mehr
verschiedene Gase
[* 1] bei gleichem
Druck und gleicher
Temperatur in gleichen Raumteilen gleich viele
Moleküle enthalten und demnach
die Molekulargewichte gasförmiger
Körper sich verhalten wie ihre spezifischen
Gewichte. Es erklären sich daraus ferner die
Gesetze der
Diffusion
[* 2] (s. d.) und des Ausfließens der Gase
(s.
Ausflußgeschwindigkeit).
Alle diese
Gesetze gelten mit voller Strenge indes
nur für einen idealen, vollkommenen
Gaszustand, in welchem die
Moleküle so weit voneinander entfernt sind, daß zwischen ihnen keine
Anziehung
(Kohäsion) mehr
wirksam ist.
Werden die
Moleküle durch Zusammenpressen oder
Abkühlen des Gases
einander so weit genähert, daß die molekulare
Anziehung
(Kohäsion) sich wieder geltend machen kann, so gehen die in den Zustand der
Dämpfe über (s.
Dampf)
[* 3] und
werden zunächst zu gesättigtem
Dampf, welcher durch weitere Abkühlung oder Zusammenpressung in den flüssigen Zustand übergeht
(Verflüssigung oder
Liquefaktion der Gase
). Die Gase
sind demnach nichts andres als ungesättigte oder »überhitzte«
Dämpfe (s.
Dampf), welche sehr weit von ihrem Sättigungspunkt entfernt sind,
Dämpfe, welche aus
Flüssigkeiten
entstanden sind, deren
Siedepunkt sehr tief liegt.
Schneckenfenster - Sch
![Bild 64.556: Schneckenfenster - Schneeammer [unkorrigiert] Bild 64.556: Schneckenfenster - Schneeammer [unkorrigiert]](/meyers/thumb/64/64_0556.jpeg)
* 4
Schnee.
Manche Gase
sind sehr leicht zur
Flüssigkeit verdichtbar, durch bloße Abkühlung oder auch bei gewöhnlicher
Temperatur durch
verhältnismäßig geringen
Druck. Wird z. B. die gasförmige
schweflige Säure durch eine
Kältemischung aus
Schnee
[* 4] und
Kochsalz
abgekühlt, so verdichtet sie sich zu einer farblosen
Flüssigkeit, welche schon bei 10° unter
Null siedet.
Zur Zusammendrückung der leichter verdichtbaren Gase
bedient man sich des Örstedschen
Kompressionsapparats (s.
Piezometer).
[* 5]
Hierbei nimmt ihr
Druck zuerst nach dem Boyleschen
Gesetz zu. Nähert sich aber das
Gas seinem Sättigungspunkt, so verringert
sich sein Rauminhalt schneller als derjenige der
Luft. So werden bei 0°
Cyan und
schweflige Säure bei
einem
Druck von 3
Atmosphären,
Chlor bei 4,
Ammoniak bei 65
Atmosphären flüssig. Schwerer verdichtbare Gase
werden flüssig gemacht,
indem man sie mittels einer
Kompressionspumpe
(Natterers
Kompressionsapparat) in eine starke, mit
Ventil
[* 6] versehene eiserne
Flasche
[* 7] preßt und gleichzeitig stark abkühlt.
Kohlensäure wird auf diese
Weise bei 38,
Stickstoffoxydul bei 50
Atmosphären
flüssig.
Durch sehr starken
Druck und hohe Kältegrade (bis -110°) war es
Faraday gelungen, die meisten. Gase
zu
Flüssigkeiten zu verdichten;
nur einige wenige, nämlich
Wasserstoff,
Sumpfgas,
Kohlenoxyd,
Stickstoffoxyd,
Stickstoff,
Sauerstoff und daher auch die
aus den beiden letztern Gasen
gemischte atmosphärische
Luft, hatten bis in die neueste Zeit allen dahin gerichteten Bemühungen
widerstanden und daher den
Namen der permanenten (»beständigen«) Gase
erhalten, im
Gegensatz zu jenen koerzibeln (»bezwingbaren«)
Gasen; Colladon hatte dieselben bei -30° C. auf 400
Atmosphären,
Natterer sogar bis auf 3000
Atmosphären zusammengepreßt,
ohne
Verflüssigung zu erzielen.
Wärmeeffekt - Wärmelei

* 8
Wärme.Von diesem widerspenstigen Verhalten gibt die mechanische Wärmetheorie folgende Erklärung. Wärme [* 8] ist nichts andres als Bewegung der kleinsten Körperteilchen oder Moleküle. Die Temperatur, welche wir empfinden oder durch das Thermometer [* 9] messen, entspricht der Energie oder der Wucht dieser Bewegung. Die Energie der Wärmebewegung wirkt der Anziehungskraft (Kohäsion), welche bestrebt ist, die Moleküle eines Gases zu einer Flüssigkeit zusammenrinnen zu lassen, entgegen.
Solange die Temperatur so hoch ist, daß die Wucht der Wärmebewegung jener Anziehungskraft die Wage [* 10] hält oder sie übertrifft, wird das Gas nicht flüssig gemacht werden können, wie sehr man es auch zusammendrücken mag. Für jeden Stoff gibt es daher eine sogen. kritische Temperatur, über welcher der Stoff bei jedem noch so großen Druck gasförmig bleibt. Für Ätherdampf beträgt die kritische Temperatur 196°, für Kohlensäure 31°, für die sogen. permanenten Gase liegt sie sehr tief unter 0°. Bei den Versuchen Colladons und Natterers lag die Temperatur noch oberhalb dieses kritischen Punktes.
Paris

* 11
Paris.Damit die Verflüssigung gelinge, ist es notwendig, neben sehr starkem Druck möglichst tiefe Kälte einwirken zu lassen. Indem Cailletet in Paris [* 11] und Pictet in Genf [* 12] diese Bedingung erfüllten, gelang es ihnen fast gleichzeitig gegen Ende des Jahrs 1877, die bisher sogen. »permanenten« Gase flüssig zu machen. Cailletet drückte die in einer engen dickwandigen Glasröhre mittels einer hydraulischen Presse [* 13] zusammen. Sauerstoffgas, durch flüssige schweflige Säure auf -29° C. abgekühlt, blieb selbst bei einem Druck von 300 Atmosphären noch gasförmig; nun wird rasch ein Hahn [* 14] geöffnet, der einen Teil des Gases in die Luft entweichen läßt; zu der Arbeit, welche das plötzlich sich ausdehnende Gas hierbei leistet, verbraucht es eine so bedeutende Wärmemenge (s. Wärme), daß es um etwa 200° tiefer erkaltet.
Bei dieser plötzlichen Entspannung sah man nun in der Röhre einen Nebel entstehen, welcher aus feinen Tröpfchen oder Bläschen flüssigen Sauerstoffs bestand. Ähnliche Erscheinungen zeigten Stickstoff, Kohlenoxyd, atmosphärische Luft und selbst Wasserstoff. Während Cailletet die genannten Gase nur als zarte Nebel bei plötzlicher Ausdehnung [* 15] nach starker Zusammenpressung auftreten sah, gelang es Pictet, durch hohen Druck und starke Abkühlung größere Mengen flüssigen Sauerstoffs und Wasserstoffs zu erhalten.
Das Verfahren, dessen er sich bediente, wird durch obenstehende [* 1] Figur erläutert. Das Sauerstoffgas entwickelt sich aus chlorsaurem Kalium, welches in einem starkwandigen eisernen Gefäß [* 16] A erhitzt wird. An das eiserne Gefäß ist eine starkwandige, 3,70 m lange Kupferröhre B angeschraubt, welche bei C ein Manometer [* 17] zum Ablesen des in der Röhre herrschenden Druckes trägt und bei b durch einen Schraubenhahn verschlossen ist. In dieser Röhre wird das Gas durch seinen eignen,
[* 1] ^[Abb.: Apparat zur Darstellung von flüssigem Sauerstoff.] ¶