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Während demnach vulkanische und Kuppengebirge durch Neubildungen von Gesteinsmaterial entstehen, türmen sich Massengebirge und Kettengebirge durch eine Ortsveränderung schon vorhandener Gesteine [* 1] auf. Bei Kuppengebirgen ist der Berg das erste, und Berg zum Berge gefügt ergibt das Gebirge; bei Kettengebirgen ist das Gebirge als geschlossenes Ganze das erste, die einzelnen Berge das spätere Resultat einer gliedernden Verwitterung. Glättet man in Gedanken die Falten eines Kettengebirges aus, so muß man das Plus der Erdkruste erhalten, dessen Zusammenschiebung die Bildung des Gebirges veranlaßte.
Für den
Jura beträgt diese Horizontalverrückung etwa 5000-5300 m, für die
Alpen
[* 2] annähernd 120,000 m. Da der heutige Erdumfang
40,023,512 m beträgt, so müßte derselbe
vor der
Bildung der
Alpen 40,143,512 m betragen haben, d. h.
er hätte sich um das 0,003fache oder um nicht ganz ⅓ Proz. verkleinert. Die Kehrseite der Aufwerfung
einzelner Teile der
Erdkruste zu gebirgsbil
denden Falten würde das Einsinken der
Erdkruste an andern
Stellen sein, die
Bildung
von Meeresbecken. Am einfachsten endlich würde die Verringerung des Erdvolumens durch die
Annahme einer fortschreitenden
Abkühlung des Erdkerns erklärt, da das als eruptiv austretende
Material seiner
Menge nach nicht entfernt hinreichen würde,
das Erdinnere und hiermit den Erdumfang um eine so bedeutende
Größe zu verringern, als nach dem Faltenverlauf für
die
Bildung des einzigen Alpengebirges notwendig ist.
Die nebenstehende Abbildung (S. 972) soll zu einer rein schematischen Darstellung der Ansichten Heims dienen. Zwischen der Horizontallinie und der Kontur des Gebirges spielt sich das direkt Beobachtbare ab, während die Falten in ihrem unzugänglichen Teil nach unten, in ihrem abgewitterten Teil nach oben durch punktierte Linien angedeutet sind. Der zentrale Teil A zeigt das Zustandekommen der für die alpinen Massive charakteristischen Fächerstellung der Schichten, R ein System überstürzter Falten, C die Beteiligung jüngerer Schichten, deren Fortsetzung außerhalb des Bildes fällt, während die zur Darstellung gekommene Partie derselben eine durch die Erosion [* 3] vollkommen isolierte Masse bildet.
Denkt man sich das
Band
[* 4] der im
Bild fixierten
Schichten zuerst eben ausgebreitet, das älteste
Material zu unterst, das jüngste
zu oberst und alle
Schichten im ungetrennten Zusammenhang, läßt man dann dieses
Band durch »Horizontalschub« sich stauen,
wobei die Faltungen in immer noch ungetrübtem Zusammenhang (punktierte
Linien) anzunehmen sind, und läßt
man endlich durch
Erosion die Bergkonturen entstehen, welche das
Bild wiedergibt, so hat man die drei
Akte, in welche nach
Heim der
Mechanismus der Gebirgsbildung
[* 5] zerfällt.
Die Einwände, welche gegen Heims Hypothese erhoben worden sind (Stapff, Pfaff, Gümbel u. a.), wenden sich in erster Linie gegen die Voraussetzung eines »latent plastischen Zustandes« der Gesteine bei großer Belastung. So weist Stapff, der Geolog-Ingenieur der Gotthardbahn, darauf hin, daß, wenn Heim für das Eintreten der latenten Plastizität eine Belastung annimmt, welche einer Mächtigkeit von 2000 m überlagernder Schichten entspricht, durch den Gotthardtunnel Tiefen erreicht worden sind (1555 und 1646 m), die hinter der nach Heims Hypothese für das Plastischwerden der Gesteine geforderten nur wenig zurückbleiben.
Trotz dieser Annäherung aber deuten keine Erscheinungen an den Gesteinen in diesen Tiefen auf eine besondere Beschaffenheit hin, die, um ein Weniges gesteigert, etwa als latente Plastizität auszudeuten wäre. Es treten vielmehr an solchen Punkten größter Belastung offene Kristalldrusen und klaffende Wasserspalten auf; wenn anders die Gesteine nur gesund sind, kann in solcher Tiefe der Tunnel [* 6] unvermauert bleiben, ohne ein Eindrücken befürchten zu müssen, und die bekannte Druckstelle des Tunnels liegt nicht etwa unter den höchsten Bergen, [* 7] sondern an einem Punkt, welcher von nur 304 m mächtigen Schichten überlagert wird.
Zudem müßten, die Existenz der von Heim angenommenen Plastizität zugegeben, nach Stapff die Gebirge durch breiartiges Ausweichen ihrer Unterlagen verschwinden. Auch haben Experimente ergeben, daß bei sehr hoher Belastung weit über einen von Heim als Eintrittspunkt der »latenten Plastizität« angenommenen Druck die härtesten Gesteine eben nur zertrümmert werden, nicht aber in einen plastischen Zustand übergehen, und es stimmt damit die Beobachtung, daß sich unter dem Mikroskop [* 8] bei gebogenen Schichten mikroskopische Risse, durch infiltriertes Material später ausgefüllt, nachweisen ließen (Gümbel), welche, übereinstimmend nach einer Seite hin sich keilartig verbreiternd, nicht sowohl eine Biegung der Schichten als vielmehr eine sprungweise Zertrümmerung hervorbringen, welche im Groben allerdings den Eindruck einer Biegung hervorrufen kann.
Trotz aller dieser Einwände bleibt
Heims
Hypothese, nach welcher sich die in genetischer Beziehung als Faltungsgebirge und
als Aufschüttungsgebirge unterscheiden lassen, wenigstens für den
Augenblick die beste, vielleicht unter Aufgabe der
Annahme
einer »latenten
Plastizität« und nur der Unterscheidung einer groben, auch makroskopisch sichtbaren Zertrümmerung
der
Gesteine
(Verwerfung) und einer im
Kleinsten gleichförmig verlaufenden, welche, nur mikroskopisch nachweisbar, dem makroskopischen
Befund nach Biegung genannt werden kann. Nicht die geringste
Stärke
[* 9] der
Hypothese liegt auch in dem Umstand, daß
sie der Gebirgsbildung
den
Charakter des einmaligen, epochenartig verlaufenden Gewaltaktes benimmt, sie vielmehr als einen sich
ununterbrochen über große geologische
Perioden verbreitenden
Akt darstellt, an welchem auch die gegenwärtige geologische
Periode beteiligt ist, wie dies die
Natur gewisser
Erdbeben
[* 10] (der tektonischen) wahrscheinlich macht.
Vgl. Cotta, Der innere Bau der Gebirge (Freiberg [* 11] 1851);
Derselbe, Geologische Fragen (das. 1858);
Süß, Entstehung der Alpen (Wien [* 12] 1875);
Müller, Der Gebirgsbau des Gotthard (das. 1875);
Heim, Untersuchungen über den
Mechanismus der Gebirgsbildung
im Anschluß an die geologische
Monographie der
Tödi-Windgellengruppe (Basel
[* 13] 1878, 2 Bde. mit
Atlas);
[* 14]
Stapff, Zur Mechanik der Schichtenfaltung (Stuttg. 1880);
Pfaff,
Mechanismus der Gebirgsbildung
(Heidelb. 1880).