mehr
ferner teils
Orakel- und Heilgott, teils
Urheber wilder Lust. Neben den Weinpflanzungen hat er die Obhut über die
Bäume überhaupt,
besonders über die kultivierten und veredelten. Er lehrt die Bereitung des
Honigs, gibt
Milch,
Öl und
Korn. Dieses ganze elementare
Schaffen aber macht ihn, wie die
Demeter
[* 1] und deren Tochter
Persephone,
[* 2] zu einem halbchthonischen
Wesen, da
er, entsprechend der von ihm in
Wald und
Flur vertretenen schaffenden
Kraft
[* 3] der
Natur, von rauhen
Stürmen des
Winters in
Schlaf
und
Tod versenkt, dann wieder zu neuem
Leben erweckt wird. So erscheint er besonders in den
Eleusinischen Mysterien als
Beisitzer
der Göttinnen
Demeter und
Persephone, dann in den
Mythen und
Mysterien der
Orphiker. Er heißt hier Dionysos
[* 4]
Zagreus
und ist der
Träger
[* 5] der orphischen
Hoffnungen auf ein geläutertes Dasein nach diesem
Leben, ja auf ein allgemeines erneutes
goldenes Zeitalter.
Hera

* 7
Hera.Sein Vater ist Zeus [* 6] in Gestalt eines Drachen, des mysteriösen Symbols der Unterwelt, seine Mutter Persephone. Zeus hat ihn zum König bestimmt und setzt ihn auf den Himmelsthron; aber die Titanen, von der eifersüchtigen Hera [* 7] angestiftet, überfallen ihn, während er mit buntem Spielwerk beschäftigt ist, töten, zerreißen und verzehren ihn. Pallas rettet das noch zuckende Herz, den Sitz des Lebens und des Geistes; Zeus verschlingt dasselbe und erzeugt daraus den Sohn zum zweitenmal.
Auch rächt
er den
Mord, indem er die
Titanen mit seinen
Blitzen niederschmettert. Da aus ihrer
Asche die
Menschen hervorgehen,
so ist auch in diesen Dionysos
vorhanden, aber als ein auf frevle
Weise zerrissener Gott. Hier ist der
Punkt, an den sich
die tiefere Auffassung des Dionysos
dienstes anknüpft, aber freilich auch die leidenschaftlichere, wie sie besonders in den
trieterischen
Festen sich kundgibt, die nach allen zwei Mittwintern einmal stattfanden, und zu denen besonders
Frauen (Bacchen,
Mänaden,
Thyiaden,
[* 4]
Fig. 1) auf den schneebedeckten
Bergen
[* 8] (Kithäron, Parnaß) schwärmten, mit
Fackeln unter allerlei heiligem
Unfug die Mitleidenschaft mit dem »Zerrissenen« ausdrückend, mit Rehkalbfell,
Thyrsos
[* 9] und
Handpauken, unter Lärm und
Tanz.
Ziemlich alt sind auch diese mehr ans
Orientalische streifenden
Orgien, die in voller Wildheit nur außerhalb
Attika im Schwange
waren, doch immerhin jünger und erst allmählich aufgekommen im
Vergleich mit dem
Dienst, bei welchem
dem Gott einfach die
Winzer zujubelten. Dieser Dionysos
war der Sohn der
Semele (wohl ursprünglich
Personifikation der
Erde), einer
Tochter des
Kadmos, welche auch den
Namen
Thyone (die »Rasende«) führt. Als dieselbe vom
Blitz erschlagen worden war, entriß
der
Vater die sechsmonatliche
Frucht dem
Schoß der
Mutter und barg sie bis zur völligen
Reife in seiner
Hüfte.
Hermes (griechischer G

* 10
Hermes.
Dieser Zug,
überraschend beim indischen
Soma wiederkehrend, ist auf die regenschwangere,
fruchtbare Wetterwolke (den Sitz der
zeugenden Manneskraft des Himmelsgottes) bezogen worden, indem jener
Blitz als das
Feuer der schaffenden Naturkraft aufgefaßt
wurde. Aus der
Hüfte des
Vaters als ein unsterblicher Gott hervorgegangen, wurde Dionysos
von
Hermes
[* 10] den
Nymphen
oder den
Hyaden oder den
Horen
[* 11] auf dem Waldgebirge Nysa zur
Erziehung übergeben. Als Gott des
Regens
(Hyes oder Hyeus) wird er
von
Lykurgos, eigentlich dem Lichtmacher, dem
Sonnengott, welcher als König von
Thrakien erscheint, bekämpft.
Erschreckt floh vor diesem der seiner Götterwürde noch unbewußte
Knabe ins
Meer, wo ihn
Thetis liebreich
aufnahm;
Lykurgos aber erblindete. Schrecklicher noch erwies sich die Macht des an dem thebanischen König
Pentheus, welcher
der Verehrung des
Gottes sich widersetzte und diesen selbst in den Kerker warf; von seiner
Mutter und deren
Schwestern, die
ihn in wildem Taumel für einen
Löwen
[* 12] oder
Eber ansahen, wurde
Pentheus auf dem Kithäron zerrissen. Eine
schöne und erhabene, wiewohl spätere
Dichtung ist die von dem dreijährigen Zug
des Dionysos
durch
Syrien,
Ägypten
[* 13] und
Indien bis an den
Ganges mit einem
Heer schwärmender
Männer,
Weiber und niederer Naturgottheiten, auf einem von
Löwen und
Tigern gezogenen
Wagen; überall bändigt er die rohen
Naturkräfte, lehrt er die besiegten
Völker den Weinbau und höhern Lebensgenuß,
verpflanzt er unter sie hellenische
Kultur. Auf der durch Weinbau ausgezeichneten
Insel
Naxos nahm er
Ariadne zur
Gattin. Sie
zeigt sich Dionysos
verwandt: wie er der qualvoll Verstorbene und der jubelnden
Welt Wiedererweckte, so ist
sie die (von
Theseus) verlassene Trauernde, die
an des Dionysos
Seite nun ein höheres
Glück genießt.
Der Ursprung des Dionysos
dienstes ist wohl in
Nord- und Mittelgriechenland zu suchen. Durch die Thraker gelangte er frühzeitig
nach
Phokis und
Böotien, wo
Theben für des
Gottes Geburtsort galt. Besonders empfänglich zeigten sich
für den Bakchosdienst
Äolier und
Ionier (auch in
Attika, doch hier, wie schon erwähnt, ohne den wilden
Charakter), minder
Achäer und
Dorier. Was sich in
Attika als ältester Dionysos
dienst vorfand, feierte einfach in ländlicher Fröhlichkeit den
Gott der Weinlese.
Was das an der
Grenze von
Böotien und
Attika gelegene Eleutherä dann beisteuerte, war schon mit Verehrung
des
Apollon
[* 14] verbunden, und von
Eleusis aus kam durch den
Verein mit
Demeter ein mystisches
Element dazu. Von
Megara aus besonders
kam die Dionysos
verehrung auch nach
Sizilien
[* 15] und
Italien;
[* 16] in
Rom
[* 17] finden wir sie seit 496
v. Chr. Mit
Alexanders
Zügen breitete
sie sich zuletzt in
Asien
[* 18] bis an den
Ganges und über
Ägypten aus, jedoch nicht, ohne mit dem
Dienst verwandter
Götter zu verschmelzen.
Der ausschweifendste
Orgiasmus in
Freude und
Schmerz gehört zu
[* 4] ^[Abb.: Fig. 1. Mänade (Bacchantin. Vasenbild in Neapel).] [* 19] ¶