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gilt nicht nur in dem bisher betrachteten einfachen Beispiel der Kugel; wie auch elektrische Massen beschaffen und gelagert sein mögen, immer läßt sich die Verteilung der Spannung in ihrem Felde durch eine Schar von Potenzialniveauflächen veranschaulichen, welche aber im allgemeinen nicht Kugelflächen, sondern krumme Flächen andrer Natur sein werden. Zieht man Linien, welche die aufeinander folgenden Niveauflächen überall rechtwinkelig durchsetzen, so gibt jede derselben in dem Punkte des Feldes, durch welchen sie geht, die Richtung der Kraft [* 1] an, welche auf ihn wirkt; man nennt sie deswegen Kraftlinien.
In dem obigen Beispiel der Kugel sind die Kraftlinien Gerade, welche vom Zentrum ausstrahlen; im allgemeinen aber sind sie gekrümmt. Die Elektrizität [* 2] kann auf einem isolierten, leitenden Körper nur dann im Gleichgewicht [* 3] sein, wenn das elektrische Potenzial durch den ganzen Körper hindurch überall einen und denselben unveränderlichen Wert hat; in dem den Körper umgebenden isolierenden Raum dagegen ist es veränderlich, indem es von der Oberfläche des Körpers an, welche selbst eine Niveaufläche ist, auf den folgenden Niveauflächen immer kleiner wird. Da hiernach die elektrische Kraft überall senkrecht zur Oberfläche des Körpers wirkt, so übt sie einen Druck aus gegen das den Körper umgebende isolierende Mittel, welcher an den Stellen am größten ist, wo die Elektrizität sich am dichtesten anhäuft. Aus den Eigenschaften des elektrischen Potenzials folgt ferner, daß im Fall des Gleichgewichts im Innern eines Leiters keine freie Elektrizität vorhanden sein kann, sondern daß dieselbe stets als verschwindend dünne Schicht über die Oberfläche desselben verbreitet ist.
Das elektrische Potenzial eines Körpers ist seinem absoluten Wert nach nicht bestimmbar; man gibt daher immer den Unterschied eines Potenzials von demjenigen der Erde an, welches man als Null annimmt, ähnlich wie man die Angabe von Höhenlagen auf das Niveau des Meers als Nullpunkt bezieht. Elektrizität entwickeln heißt nichts andres, als die beiden Elektrizitäten, welche in unelektrischen Körpern auf dem Niveau Null miteinander vereinigt sind, auf verschiedenes Niveau zu bringen oder eine Potenzialdifferenz zwischen ihnen herzustellen.
Wird z. B. Elektrizität durch Reibung [* 4] erzeugt, so erscheint auf dem einen der geriebenen Körper ein positives, auf dem andern ein negatives Potenzial, und die Differenz dieser beiden Potenziale (d. h. die Summe ihrer absoluten Werte) drückt die Arbeit aus, welche zur Trennung der beiden Elektrizitäten verbraucht wurde und bei ihrer Vereinigung wieder geleistet wird. Die Potenzialdifferenz oder der Spannungsunterschied der beiden Platten eines galvanischen Plattenpaars wird durch die elektromotorische Kraft in stets gleicher Größe aufrecht erhalten und ist ein Maß für die letztere. Elektromotorische Kraft und Potenzialdifferenz sind daher gleichbedeutende Begriffe. Zur experimentellen Bestimmung von elektrischen Potenzialdifferenzen dienen Elektroskope und Elektrometer [* 5] sowie die als »Voltmeter« bezeichneten galvanometrischen Apparate. Die Maßeinheit für Potenzialdifferenzen bildet das »Volt«, = 0,893 von der elektromotorischen Kraft eines Daniellschen Elements.
Derselbe Begriff des Potenzials gilt überhaupt für alle Kraftwirkungen, welche, wie die Elektrizität, im umgekehrten Verhältnis des Quadrats der Entfernung abnehmen, also auch für die Schwerkraft und den Magnetismus. [* 6] Die sogen. magnetischen Kurven, welche sich bilden, wenn man Eisenfeile auf einen über die Pole eines Magnets gebreiteten Karton siebt, sind nichts andres als die sichtbar gemachten Kraftlinien, welche das magnetische Feld durchziehen.
Vgl. Clausius, Die Potenzialfunktionen und das Potenzial (3. Aufl., Leipz. 1877);
Tumlirz, Das Potenzial und seine Anwendung zu der Erklärung der elektrischen Erscheinungen (Wien [* 7] 1884);
Serpieri, Das elektrische Potenzial (das. 1884).