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Annäherung abbrechen und diesem entgegengehen. Aufs neue aber erschienen die Osmanen 1422 unter dem kriegerischen Murad II. vor Konstantinopel, [* 1] bestürmten es mit Belagerungswerkzeugen aller Art und eroberten die Außenwerke. Jedoch der große Sturm 24. Aug. wurde abgeschlagen, die Belagerungswerke durch einen Ausfall zerstört, und Murad riefen bald innere Unruhen ab. Indes sein Sohn, Sultan Mohammed II., brachte 1453 in seine Gewalt. 1452 schon begann er in nächster Nähe der Stadt den Bau einer Küstenburg, welche den Bosporus [* 2] sperrte, und im Frühjahr 1453 auch die Belagerung selbst.
Ungeheure Belagerungsmaschinen und schwere Geschütze [* 3] wurden herbeigeschafft; das Heer belief sich auf 300,000 Mann und die Flotte auf 420 Schiffe. [* 4] Diesen hatte der Verteidiger von Konstantinopel, Konstantin XII. Paläologos, bloß 6000 Griechen und 3000 Mann italienische Hilfstruppen entgegenzustellen, die der tapfere Genuese Giovanni Giustiniani befehligte; dazu wüteten in der Einwohnerschaft erbitterte religiöse Streitigkeiten zwischen den Orthodoxen und den Unionisten (Henotikern).
Trotzdem gelang es den Belagerten, unterstützt durch die natürliche Festigkeit [* 5] der Stadt, 40 Tage lang die heftigsten Angriffe zurückzuweisen, die Belagerungsarbeiten zu zerstören und der türkischen Flotte empfindlichen Schaden zuzufügen. Endlich aber erlahmten die Kräfte, Mangel und Verzweiflung stellten sich ein. Als Kaiser Konstantin eine freiwillige Übergabe auch gegen das Zugeständnis freien Abzugs verweigerte, ward auf 29. Mai allgemeine Sturm angesagt.
Beide Teile suchten sich durch Fasten und Gebete darauf vorzubereiten. Früh am Morgen begann der Angriff. Die Christen leisteten die heldenmütigste Gegenwehr, und zweimal wurden die Janitscharen zurückgeworfen. Endlich aber drangen die Türken in die immer größern Lücken der Verteidiger ein und erstiegen die Mauern. Giustiniani floh, Konstantin stürzte sich in das dichteste Schlachtgetümmel, um den Heldentod zu finden. In der ersten Wut wurde von den Eroberern alles niedergemacht, was ihnen vor die Klinge kam.
Was übrigblieb, wurde in die Sklaverei verkauft. Die Stadt wurde geplündert, unermeßliche Beute fortgeführt, zahlreiche Kunstschätze zerstört. Um Mittag hielt Mohammed seinen Einzug in die unterworfene Stadt und verrichtete am Altar [* 6] der Sophienkirche, welche nun Hauptmoschee wurde, sein Dankgebet. Darauf ließ er alle Würdenträger des byzantinischen Reichs zusammentreiben und niederstoßen. Die Stadt ward nun neu aufgebaut, die Befestigungswerke sowie das Schloß der sieben Türme wurden wiederhergestellt, und Konstantinopel bildete fortan die Haupt- und Residenzstadt des osmanischen Reichs.
Die wichtigern Ereignisse, welche seit jener Zeit die Geschichte Konstantinopels bietet, sind: Mai 1540 Friede zwischen der Pforte einerseits und Venedig, [* 7] Spanien [* 8] und dem Papst anderseits;
Friede zwischen Rußland und der Türkei; [* 9]
Allianztraktat Preußens [* 10] mit der Pforte gegen Rußlands und Österreichs Eroberungspläne in Beziehung auf die Türkei, der aber ohne Folgen blieb.
An den in Konstantinopel wohnenden Griechen wurden 1821 große Greuel von den Türken verübt und unter andern der griechische Patriarch gehenkt. Der große Aufstand der Janitscharen von 1826 hatte die Vernichtung derselben zur Folge. Durch Erdbeben [* 11] litt die Stadt zu verschiedenen Malen sowie durch große Feuersbrünste, namentlich 1714, 1755, 1808, wo die Paläste des Sultans mit verzehrt wurden, und 1826, wo gegen 6000 Häuser nebst den Palästen der Großbeamten und der europäischen Gesandten niederbrannten.
Ende Dezember 1853 alarmierten die Softas (Studenten, Schüler der Ulemas) die Stadt wegen der vom Sultan den Westmächten gemachten Zugeständnisse. Nachdem zu Konstantinopel der Allianzvertrag zwischen England, Frankreich und der Pforte abgeschlossen worden, landeten im April die Truppen der Westmächte am Goldenen Horn, und 14. Juni ward in Konstantinopel die Konvention unterzeichnet, welche Österreich [* 12] die Besetzung der Donaufürstentümer gestattete. Im Mai 1876 brach ein neuer Aufstand der Softas aus, welcher den Sturz des Großwesirs Mahmud Nedim Pascha zur Folge hatte. Im Winter 1876/77 tagte eine Konferenz der Großmächte zur Lösung der orientalischen Frage in Konstantinopel, welche aber erfolglos blieb. Im Februar 1878 drangen die Russen bis dicht vor Konstantinopel vor und schlossen vor ihren Thoren den Frieden von San Stefano (3. März), nachdem die Türken rasch die Linien von Tschadschaldscha befestigt hatten und englische Panzerschiffe [* 13] zum Schutz der Stadt herbeigeeilt waren.
Vgl. Dalaway, Constantinople ancient and modern (Lond. 1797);
v. Hammer, [* 14] Konstantinopel und der Bosporus (Pest 1822, 2 Bde.);
Walsh, Konstantinopel und seine Umgebungen (a. d. Engl., Leipz. 1841);
Skarlatos Byzantios, Konstantinopolis (Athen [* 15] 1851-62, 3 Bde.);
Tchihatchef, Le [* 16] Bosphore et Constantinople (2. Aufl., Par. 1865);
Dethier, Der Bosphor und Konstantinopel (Wien [* 17] 1873);
v. Schwegel, Volkswirtschaftliche Studien über Konstantinopel (das. 1873);
Jerningham, To and from Constantinople (Lond. 1873);
»Stambul und das moderne Türkentum«, von einem Osmanen (Leipz. 1877-78, 2 Bde.);
Brodribb und Beasant, Constantinople, a sketch of its history (bis 1453, Lond. 1878);
»Neue volkswirtschaftliche Studien über Konstantinopel und das anliegende Gebiet«, herausgegeben vom Orientalischen Museum (Wien 1882);
De Amicis, Konstantinopel (a. d. Ital., Rostock [* 18] 1884);
Mordtmann, Führer von Konstantinopel (Konst. 1881);
Leonhardi, Konstantinopel und Umgebung (Zürich [* 19] 1885);
»Meyers Reisebücher: Der Orient«, Bd. 2 (2. Aufl., Leipz. 1887).