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Erziehung Viersinniger (Blinde, Taubstumme), Schwachsinniger, Verlassener (Waisenhäuser), Verwahrloster (Rettungshäuser) ebenso viele wesentliche Fortschritte der öffentlichen Erziehung liegen, und wie auch inhaltlich durch die sorgfältige Berücksichtigung des wirklichen Lebens, die Fürsorge für die Gesundheit (Schulhygieine) und für die körperliche Erziehung (Turnen, Jugendspiele etc.) und durch verbesserte Methoden der Unterricht erheblich an erziehender Kraft [* 1] gewonnen hat. Anderseits ist nicht zu verkennen, daß auch in Deutschland, [* 2] dessen Führerschaft auf diesem Gebiet allgemein anerkannt ist, noch viele Fragen und Aufgaben der rechten Lösung harren.
Daß dem Staate die Leitung der öffentlichen Erziehung gebühre, ist von der modernen Gesetzgebung einstimmig anerkannt. Die Kirchen haben weder die Macht, um die allgemein angenommenen Grundforderungen der öffentlichen Erziehung zur festen Durchführung zu bringen, noch bieten sie hinreichende Bürgschaft einer nationalen Erziehung. Anderseits kann ohne die schwerste Schädigung auch des Staats die religiöse Erziehung nicht zurückgesetzt werden. Die Kirchen müssen mitwirken. Aber die Grenze zwischen den beiderseitigen Pflichten und Rechten ist, namentlich gegenüber einer so geschlossenen Macht wie die römisch-katholische Kirche, schwer zu ziehen. - Kaum minder schwierig, wenn auch nicht ganz so tief eingreifend in das gesamte Leben des Volkes, ist die Frage nach dem rechten Verhältnis der höhern realistisch-technischen und humanistischen Bildung. - Wie weit die der Töchter mittlerer und höherer Stände sich zur Aufgabe setzen soll, diese ohne Rücksicht auf etwanige spätere Verheiratung erwerbsfähig zu machen, ist ebenfalls ein Gegenstand berechtigter Verhandlung. Daß in dieser Beziehung, namentlich in großen Städten, noch mehr geschehen muß, unterliegt kaum noch Zweifeln; aber anderseits soll auch nicht der nächste und natürlichste Gesichtspunkt der Mädchenerziehung verrückt und die Stellung des Weibes in der Familie verschoben werden. - Die rasch anwachsenden, immer vielseitigen Forderungen der Gegenwart legen auf allen Gebieten öffentlicher Erziehung die Gefahr der Zerstreuung und der Überbürdung nahe. Wer beruflich mit der Erziehung zu thun hat, darf sich dieser Thatsache nicht verschließen; aber die Frage muß auch von der andern Seite ohne Leidenschaft und mit der Anerkennung behandelt werden, daß die Schwierigkeit in der Sachlage und nicht etwa bloß in selbstsüchtigen Liebhabereien des Lehrstandes begründet ist.
Endlich wäre hier auf den Stand auch der häuslichen Erziehung in unsrer Zeit einzugehen. Allein es liegt in der Natur der Sache, daß sich diese der Beobachtung und allgemeinen Beurteilung mehr entzieht als die öffentliche Erziehung. Trotz mancher Schäden, die das reich entwickelte, unruhige Leben der Gegenwart mit sich führt, ist doch wohl anzunehmen, daß auch in dies Gebiet der Fortschritt der pädagogischen Erkenntnis seine Segnungen mehr und mehr erstreckt und erstrecken wird. Je weniger genau aber hier der Stand der Sache festgestellt werden kann, desto mehr ist die Mahnung am Platz, daß jeder das Seine thue, damit neben der wehrhaften Kraft der Geist wahrer Frömmigkeit, echter Vaterlandsliebe, reiner, fester Sittlichkeit und tüchtiger Geistesbildung unserm Volk erhalten bleibe.
Vgl. Grasberger, Erziehung und Unterricht im klassischen Altertum (Würzb. 1864-81, 3 Bde.);
Schmidt, Geschichte der Erziehung (3. Aufl., Köthen [* 3] 1876, 3 Bde.);
Raumer, Geschichte der Pädagogik (4. Aufl., Gütersloh 1872-74, 4 Bde.);
Heppe, Schulwesen des Mittelalters (Marb. 1860);
Derselbe, Geschichte des deutschen Volksschulwesens (Gotha [* 4] 1858-60, 5 Bde.);
Schmid, Encyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens (2. Aufl., Gotha u. Leipz. 1876 ff.);