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Madame de Lavallière, berief, welcher nach glücklicher Vollziehung seines Auftrags zum ersten Geburtshelfer des Hofs ernannt wurde, trug nicht wenig dazu bei, diese Kunst in Aufnahme zu bringen. In Deutschland [* 1] entwickelte sich die Geburtshilfe nur langsam; es blieb fast alles den Hebammen überlassen, welche nur in sehr gefährlichen Fällen Wundärzte hinzuriefen. Notdürftig wurde durch Hebammenbücher für den Unterricht der erstern gesorgt. Zu nennen sind: Welsch' »Hebammenbuch«, aus dem Italienischen des Scipione Mercurio (Leipz. 1653),
und Völlters »Neueröffnete Hebammenschule« (1679). Unter den Hebammen erlangte Just. Siegmundin (1690), die brandenburgische Hofwehmutter, den bedeutendsten Ruf. Sie war die erste, welche sich der sogen. Wendungsstäbchen zur Anlegung der Fußschlinge bediente. Einen würdigen Schlußstein dieser Periode bildet der Holländer van Deventer, der Verfasser der »Morgenröte der Hebammen« (Leid. 1696) und des »Neuen Hebammenlichts« (das. 1701). Letzteres Werk ist das erste wissenschaftliche Buch über Geburtshilfe Vortrefflich ist die von ihm abgehandelte Beckenlehre, worin er seinen Vorgängern durch richtige Auffassung und praktische Bemerkungen weit vorgeschritten ist; er suchte ferner den Gebrauch der mörderischen zur Zerstückelung des Kindes benutzten Instrumente zu vermindern und erwarb sich große Verdienste um die weitere Verbreitung der Wendung auf die Füße. Im J. 1723 erfand Palfyn in Gent [* 2] ein Instrument zur Lösung des eingekeilten Kopfes; hiermit war die Bahn gebrochen, denn wenngleich das Palfynsche Instrument noch an großen Mängeln litt, so konnten doch Verbesserungen desselben nicht ausbleiben. Bald trat nun auch der Engländer Chapman (1735) mit seiner Zange [* 3] hervor, und somit verbreitete sich von zwei Ländern aus dieses Instrument, welches eine große Umgestaltung der ganzen praktischen Geburtshilfe hervorbrachte. In Frankreich suchte Levret (gest. 1780) die Geburtszange [* 4] (s. d.) zu verbessern, indem er ihr eine zweckmäßigere Form gab und für ihre Anwendung bestimmtere Regeln aufstellte, als es bisher geschehen war; auch schrieb er in einem ausführlichen Werk über die Ursachen und Zufälle verschiedener schwerer Geburten und gab eine Menge geburtshilflicher Instrumente an. Er bildete viele Schüler im In- und Ausland, und von ihm an datiert die rasche Entwickelung der Geburtshilfe als Wissenschaft in Frankreich. Solayrés de Renhac stellte in seiner Abhandlung »De partu viribus maternis absoluto« (Par. 1771) dynamische und mechanische Regeln, nach welchen die Natur bei der Geburt verfährt, auf das treffendste und so wahrheitsgetreu dar, daß Spätere ihn hierin kaum übertrafen. In England fing die Geburtshilfe erst in der Mitte des 18. Jahrh. an, sich auf eine ausgezeichnete Art durch Smellie (gest. 1763) zu entwickeln, welcher durch seine Schriften für ihre Vervollkommnung in England wirkte. Er lehrte die Art und Weise, wie das Kind bei einer natürlichen Geburt vorrücke, verbesserte die Geburtszange, erläuterte deren Anwendung und gab zu diesem Behuf außer seinen Lehrbüchern ein großes Kupferwerk heraus.
Die künstliche Frühgeburt wurde von englischen Geburtshelfern in der Mitte des 18. Jahrh. zuerst in Vorschlag gebracht und ausgeführt, um bei engem Becken Kaiserschnitt und Perforation zu vermeiden und so Mutter und Kind am Leben zu erhalten. In Deutschland begann die Geburtshilfe erst nach der Mitte des 18. Jahrh. eine bessere Gestalt zu gewinnen. Wenngleich Böhmer (1647) die Zange und ihre Anwendung in seinem Vaterland bekannt machte, so behielten doch noch Perforation und Zerstückelung des Kindes in schwierigen Fällen die Oberhand. Erst durch Röderer bekam die in Deutschland eine gediegenere Richtung. Sein Schüler Stein (gest. 1803) verpflanzte Levrets Grundsätze auf deutschen Boden, gab zur Ausmessung des Beckens besondere Instrumente an, suchte über die Wendung klare und richtige Ansichten festzustellen und bemühte sich, die richtige Anwendung der (Levretschen) Zange unter seinen Landsleuten zu verbreiten.
Einflußreich waren die Lehren [* 5] des Dänen Saxtorph (gest. 1801), der in einer klassischen Schrift: »De diverso partu ob diversam capitis ad pelvim relationem mutuam« (Hannov. 1772), den natürlichen Geburtshergang bei Kopflagen beschrieb und in spätern Schriften sich besonders um die Operationen der Wendung und mit der Zange verdient machte. Von dem größten Einfluß auf die Geburtshilfe sind die in diesem Jahrhundert errichteten Lehranstalten und Entbindungshäuser geworden. In Frankreich wurde das Hôtel-Dieu auch als Lehranstalt für in Paris [* 6] eingerichtet, allein nur Hebammen durften diese treffliche Gelegenheit benutzen, während bei der 1728 in Straßburg [* 7] errichteten Entbindungsanstalt auch Studierende zugelassen wurden. In Großbritannien [* 8] wurden zwar Entbindungshäuser, in Dublin [* 9] 1745, in London [* 10] 1739, errichtet; allein eine eigne Lehranstalt ward erst 1765 mit dem Westminster-lying-in-Hospital unter der Direktion Leakes errichtet, wo Ärzte und Wundärzte zum Unterricht zugelassen wurden. In Deutschland ward von Friedrich II. die erste Hebammenschule zu Berlin [* 11] in der Charitee 1751 nach dem Muster der Straßburger errichtet und der Direktion Meckels übergeben; letzterm folgten Henkel und Hagen [* 12] im Amt nach. In demselben Jahr ward auch in Göttingen [* 13] eine Entbindungsanstalt errichtet, deren Leitung Röderer übernahm. Zu Anfang dieses Jahrhunderts standen sich in Deutschland zwei Schulen gegenüber.
Osiander zeigte, wie weit die sogen. künstliche es bringen konnte, und brachte lediglich mit der Zange und der Wendung den größten Teil der seiner Sorge anvertrauten Geburten zu Ende; Boer dagegen setzte die durch voreiliges Eingreifen der Kunst beeinträchtigte Natur in ihre vollen Rechte ein und ward so der Gründer einer Geburtshilfe, deren wohlthätige Folgen in der neuesten Zeit immer schöner sich zeigen. Im Lauf der ersten Hälfte des gegenwärtigen Jahrhunderts sind allmählich an allen Universitäten geburtshilfliche Institute zum theoretischen und praktischen Unterricht in der Geburtshilfe errichtet worden. In neuester Zeit werden dieselben mit allem erdenklichen Komfort ausgerüstet, sowohl was die Baulichkeiten, die Ventilation, die Zimmereinrichtungen betrifft, als auch namentlich betreffs der Betten, welche bis zu Kunstwerken verfeinert sind, um den äußersten Grad von Sauberkeit zu ermöglichen.
Reinlichkeit ist das Losungswort der modernen Chirurgie und nicht minder der Geburtshilfe, denn die geschickte Leitung des Gebäraktes selbst ist nur die erste Aufgabe des Geburtshelfers, ihr gleich steht an Wichtigkeit die zweite Anforderung: die Behandlung der Wöchnerin. Nur die äußerste, peinlichste Sauberkeit, die sich auf die Ärzte, Hebammen und Wärterinnen erstreckt, und die auf Wäsche, Betten, Instrumente etc. ausgedehnt wird, vermag in völkerreicher Gegend und besonders im Spital die höchst ansteckende Seuche des Wochenbettfiebers zu verhüten. Wenn man aus diesem Gesichtspunkt die Statistik großer Krankenhäuser vergleicht mit den Resultaten früherer Jahre, so wird man in der Geburtshilfe den Segen der neuen Karbolära ohne Scheu mit dem Umschwung, den einst die Einführung ¶