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welche Geschoß, [* 1] Ladung und Zündung verbindet, ist Dreyses Verdienst. Derselbe legte 1829 der preußischen Regierung ein Zündnadelgewehr vor, das ein glatter Vorderlader mit Rundkugel und Einheitspatrone unter Anwendung eines Zündspiegels war. 1836 trat er mit seinem Hinterladungs-Zündnadelgewehr hervor, das 1841 in Preußen [* 2] eingeführt wurde und durch seine Erfolge im Krieg Preußens [* 3] gegen Österreich [* 4] 1866 eine vollständige Umwälzung in der Bewaffnung aller Armeen hervorrief. Wenn dieses Gewehr auch bei seinem großen Kaliber von 15,43 mm, dessen Nachteile durch den sinnreichen Notbehelf der Spiegelführung, um ein Geschoß (das Langblei, s. Geschoß, S. 214) von 13,6 mm größtem Durchmesser schießen zu können, nicht beseitigt werden konnten, in ballistischer Beziehung den gezogenen Vorderladungsgewehren nicht überlegen war, so bekundete es doch durch die Hinterladung einen taktischen Fortschritt von so eminenter Bedeutung, daß kein Staat sich gegen denselben mehr verschließen konnte. In kurzer Zeit traten zahllose Konstruktionen von Hinterladungsgewehren auf, die jahrelange Versuche zur Folge hatten.
Die Gewehrfrage gliederte sich nach drei Hauptrichtungen: in die Konstruktion des Laufs, der Hinterladung und der Munition. Als die Versuche 1866 begannen, wurde bald erkannt, daß bis zu ihrem Abschluß Jahre vergehen müßten, wollte man nicht durch voreiligen Entschluß dem Staat unnützerweise ungeheure Geldopfer auferlegen. Aus militärisch-politischen Rücksichten war es aber unzulässig, die bisherigen gezogenen Vorderladungsgewehre bis dahin unverändert beizubehalten, und man griff deshalb zu dem Aushilfsmittel, diese Gewehre vorläufig in Hinterlader umzuändern, und sie erst später durch Gewehre einer Neukonstruktion zu ersetzen. Hieraus gingen eine Anzahl sogen. Transformationsverschlüsse hervor. Von diesen unabhängig wurden die Neukonstruktionen verfolgt. Während jene den alten Lauf von 14-18 mm Kaliber behielten, wurde für diese ein solcher von 10-11,5 mm festgesetzt, ebenso der Ladungsquotient von ¼-⅕, weshalb sich jene Gewehre in ihrer ballistischen Leistung nahezu gleichen.
Die ersten Neukonstruktionen der Hinterladungsverschlüsse waren unvollkommen, weil sie noch nicht die Einheitspatrone zur Grundlage hatten und meist eines besondern Dichtungsmittels am Patronenboden bedurften. Es sind dies die Systeme von Westley-Richard, Green, Benjamin, Mont-Storm etc., deren Patrone eine Papierhülse und Filzplatte am Boden hat. Die Entzündung erfolgt durch Perkussionsschloß mit Zündhütchen. Diese Konstruktionen gestatten kein wesentlich schnelleres Feuern als die Vorderlader und sind daher wenig zur Anwendung gekommen.
Die Lebensfähigkeit des Hinterladungsgewehrs wurde erst ermöglicht durch die Anwendung der Einheitspatrone u. die metallische Dichtung des Verschlusses. Den Amerikanern gebührt das Verdienst, die Metallpatronenhülsen erfunden zu haben, deren überstehender Bodenrand die Dichtung des Verschlusses, unabhängig von dem mechanischen Konstruktionssystem, bewirkt, während er es gleichzeitig ermöglicht, die abgefeuerte Hülse [* 5] aus dem Lager [* 6] herausziehen zu können. Die amerikanischen Patronenhülsen waren ursprünglich aus dünnem Kupferblech mit hohlem Boden (Textfig. 6) geprägt, welcher ein Knallpräparat als Zündsatz enthielt. Die englischen (Boxer-) Patronen (Textfig. 7) waren aus gewalztem Messingblech gerollt, mit Papier überklebt und in einer Bodenkappe mit eiserner Bodenplatte befestigt, in deren Mitte das Zündhütchen saß.
Hieraus haben sich die heutigen Patronenhülsen entwickelt, die aus
Messingblech gezogen sind und am offenen Ende eine
Verengerung
als Geschoßraum haben (Textfig. 8). Durch den
Boden der Zündglocke, in welche das
Zündhütchen eingepreßt ist, gehen ein
oder
mehrere
Löcher, durch welche sich das
Feuer des
Zündhütchens der Pulverladung mitteilt. Auf dem
Boden der Zündglocke erhebt sich ein abgerundeter
Kegel, der
Amboß, gegen welchen das
Zündhütchen durch den Schlagbolzen
getrieben und zur
Explosion gebracht wird.
Das Geschoß, meist aus Weichblei, in England und Frankreich aus Hartblei, ist am untern cylindrischen Teil mit Papier umwickelt, wodurch dem leichten Verbleien der Züge vorgebeugt wird. Geschoß u. Ladung werden durch einen zwischen zwei Kartonblättchen liegenden Wachspfropfen getrennt, der zur Reinhaltung des Rohrs dient und verhüten soll, daß das Geschoß beim Eintreten in die Züge von Pulvergasen umspielt wird. Dem Konstruktionssystem nach unterscheidet man:
1)
Scharnier- oder Klappenver
schlüsse, 2) Blockverschlüsse, 3)
Cylinder- oder
Kolbenverschlüsse, 4)
den Wellenverschluß.
Haben die
Gewehre noch ein zur
Aufnahme von 7-13
Patronen dienendes
Magazin, so werden sie
Magazin- oder
Repetiergewehre, auch
Mehrlader, gegenüber den Einladern, genannt, die solche Einrichtung nicht besitzen.
1) Die
Scharnier- oder Klappenver
schlüsse. Die
Erfahrungen des dänischen
Kriegs veranlaßten
England zur Umwandlung des
Enfield-
(Vorderlade-)
Gewehrs in einen
Hinterlader nach dem
System Snider, welchem das in
Frankreich mit geringer
Abänderung nachgebildete
System
à la tabatière entspricht, das auf Tafel I,
[* 7]
Fig. 1 u. 2, dargestellt
ist. Das
Gewehr wird durch eine nach der rechten Seite zu öffnende
Klappe geschlossen, durch welche schräg ein Schlagstift
geht, auf dessen
Kopf ein
Hahn
[* 8] schlägt.
Das
Ausziehen der Patronenhülse ist sehr mangelhaft; das
Einsetzen der
Patrone muß sehr sorgfältig mit der
Hand
[* 9] geschehen.
Von ähnlicher
Konstruktion mit nach links zu öffnender
Klappe ist das
System Krnka (Rußland). In technischer Beziehung vollkommener
sind die Scharnier
verschlüsse mit nach vorn zu öffnender
Klappe. Das Verschlußstück ist um ein auf
dem
Lauf, senkrecht zu seiner
Achse sitzendes
Scharnier drehbar, nach vorn aufzuklappen; durch dasselbe geht der Schlagstift,
auf welchen ein
Hahn schlägt.
Die verschiedenen Systeme unterscheiden sich im wesentlichen durch die Art der Festhaltung des Verschlußstücks in der Kammer zur Verhütung des selbstthätigen Aufschlages beim Schießen. [* 10] Beim System Milbank-Amsler dient hierzu ein Schließkeil, beim System Wänzl (Österreich) wird beim Abfeuern durch den Hahn selbst ein Keil in das Verschlußstück geschoben (Tafel II, [* 7] Fig. 3). Ähnlich ist das System Albini-Brändlin, nach dem Belgien [* 11] transformiert
[* 7] ^[Abb.: Fig. 6. Peabody-Patrone.
Fig. 7. Boxer-Patrone.