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Tod wurde er als der große Heros angestaunt. Die Gefährten des Exils von St. Helena wußten mit großem Geschick das Mitgefühl für sein tragisches Ende auszubeuten. In der Zeit der Reaktion wurde er nicht bloß in Frankreich von Béranger u. a. in begeisterten Liedern gefeiert, sondern auch in den Ländern, wo man ihn vor seinem Sturz bitter gehaßt, schlug die Stimmung völlig um. Der Napoleon-Kultus wurde geradezu Mode. Aus dieser Zeit stammen die panegyrischen »Memoiren« von Las Cases, dazu die zahlreichen Fortsetzungen von O'Meara, Montholon, Thibaudeau, Durand, Bourrienne, Junot-Abrantes, Meneval, Fain u. a. Erst in neuerer Zeit ist außerhalb und seit dem zweiten Kaiserreich in Frankreich eine Reaktion gegen die Verherrlichung Napoleons eingetreten, und wird sein Charakter ohne Voreingenommenheit und Parteilichkeit beurteilt. Das wertvollste Material hierfür lieferte die große, auf Napoleons III. Befehl herausgegebene »Correspondance de Napoleon I« (Par. 1858-70, 32 Bde.; Supplement von Ducasse, 1887; deutsche Auswahl von Kurz, Hildburgh. 1868, 3 Bde.),
woraus die »Correspondance militaire« (1875-77, 10 Bde.) gesondert erschien.
Napoleons eigne Schriften erschienen gesammelt in 5 Bänden, Paris [* 1] 1821-22 (auch Stuttg. 1822-1823, 4 Bde.),
eine neue Ausgabe besorgte Martel (Par. 1887 ff.). Die »Mémoires de Ste-Hélène« wurden von Gourgaud u. Montholon (s. d.) herausgegeben (deutsch, Berl. 1822-25, 8 Bde.).
Von den zahllosen Biographien Napoleons sind hervorzuheben: die von Laurent (Par. 1826; neue Ausg. 1869, illustriert von H. Vernet; deutsch, Leipz. 1851), Thibaudeau (Par. 1827-28, 5 Bde.; deutsch, Stuttg. 1828-30, 6 Bde.), Norvins (21. Aufl., Par. 1851; deutsch, Stuttg. 1841, 5 Bde.), Jomini (Par. 1827, 4 Bde.; deutsch, Tübing. 1828-29, 4 Bde.), Walter Scott (1827; neue Ausg., Lond. 1871; deutsch, Leipz. 1835, 2 Bde.), Bailleul (Par. 1829-30, 4 Bde.) und Thiers (»Histoire du Consulat et de l'Émpire«, das. 1845-69, 21 Bde.; deutsch von Bülau, Leipz. 1846 ff.). Einen kritischen Standpunkt nehmen ein: Schlosser (»Zur Beurteilung Napoleons und seiner neuesten Tadler und Lobredner«, Frankf. 1832-35, 3 Bde.),
Lanfrey (»Histoire de Napoleon I«, Par. 1867-75, 5 Bde., bis 1811 reichend; deutsch, vollendet von Kalckstein, Berl. 1871-87, 7 Bde.),
der besonders viel zur Zerstörung der Napoleonischen Legende beigetragen hat;
Jung (»Bonaparte et son temps, 1769-99«, Par. 1880-81, 3 Bde.),
Fournier ( Napoleon I.«, Leipz. 1886 ff.) und Taine ( Napoleon Bonaparte« in der »Revue des Deux Mondes« 1887);
gegen den letztern wendet sich Prinz Napoleon ( Napoleon et ses détracteurs«, Par. 1887);
vgl. ferner York v. Wartenburg ( Napoleon als Feldherr«, Berl. 1885-86, 2 Bde.);
Libri, Souvenirs de la jeunesse de Napoleon (Par. 1842);
Böthlingk, Napoleon Bonaparte.
Seine Jugend und sein Emporkommen bis zum 13. Vendémiaire (2. Ausg., Leipz. 1883, 2 Bde.).
2) Napoleon II., Sohn des vorigen, geb. erhielt gleich nach seiner Geburt den Titel eines Königs von Rom, [* 2] dann den eines Herzogs von Reichstadt (s. d.) und wurde, da sein Vater zu seinen gunsten verzichtet und er nominell ein paar Tage Oberhaupt Frankreichs gewesen war, im Dekret Napoleons III. vom Napoleon II. genannt.
3) Napoleon III., Kaiser der Franzosen, geb. im Palais Royal zu Paris als dritter Sohn Ludwig Bonapartes, Königs von Holland, und der Hortense Beauharnais, Stieftochter Napoleons I., ward Karl Ludwig Napoleon genannt, begleitete nach dem zweiten Sturz des Kaiserreichs seine Mutter in die Verbannung, erst nach Genf, [* 3] dann nach Augsburg, [* 4] wo er das Gymnasium besuchte, endlich nach Arenenberg im Thurgau, beteiligte sich 1831 mit seinem ältern Bruder, Napoleon Louis, der darauf an den Masern starb, an dem mißlungenen Aufstandsversuch Menottis in der Romagna und entkam mit Mühe den Österreichern, lebte darauf mehrere Jahre in Zurückgezogenheit auf Arenenberg und trat als Hauptmann der Artillerie in die Schweizer Miliz ein; er veröffentlichte damals: »Considérations politiques et militaires sur la Suisse« und »Manuel sur l'artillerie«.
Durch den Tod des Herzogs von Reichstadt (1832) wurde er das anerkannte Haupt der Napoleonischen Dynastie und entwickelte das Ideal des kaiserlichen Regierungssystems in den »Rêveries politiques«. Von Baden-Baden [* 5] aus bereitete er 1836 das Straßburger Attentat vor, um die Julidynastie zu stürzen. Nachdem er den Befehlshaber der Artillerie in Straßburg, [* 6] Oberst Vaudrey, für sich gewonnen, begab er sich dorthin, ward aber in der Finkmattkaserne 30. Okt. verhaftet und nach Amerika [* 7] verbannt.
Auf die Nachricht von der Krankheit seiner Mutter kehrte er 1837 nach Europa [* 8] zurück und lebte nach deren Tod (3. Okt.) auf Arenenberg, bis die französische Regierung von der Schweiz [* 9] seine Ausweisung verlangte. Er kam derselben zuvor, indem er sich nach London [* 10] begab, wo er in den »Idées Napoléoniennes« (1839) nochmals sein politisches Glaubensbekenntnis entwickelte; dasselbe ist aus den Thaten und noch mehr aus den heuchlerischen Phrasen seines Oheims geschickt zusammengestellt.
Als Ludwig Philipp 1840 durch die Abholung der Leiche Napoleons I. nach Frankreich dem Napoleon-Kultus selbst eine Huldigung darbrachte, glaubte Napoleon die günstige Zeit für eine neue Schilderhebung für gekommen und landete, nachdem er eine Anzahl hochgestellter Generale gewonnen, an der französischen Küste bei Boulogne und versuchte 6. Okt. in diese Stadt einzudringen, mußte aber, da sich niemand für ihn erklärte, die Flucht ergreifen und ward auf derselben verhaftet; der ganze Putsch war theatralisch angelegt, und sein klägliches Mißlingen belastete Napoleon für lange Zeit mit dem Fluch der Lächerlichkeit. Die Pairskammer verurteilte ihn zu lebenslänglicher Haft in der Festung [* 11] Ham; hier lebte er in Gesellschaft eines Mitschuldigen, Conneau, fünf Jahre in milder Haft. Als Maurer verkleidet (angeblich unter dem Namen Badinguet, der ihm als Spottname verblieb) entfloh er von Ham nach England.
Auf die Nachricht von der Februarrevolution 1848 eilte Napoleon sofort nach Paris, wurde aber von der neuen Regierung gebeten, Frankreich wieder zu verlassen. Er that dies nicht nur, sondern lehnte auch zunächst ein Mandat für die Nationalversammlung ab. Erst im September, als er in Paris und vier Departements zum Deputierten gewählt worden war, erschien er in der Nationalversammlung, wo er, da man ihn für ungefährlich hielt, geduldet, ja von der konservativen Partei protegiert wurde. Er beobachtete eine kluge Zurückhaltung, ließ aber gleichzeitig die Masse des Volkes, in dessen Augen sein Name ihm einen Nimbus gab, für sich bearbeiten und ihr von seiner Herrschaft Ruhe und freie Zeit zum Erwerb in Aussicht stellen. So kam es, daß er bei der Präsidentenwahl, welche die Nationalversammlung unklugerweise nicht selbst vornahm, sondern dem Volk überließ, 5½ Mill: Stimmen gegen 1½ Mill. für Cavaignac erhielt;
am 20. Dez. ¶