Die in Form eines
Dreiecks erbaute Stadt hat einen
Durchmesser von fast 4 km und umschließt in ihrem 11 km
weiten
Umfang zahlreiche
Gärten,
Wiesen,
Teiche und
Promenaden. Sie hat enge, finstere
Gassen und noch zahlreiche gotische Giebelhäuser
sowie einzelne altertümliche Gebäude mit
Böschungsmauern, Vorsprüngen und
Schießscharten; aber sie hat auch freundliche,
neue
Straßen, moderne
Paläste und schöne
Kais. Unter den
Plätzen ist der von altertümlichen Gebäuden
umgebene Freitagsmarkt, an welchem die
»Dulle Griete«, eine ungeheure, 5,8 m lange, 3,3 m im
Umfang messende eiserne
Kanone aus dem 15. Jahrh., liegt, der für die Genter Geschichte bedeutsamste Platz (seit 1863 mit
dem kolossalen Standbild
Jacob van
Arteveldes von Devigne-Quyo geschmückt), der sogen. Kouter, der als
Paradeplatz und Blumenmarkt dient, der regelmäßigste.
Auf jenem fanden zur Zeit des
HerzogsAlba
[* 7] und der
Inquisition unzählige
Hinrichtungen statt; an letzterm wohnten die
Maler van
Eyck und unweit davon
Jacob van
Artevelde. Die beste Übersicht über die Stadt bietet der fast in der Mitte
derselben stehende Belfried (1183-1339 gebaut), der 118 m
Höhe hat, obschon er nur in zwei Dritteilen ausgebaut ist. Auf
seiner gußeisernen, 36 m hohen, 1854 erneuten
Spitze schwebt als
Wetterfahne ein über 3 m langer vergoldeter
Drache,
[* 8] der sich
ehedem auf der
Sophienkirche in
Konstantinopel
[* 9] befand und 1204 nach der
Eroberung dieser Stadt durch die
Kreuzfahrer von
Balduin IX. nach Gent geschickt wurde. In diesem Belfried hing auch der berühmte
Roland, eine mächtige
Glocke,
welche
Karl V. nach der
Einnahme der Stadt entfernte.
Gegenwärtig enthält der
Turm
[* 10] (auf dem auch ein
Glockenspiel von 44
Glocken) das städtische Gefängnis,
den
»Mammelocker«. Neben dem Belfried steht die ehemalige Tuchhalle (1325
erbaut). Von der alten
Citadelle (het Spanjaerds Kasteel), innerhalb deren die St. Bavoabtei lag, stehen nur noch Trümmer
der achteckigen, im 12. Jahrh. erbauten St. Machariuskapelle; eine neue, 1822-30 angelegte
Citadelle liegt auf dem Blandinusberg, dem einzigen
Hügel in der Gegend, im W. der Stadt und beherrscht
den
Lauf der
Schelde und der
Lys. Die ehemaligen
Wälle sind in Spaziergänge umgewandelt.
Unter den
Kirchen der Stadt, deren Gesamtzahl auf 55 angegeben wird, steht obenan die
Kathedrale zu St.
Bavo, die in ihrem Äußern
schwerfällig, in dem mit
Marmor bekleideten Innern aber eine der prächtigsten
KirchenBelgiens ist. Die
Krypte oder unterirdische
Kirche ist aus dem Jahr 941, das
Chor von 1274-1300. Die 24
Kapellen der Seitenschiffe und die spätgotischen
des
Chors enthalten viele ausgezeichnete und berühmte Gemälde, z. B.
Johann und
Hubert van
EycksAnbetung des
Lammes (ursprünglich
aus 13 Tafeln bestehend, wovon sich noch 4 dort, 6 im
Berliner
[* 11]
Museum, 2 im
BrüsselerMuseum befinden).
Neben der
Kathedrale steht der bischöfliche
Palast. Die St. Nikolaikirche am Kornmarkt, dem belebtesten Platz Gents, ist unter
den Kirchengebäuden das älteste, in ihrem jetzigen
Bau frühgotisch. Ebenfalls gotisch ist die St. Michaeliskirche, aus
dem 15. Jahrh., mit unvollendetem
Turm. Auf dem Blandinusberg, neben der erwähnten neuen
Citadelle, steht
die im Anfang des 18. Jahrh. erneuerte St.
Peterskirche mit vielen ausgezeichneten Gemälden, während von der alten
Abtei
zu St.
Peter ein Teil als
Kaserne (für 4000 Mann) dient.
Unter den weltlichen Gebäuden zeichnet sich besonders das
Rathaus aus, das unweit des Belfrieds steht
und nur durch das gotische
Haus der Schützengilde (von 1325) davon getrennt ist. Seine nördliche
Fronte (1481-1533 nach den
Plänen von D. van Waghenmakere und Keldermans im Flamboyantstil erbaut, 1829 restauriert) ist vielleicht das an
Verzierungen
reichste und reizendste gotische ArchitekturstückBelgiens; der östlichen
Fronte (zwischen 1595 und 1628 aufgeführt)
mit drei
ReihenHalbsäulen soll der
PalazzoCornaro in
Venedig
[* 12] zum Vorbild gedient haben. Im Thronsaal des
Rathauses wurde 1576 die
Pazifikation von Gent unterzeichnet.
Auf der andern Seite des Belfrieds steht der Universitätspalast, von Roelandt 1818 in antikem
Stil erbaut. Auch
der 1844 von Roelandt erbaute Justizpalast mit einem Peristyl korinthischer
Ordnung ist ein Prachtgebäude; in den untern
Räumen desselben befindet sich die
Börse. Gegenüber steht das 1848 erbaute schöne Schauspielhaus, ebenfalls ein
Bau Roelandts.
Merkwürdig ist ferner der 1234 gegründete und noch bestehende Beghinenhof (Beggynhof) am
BrüggerThor: eine kleine
Stadt von 103
Häuschen, 18
Konventen und 2
Kirchen, mit
Mauer und
Graben umgeben und von gegen 700
Beghinen bewohnt, deren
Zweck
religiöses
Leben und Übung der
Barmherzigkeit ist, und deren Beschäftigung größtenteils in Spitzenklöppeln besteht. Eigentliche
Klöster zählt Gent 21 (7
Mönchs- und 14 Frauenklöster). An der
Promenade de la Coupure (Verbindungskanal
zwischen dem
BrüggerKanal
[* 13] und der
Lys) steht das 1825 vollendete
Rasp- oder
Zuchthaus, ein
Achteck mit 9 innern
Höfen und
Raum
für 2600 Sträflinge. Ein neues Zellengefängnis mit
Raum für 368 Gefangene steht vor dem
Brügger