hervorragende Bedeutung: Joh. Scotus Erigena, Gerbert, Mönch zu Aurillac, der nachherige Papst Silvester II., Petrus Damianus, Berengar von Tours, Lanfranc, Joh. Roscellinus, Peter Abälard, Wilhelm von Champeaux, Peter von Poitiers (Pictaviensis), Petrus Lombardus und Johann von Salisbury (s. die betreffenden Artikel). Eine neue Epoche in der Geschichte der Scholastik beginnt am Anfang des 13. Jahrh. mit dem Bekanntwerden auch der metaphysischen und physischen Werke des Aristoteles teils durch lateinische Übersetzungen, teils durch Benutzung der Werke der arabischen Philosophen.
Fortan tritt neben dem kirchlichen Dogma die Aristotelische Metaphysik als der zweite die Scholastik beherrschende Faktor auf, und die Hauptbegriffe derselben, Substanz und Accidenz, Form und Materie, actus und potentia, mit allen ihren möglichen Kombinationen, Distinktionen und Klassifikationen boten ein Schema dar, nach welchem jede theologische und metaphysische Frage behandelt wurde. Nach wie vor aber beherrschte die Erörterungen eine kritiklose Tradition; der zur Herrschaft gelangte Realismus ließ als hinreichenden Beweis der Gültigkeit eines Begriffs gelten, daß er überhaupt gedacht werde, und die Meinung, das Wesen der Dinge schon durch bloße Nominaldefinitionen der sie bezeichnenden Begriffe erkennen zu können, rief ein unfruchtbares Spiel mit Quidditäten und Häcceitäten, spezifischen Differenzen und verborgenen Qualitäten hervor.
Dieser zweiten Periode gehören an: Alexander von Hales, Albertus Magnus, Thomas von Aquino und Johannes Duns Scotus, in zweiter Linie auch Vincentius Bellovacensis und Raimund Lullus, der eine Methode entdeckt haben wollte, durch welche mittels bloßer Kombination von Begriffen, gleichsam auf mechanischem Weg, alle wissenschaftlichen Probleme sich beantworten lassen sollten. Hatte schon in dieser Periode der trocknen Verstandesschärfe und unerquicklichen Disputiersucht gegenüber das gemütliche religiöse Bedürfnis in dem Mystizismus des Hugo und Richard von St. Victor und Bonaventura Befriedigung gesucht, so entstand im 14. Jahrh. innerhalb der Scholastik selbst eine Spaltung durch das Wiederaufleben des Nominalismus namentlich durch Wilhelm Occam.
Es brach der alte Streit zwischen Realismus und Nominalismus von neuem aus und wurde nun speziell zu einem Kampf zwischen Thomisten (den Anhängern des Thomas von Aquino) und Scotisten (Anhängern des Scotus). Der Nominalismus siegte zwar, aber die Scholastik selbst, in Schulstreitigkeiten aufgelöst, verlor den religiösen Ernst und war ebensowenig im stande, sich der neuen lebensvollen Gestaltung der Wissenschaften, wie sie am Ausgang des Mittelalters hervortrat, anzuschließen, als ihr das Gegengewicht zu halten.
Die Scholastik verschwand im 15. Jahrh., doch hat sich die Eigentümlichkeit ihrer Lehrart selbst aus protestantischen Universitäten bis ins 17. Jahrh. hinein erhalten und besteht noch jetzt in manchen jesuitischen Schulen fort.
Vgl. Rousselot, Études sur la philosophie dans le moyen-âge (Par. 1840-42, 3 Bde.);
Hauréau, Histoire de la philosophie scolastique (das. 1872-81, 2 Bde.);
Kaulich, Geschichte der scholastischen Philosophie (Prag [* 2] 1863, Bd. 1);
Stöckl, Geschichte der Philosophie des Mittelalters (Mainz [* 3] 1864-66, 3 Bde.);
v. Liliencron, Über den Inhalt der allgemeinen Bildung in der Zeit der Scholastik (Münch. 1876);
Reuter, Geschichte der religiösen Aufklärung (Berl. 1875-77, 2 Bde.);
Werner, Die S. des spätern Mittelalters (Wien [* 4] 1881-87, 4 Bde.).