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1528 in der Stadt S. den völligen Sieg; unter Zürichs Schutz traten auch die Gotteshausleute und Toggenburger dazu über und kündigten dem Abte den Gehorsam, der mit den Mönchen entfloh, worauf Zürich [* 1] und Glarus als Schirmorte der Abtei 1530 das Kloster der Stadt verkauften. Nach der Schlacht von Kappel (1531) wurde jedoch das geistliche Fürstentum wiederhergestellt und die Unterthanen zum alten Glauben zurückgebracht; nur den Toggenburgern wurde Religionsfreiheit zugesichert.
Die mannigfachen Verletzungen derselben sowie andrer verbriefter Rechte reizten die Toggenburger 1705 zu einem Aufstand, welcher sich durch die Parteinahme Zürichs und Berns gegen und der katholischen Orte für den Abt 1712 zu dem als Toggenburger oder zweiten Vilmerger Krieg bekannten schweizerischen Religionskampf erweiterte. Die Züricher und Berner besetzten die St. Gallische Landschaft und plünderten das Kloster. Im Frieden von Aarau [* 2] (11. Aug.) mußten die Katholiken ihnen die Ordnung der toggenburgischen Verhältnisse überlassen, worauf der Abt im Vertrag zu Baden [* 3] 1718 die Verwaltung seiner Lande zurückerhielt, aber unter Anerkennung voller Glaubensfreiheit und eines Mitregierungsrechts der Toggenburger. Nachdem die Gotteshausleute schon 1795 die Aufhebung der Leibeigenschaft und 1797 Anteil am Regiment erzwungen hatten, machte das Einrücken der Franzosen in die Schweiz [* 4] 1798 der äbtlichen Herrschaft selbst ein Ende. Die helvetische Verfassung verschmolz die Stadt und das Gebiet des Abtes mit Appenzell [* 5] und Rheinthal zu einem Kanton [* 6] Säntis; am wurde das Kloster selbst aufgehoben. Die Mediationsakte schuf 1803 den heutigen Kanton S., indem sie mit der Stadt und dem Gebiet des Abtes die ehemaligen gemeinen Herrschaften Rheinthal, Sargans, Rapperswyl, Gaster und Uznach sowie das glarnerische Unterthanenland Werdenberg vereinigte. 1805 hob der Große Rat des Kantons das Kloster in aller Form auf und teilte sein Vermögen in ein »souveränes« Gut, welches zu dem Staatsvermögen geschlagen wurde, und ein »katholisches« Gut, welches teils zur Dotierung der Stiftskirche, des Seminars, zur Pensionierung der Mönche und zur Errichtung eines katholischen Gymnasiums verwendet, teils als eine Art katholischen Staatsvermögens von einem katholischen Administrationsrat verwaltet wurde. Der Wiener Kongreß erkannte den neuen Kanton an; zugleich wurde die Verfassung in oligarchischem Sinn geändert und für Kirchen-, Ehe- und Schulsachen eine völlige Trennung nach Konfessionen [* 7] durchgeführt, so daß neben dem allgemeinen Großen Rat ein katholischer und ein evangelischer bestand. 1830-31 wurde unter der Führung G. J. ^[Gallus Jakob] Baumgartners (s. d.) die Verfassung in demokratisch-liberalem Sinn revidiert und das Veto eingeführt; zugleich wurde der Kanton der Ausgangspunkt der liberal-katholischen Bewegung, welche 1834 zu den Badener Konferenzartikeln führte (s. Schweiz); aber gerade in S. wurden diese in der Volksabstimmung verworfen (Januar 1835), womit die Kraft [* 8] der Bewegung gebrochen war. 1836 wurde St. Gallen Sitz eines eignen Bischofs.
Seit 1847, als die Liberalen die Mehrheit im Großen Rat erlangt hatten, strebten die Führer derselben, Weder, Hungerbühler u. a., vor allem nach Beseitigung der konfessionellen Trennung; eine liberale Mehrheit im katholischen Administrationsrat ermöglichte 1856 die Verschmelzung der katholischen Kantonsschule mit der höhern Lehranstalt der Stadt in eine gemeinsame Kantonsschule, und 1861 kam nach heftigen Stürmen eine 17. Nov. vom Volk angenommene Revision der Verfassung zu stande, welche das Erziehungswesen ganz dem Staat übergab, dagegen in kirchlichen Dingen den Konfessionen volle Freiheit ließ.
Durch eine genehmigte Partialrevision wurde, der demokratischen Strömung in der Schweiz entsprechend, das schon 1831 eingeführte Veto erleichtert. An den kirchlichen Kämpfen der jüngsten Zeit beteiligte sich S. nur insofern, als 1876 die katholische Kirchengemeinde der Stadt S. durch Mehrheitsbeschluß zum Altkatholizismus übertrat. Seit 1861 befinden sich die Liberalen beständig in der Mehrheit; aber die Macht der Ultramontanen zeigte sich sowohl in den eidgenössischen als kantonalen Volksabstimmungen, in welchen die Gesetzesvorlagen der Räte häufig verworfen wurden.
Anderseits wurde eine von klerikaler Seite angeregte Verfassungsrevision vom Volk mit großem Mehr abgelehnt.
Vgl. v. Arx, Geschichte des Kantons S. (St. Gallen 1810-13, 3 Bde.; Berichtigungen und Zusätze dazu 1830);
Baumgartner, Geschichte des schweizerischen Freistaats u. Kantons S. (Zürich 1868, 2 Bde.);
Henne-Am Rhyn, Geschichte des Kantons S. (das. 1863);
Näf, Chronik oder Denkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft S. (das. 1867);
Weidmann, Geschichte des ehemaligen Stifts und der Landschaft S. unter den zwei letzten Fürstäbten (St. Gallen 1834);
Dierauer, Geschichte des Kantons S. in der Mediations- und Restaurationszeit (das. 1877 bis 1878);
Wartmann, Urkundenbuch der Abtei S. (Zürich 1863-82, 3 Tle.);
»Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte« (hrsg. vom Historischen Verein zu S., 1862 ff.);
Weidmann, Geschichte der Bibliothek von S. (das. 1841);
Dümmler, St. Gallische Sprachdenkmäler aus der karolingischen Zeit (Zürich 1859);
Henning, Über die St. Galler Sprachdenkmäler (Straßb. 1875);
»Verzeichnis der Handschriften der Stiftsbibliothek zu St. Gallen« (Halle [* 9] 1875);
Wartmann, Industrie und Handel des Kantons S., 1867-80 (St. Gallen 1884-87, 2 Tle.).