besonders wo eine
Kollision der
Pflichten eintritt, zur Beruhigung des
Gewissens entschieden werden sollten. Die ersten
Spuren
der Kasuistik, von
Kant die
»Dialektik des
Gewissens« genannt, finden sich bei den
Stoikern und den Talmudisten. Im
Mittelalter teilte
man die Kasuistik, welche
Zweifel und Bedenklichkeiten über den
Glauben sowie dieFrage nach der Pflichtmäßigkeit
oder Pflichtwidrigkeit gewisser
Handlungen zu lösen suchte, in drei Teile: eine philosophische Kasuistik, welche nach den Moralgesetzen
der
Vernunft unter streitenden
Pflichten für die höchste und unerläßlichste entschied, eine theologische oder religiöse
Kasuistik, welche die kirchliche
Sittenlehre als göttliches
Gesetz zu
Grunde legte, und eine juristische Kasuistik, welche
(im
Gegensatz zur dogmatischen
Methode) nach den im
Staat gültigen Rechtsgesetzen entschied, indem sie die nach der verschiedenen
Beschaffenheit der Umstände modifizierte Anwendung derselben zu ermitteln suchte. Die bekannteste der kasuistischen
Schriften des
Mittelalters ist die »Summa« des
Raimundus de Pennaforte. Besonders galten die
Jesuiten als eifrige Kasuisten;
Escobar,
Sanchez, Busembaum u. a. stellten schwierige
Kollisionsfälle auf und erteilten für dieselben
spitzfindig ausgesonnene Ratschläge, welche nicht immer mit dem
Sittengesetz harmonierten.
(lat. casus),
Fall, Ereignis,
Zufall; besonders
Fall in grammatischer Beziehung: Beugungsfall eines deklinierbaren
Wortes. Wie alle grammatischen
Kunstausdrücke, ist auch das lateinische casus die Übersetzung eines griechischen
Originalwortes, nämlich ptosis
(»Fall«),
das
Aristoteles einführte, der darunter aber noch ganz allgemein alle abgeleiteten
Formen im
Gegensatz zur Grundform verstand, daher z. B. auch die
Zeiten des
Verbums oder sämtliche von einer
Wurzel
[* 1] abgeleitete
Wörter bei ihm unter diese
Kategorie fallen. Erst die
Stoiker schränkten denBegriff des auf die Abwandlung
der
Hauptwörter ein. Auch die Unterscheidung zwischen dem
Nominativ als »geradem Kasus« oder casus rectus und den übrigen
als »schiefen Kasus« oder casus obliqui haben schon die
Stoiker aufgestellt, wobei entweder das
Bild eines bald aufrecht stehenden,
bald sich zurückbeugenden Ringers, oder die verschiedene
Neigung eines auf einer
Ebene stehenden
Stiftes
auf dieselbe maßgebend war.
Diese
Ausdrücke und die alten
Namen der einzelnen Kasus sind von der modernen
Grammatik beibehalten, im übrigen ist aber die
ganze Auffassung von dem
Wesen,
Gebrauch und der Anzahl der Kasus durch die
Entdeckungen der vergleichenden Sprachforschung (s.
Sprache
[* 2] und Sprachwissenschaft) wesentlich umgestaltet worden. Namentlich hat sich herausgestellt, daß
die meisten
Sprachen eine viel größere Anzahl von Kasus besessen haben müssen als
Latein und
Griechisch, und daß auch im Indogermanischen
(s.
Indogermanen) ursprünglich acht Kasus existiert haben müssen, die im
Sanskrit und
Zend noch insgesamt erhalten sind, nämlich:
der das
Hauptwort nennt, seinen
Begriff bezeichnet, deutsch Werfall;
2)
Genitiv oder Genetiv (»Erzeugungskasus«, eine falsche lateinische Übersetzung
des griechischen Originalausdrucks genike, »allgemeiner Kasus«),
der die
Gattung oder das Gattungsmäßige im
Gegensatz zum Einzelnen,
Besondern ausdrückt, deutsch Wessenfall;
3)
Dativ (wörtlich der »Gebekasus«, weil man sagt: »ich gebe dir«, lat.
do tibi),
deutsch Wemfall;
4)
Akkusativ (eigentlich »Anklagekasus«, wieder eine ungeschickte Übersetzung
des entsprechenden griechischen
Ausdrucks aitiatike,
der den vierten Kasus ganz passend als den bei den Verben des Verursachens
stehenden Kasus bezeichnet), deutsch Wenfall;
5)
Vokativ, deutsch Ausrufkasus, streng genommen gar kein Kasus, sondern ursprünglich nur die
nackte Stammform des
Hauptwortes, die als Ausruf außer aller Beziehung zum
Satz steht (im
Griechischen und
Latein fällt jedoch
seiner Form nach der
Vokativ vielfach, in den neuern
Sprachen immer mit dem
Nominativ zusammen). Die bisher genannten Kasus sind
auch dem
Griechischen und
Deutschen eigentümlich, dagegen kommt 6) derAblativ (wörtlich »Nehmekasus«)
außer dem
Sanskrit und
Zend nur dem
Latein zu. Er drückt außer dem
Begriff der Beraubung auch den des Entfernens aus und steht
im allgemeinen auf die
Frage: woher? Wie dem
Griechischen und
Deutschen, gehen auch dem
Latein ab 7) der
Instrumentalis und 8)
der
Lokativ, die sich nur im
Sanskrit und
Zend vollständig erhalten haben.
Ersterer steht auf die
Frage: womit? letzterer auf die
Frage: wo? Überreste von den drei zuletzt genannten Kasus haben sich indessen
in allen indogermanischen
Sprachen erhalten, namentlich in Gestalt von Adverbien, und ferner sind ihre Bedeutungen nicht verschwunden,
sondern auf die übrigen Kasus übergegangen. Auf diese
Weise sind in den meisten europäischen
Sprachen sogen.
Mischkasus entstanden, und zwar hat im
Deutschen der
Genitiv die Bedeutungen des
Ablativs, der
Dativ die des
Instrumentalis, des
Lokativs und teilweise auch die des
Ablativs mit übernommen; ebenso sind die lateinischen und griechischen Kasus teilweise als
Mischkasus anzusehen, und es erklärt sich so ein großer Teil der Bedeutungen der in diesen
Sprachen.
Welche Bedeutungen haben aber der
Genitiv,
Dativ und
Akkusativ da, wo keine Einwirkung der übrigen, verloren gegangenen auf
sie anzunehmen ist? Offenbar haben sie viel allgemeinere Bedeutungen als letztere, und zwar bezeichnet der
Akkusativ das direkte
Objekt eines
Verbums und steht insofern in direktem
Gegensatz zum
Nominativ, der das
Subjekt ausdrückt;
doch steht der
Akkusativ außerdem auf die
Fragen: wie lange? wie breit? wie lang? und ähnliche, in denen das
Verhältnis des
Hauptwortes zum
Zeitwort viel unbestimmter gelassen ist.
Der
Dativ ist der Kasus des indirekten, entferntern
Objekts, steht aber hier und da, namentlich in
Verbindung
mit
Präpositionen, auch auf die
Frage: wohin? Der
Genitiv ist der »adnominale« Kasus, d. h.
er wird von
Haus aus und vornehmlich in
Verbindung mit einem
Hauptwort gebraucht, um die Zusammengehörigkeit mit demselben
auszudrücken, z. B. das
Haus des
Vaters, der Sohn des
Vaters;
viel seltener steht er bei Verben, und man
kann in solchen
Fällen regelmäßig ein
Hauptwort dazu ergänzen, z. B.
Hungers sterben, s. v. w. den
Tod des
Hungers sterben.
Was die Form der Kasus betrifft, so werden sie in allen
Sprachen durch angehängte Endungen, die Kasusendungen, bezeichnet, von
denen sich in manchen
Fällen noch nachweisen läßt, daß sie einstmals selbständige
Wörter waren. Auf spätern Sprachstufen
fallen diese Endungen häufig ab, und die Kasus werden dann entweder durch
Artikel und andre selbständige
Wörter (der
Frau, de
la femme) oder bloß durch die Wortstellung
(Karl sah mich; ich sahKarl) ausgedrückt.
LetztereMethode
findet sich auch im
Chinesischen und andern
Sprachen.
(Kacyapa), in der ind.
SageName eines spruch- und zauberkundigen
Weisen, kommt in der
Sage von Paraçu-Kâma,
der sechsten
Inkarnation des
Wischnu (s. d.), vor. Nachdem die
¶