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Notwendigkeit der Verfassungsreform darzulegen. Wichtiger war, daß damals der mecklenburgische Abgeordnete Büsing im Reichstag zu Art. 3 der Reichsverfassung den Zusatz beantragte: »In jedem Bundesstaat muß eine aus den Wahlen der Bevölkerung [* 1] hervorgehende Vertretung bestehen, deren Zustimmung bei jedem Landesgesetz und bei Feststellung des Staatshaushalts erforderlich ist«, und daß er die Annahme dieses Antrags mit 185 gegen 88 Stimmen erzielte. Schon 7. Dez. forderten beide Großherzöge den Landtag auf, Vertreter zu kommissarisch-deputatischen Verhandlungen über Änderung der bestehenden Verfassung zu erwählen.
Dieselben begannen führten aber zu keinem Resultat, weil die landschaftlichen Vertreter die Regierungsvorlage als völlig ungeeignet ablehnten. Dennoch setzte die ritterschaftliche Majorität auf dem Landtag die Beratung der Vorlage im Plenum durch und erklärte sich mit ihren Grundprinzipien einverstanden, wogegen die Landschaft nur die Vorschläge der Regierungen in betreff der Gesetzgebung billigte, im ganzen aber den Entwurf ablehnte. Während nun in Mecklenburg [* 2] die Frage einstweilen vertagt ward, suchte ein Teil der Bevölkerung durch Petitionen, von denen eine mit 22,600 Unterschriften bedeckt war, den Reichstag zum Einschreiten zu bewegen.
Hier ward jener von Büsing erneuerte Antrag nochmals fast einstimmig angenommen. Dagegen betonte der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin bei Gelegenheit der landwirtschaftlichen Ausstellung in Wismar [* 3] die berechtigten Eigentümlichkeiten Mecklenburgs, die auch in der Reformfrage zu berücksichtigen seien. Dem Landtag, der 12. Nov. zusammentrat, ward derselbe Verfassungsentwurf wie im vorigen Jahr vorgelegt, aber wiederum von der Landschaft, welche auf der Einführung des Repräsentativsystems bestand, zurückgewiesen.
Die Regierungen gaben endlich dem Druck der Landschaft nach und brachten bei Eröffnung eines außerordentlichen Landtags eine neue Vorlage ein. Danach sollte der für beide Mecklenburg gemeinsame Landtag eine einheitliche Versammlung bilden und aus Vertretern des großen Grundbesitzes, der Städte und der Landgemeinden bestehen. Während die Einkünfte des Domaniums dem Großherzog vorbehalten blieben, sollten die Voranschläge der übrigen Einnahmen und Ausgaben dem Landtag jährlich als Staatshaushaltsetat vorgelegt werden.
Obgleich bei der neuen Vertretung das ständische Prinzip aufrecht erhalten wurde, obgleich ferner in den Landgemeinden nur ein kleiner Kreis [* 4] von Personen, in den Städten nur die Behörden zur Wahl berechtigt sein sollten, so war in dem Entwurf doch das Übergewicht des Großgrundbesitzes ungemein beschränkt. In dem Verfassungsausschuß, dem zunächst die Vorlage zuging, erklärten die Vertreter der Ritterschaft, daß diese niemals auf ihr Virilstimmrecht verzichten werde.
Als nur die Landschaft geneigt war, die Verhandlungen auf dem Boden der neuen Vorlage fortzusetzen, die Ritterschaft aber bei ihrer Ablehnung beharrte, schlossen die Regierungen 9. März den Landtag. In der Session von 1875 sprach sich die Ritterschaft unterm 17. Febr. wiederum für Aufrechthaltung von Ritterschaft und Landschaft als politische Korporationen aus und veranlaßte durch dies Votum die Landschaft, die Verhandlungen in der Reformfrage abzubrechen (26. Febr.). Das Ansinnen der Ritterschaft aber, neue Verhandlungen auf Grund eines veränderten Entwurfs zu beginnen, lehnte der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin 13. März ab. Erst 1878 nahm derselbe im Einverständnis mit dem Großherzog von Mecklenburg-Strelitz die Verhandlungen über die Verfassungsreform wieder auf, fand aber beim Landtag wenig Neigung dazu. Dieser begnügte sich damit, die Verfassungsfrage einer Deputation zu überweisen, und somit harrt diese wichtige Angelegenheit noch der Erledigung. Friedrich Franz II. starb, allgemein betrauert, Ihm folgte in Mecklenburg-Schwerin sein Sohn Friedrich Franz III. (s. Friedrich 30). Dessen jüngerer Bruder, Paul, der, mit einer (katholischen) Prinzessin Windischgrätz vermählt, seine Kinder katholisch erziehen ließ, verzichtete auf seine Erbfolgerechte.
Vgl. v. Lützow, Versuch einer pragmatischen Geschichte von Mecklenburg (Berl. 1827-35, 3 Bde.);
Wiggers, Kirchengeschichte Mecklenburgs (Parch. 1840);
Boll, Geschichte Mecklenburgs (Neubrandenb. 1855-56, 2 Tle.);
Pentz, Geschichte Mecklenburgs (Wism. 1872, 2 Bde.);
Wigger, Mecklenburgische Annalen bis 1066 (Schwer. 1860);
Ernst, Kolonisation Mecklenburgs im 12. und 13. Jahrhundert (Rostock [* 5] 1875);
Lehsten, Der Adel Mecklenburgs seit dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich (das. 1864);
Derselbe, Die Wiederherstellung der Leibeigenschaft in Mecklenburg (2. Aufl., Kob. 1864);
Mecklenburg Wiggers, Der Vernichtungskampf wider die Bauern in Mecklenburg (Leipz. 1864);
Derselbe, Der mecklenburgische Patrimonialstaat (Magdeb. 1865).
Für die ältere Geschichte wichtig: Lisch, Mecklenburgische Urkunden (Schwer. 1837-41, 3 Bde.);
»Mecklenburgisches Urkundenbuch« (das. 1863-86, Bd. 1-14);
»Jahrbücher des Vereins für die Geschichte Mecklenburgs« (das. 1836 ff.).