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Gemäßheit ihrer eignen Gesetze zu ordnen oder sogar (wie in Preußen) [* 1] der Verwaltung freien Spielraum zu lassen, Strafen von gleicher Dauer in Einzelhaft oder in Gemeinschaft zu vollstrecken. In Holland bestimmte das Gesetz, daß ein Jahr Einzelhaft gleichzurechnen sei einer zweijährigen Gemeinschaftshaft, und auch in andern Staaten hat die Verbüßung einer Strafe in Einzelhaft im Vergleich zur Gemeinschaftshaft eine Abkürzung der Strafdauer zur Folge. Der Grundgedanke, daß Einzelhaft durchschnittlich schwerer zu ertragen ist als Gemeinschaftshaft, hat auch darin seinen Ausdruck gefunden, daß in Deutschland [* 2] die Isolierung gegen den Willen der Gefangenen nicht über drei Jahre hinaus ausgedehnt werden soll.
Neben der Anwendung der Einzelhaft stellt das Reichsstrafgesetz die ihr durchaus entgegenstehende Arbeit der Gefangenen im Freien gleichfalls dem Belieben der Strafanstaltsverwaltungen anheim. Auch ist die bedingte Freilassung bei den ein Jahr übersteigenden Strafzeiten zugelassen. Somit enthält das deutsche Strafgesetzbuch sämtliche Bestandteile, aus denen in organischer Verbindung sich das progressive System herstellen lassen würde. Zu den Vorzügen dieses Systems gehört auch die verhältnismäßig größere Billigkeit.
Wenn auch die Kostenfrage nicht allein den Ausschlag geben soll, so ist man bei beschränkten Mitteln doch genötigt, auf dieselbe Rücksicht zu nehmen. Insbesondere aber wird man unter sonst gleichen Umständen sich für das billigste System zu entscheiden haben. Bis jetzt hat sich zwar die Einzelhaft leistungsfähiger erwiesen als die alte Gemeinschaftshaft, keineswegs aber hat sie sich besser bewährt als das irische System; sogar das Auburnsche System hat in einzelnen kleinen Anstalten (in St. Jakob bei St. Gallen) achtungswerte Ergebnisse geliefert.
Belgien und Luxemburg

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Belgien.Der Vergleich auf der Basis der Rückfälligkeitsstatistik ist für die verschiedenen Haftsysteme noch ein sehr unsicherer. Es gibt kein Haftsystem, welches alle Verbrecher zu bessern vermag. Auch unter den günstigsten Verhältnissen wird ein Prozentsatz Unverbesserlicher übrigbleiben. Zu festern Ergebnissen wird die Gefängniswissenschaft erst dann gelangen, wenn sie auf statistischer Grundlage die Rückfälligkeitszahlen einer und derselben Verbrecherklasse vergleicht und diejenigen Verbrechergattungen ausscheidet, welche vorwiegend als das Produkt des von Zufälligkeiten und besondern Gelegenheiten beherrschten Verbrecherwillens erscheinen. Während andre Länder, wie Frankreich, England, Belgien, [* 3] Holland und Italien, [* 4] in bestimmten Zeitfristen statistische Ausweise über ihr Gefängniswesen veröffentlichen, fehlt es bis jetzt in Deutschland leider an einer planmäßig angelegten Straf- und Gefängnisstatistik.
Litteratur: Julius, Vorlesungen über die Gefängniskunde (Berl. 1828);
Mittermaier, Die Gefängnisverbesserung (Erlang. 1858);
v. Holtzendorff, Das irische Gefängniswesen, insbesondere die Zwischenanstalten (Leipz. 1859);
van der Brugghen, Études sur le système pénitentiaire irlandais (Berl. 1864);
Füeßlin, Die Grundbedingungen der Gefängnisreform im Sinne der Einzelhaft (Leipz. 1865);
Derselbe, Die Einzelhaft (Heidelb. 1855);
v. Valentini, Das Verbrechertum im preußischen Staat (Leipz. 1869);
Bruun, Die Vollziehung der Strafarbeit (a. d. Dän. von Elvers, Heidelb. 1870);
Bähr, Die Gefängnisse in hygieinischer Beziehung (Berl. 1871);
Beltrani-Scalia, Sul governo e sulla riforma delle carceri (Turin [* 5] 1867);
Dalcke und Genzmer, Handbuch der Strafvollstreckung und Gefängnisverwaltung in Preußen (Berl. 1881);
Starke, Das belgische Gefängniswesen (das. 1877);
Wines, State of prisons etc. in the civilized world (Cambridge i. Massach. 1880);
»Handbuch des Gefängniswesens in Einzelbeiträgen« (hrsg. von Holtzendorff und v. Jagemann, Hamb. 1886 ff.);
»Blätter für Gefängniskunde« (hrsg. von Ekert, Heidelb., seit 1864);
»Vereinshefte des Nordwestdeutschen Verbandes für Gefängniswesen« (Oldenb. 1878);
»Allgemeine deutsche Strafrechtszeitung« (Leipz. 1861-73) und die Verhandlungen der internationalen Kongresse für Gefängniswesen, seit 1872; »Rivista delle discipline carcerarie« (hrsg. von Beltrani-Scalia, Turin u. Rom, [* 6] seit 1871);
»Bulletin de la Société générale des prisons« (Par., seit 1877).