[* ] die Übertragung des Blütenstaubes (Pollen) auf die empfängnisfähige Narbe,
führt bei vielen Pflanzen nur dann Befruchtung und Bildung keimfähiger Samen herbei, wenn der Blütenstaub einer Blüte auf die
Narbe einer zweiten Blüte derselben Pflanzenart gelangt; mit dem Pollen der eignen Blüte bestäubte Pistille liefern in den
meisten Fällen taube, keimungsunfähige Samen. Dies von Darwin zuerst durch genaue Versuche ermittelte Gesetz
der »vermiedenen Selbstbestäubung« liefert den Schlüssel zum Verständnis der außerordentlich mannigfaltigen Blütenbestäubungs-Einrichtungen,
welche ohne eine solche Erklärung als unbegreifliche Formspielereien der Natur erscheinen müßten.
Unter diesen Einrichtungen steht das ungleichzeitige Reifwerden von Staubgefäßen und Narbe in Zwitterblüten oder die Dichogamie
oben an. Entweder lassen nämlich die Staubblätter den Blütenstaub eher hervortreten, als die Narben zum
Festhalten desselben bereit sind (protandrische Blüten, Proterandrie), wie beim Rittersporn, dem Wiesenstorchschnabel
[* ]
(Fig.
1), dem körnigen Steinbrech, bei vielen Korbblütlern, Glockenblumen und Doldenblütlern, oder es blühen die Narben bei noch
geschlossenen Staubbeuteln auf (protogynische Blüten, Protogynie), wie bei den Wolfsmilcharten, einigen
Gräsern und Junkaceen
[* ]
(Fig. 2). Es würde in allen diesen Fällen
eine Blütenbestäubung unmöglich sein, wenn alle Exemplare derselben Pflanzenart
in einer bestimmten Gegend gleichzeitig aufblühen würden und nicht vielmehr eine ungleichzeitige Entwickelung der verschiedenen
Stöcke in Bezug auf das Aufblühen stattfände.
Auch monözische Pflanzen können dichogame Blüten besitzen, wie der Igelskolben (Sparganium) zeigt, bei
welchem die weiblichen Köpfchen vor den männlichen aufblühen und daher den Blütenstaub von andern, schon entwickeltern
Stöcken empfangen müssen. Natürlich ist bei diözischen Pflanzen, wie den Weiden und Pappeln, Kreuzung getrennter Stöcke das
einzig Mögliche. Eine zweite wichtige Einrichtung zur Verhinderung der Selbstbestäubung bildet die
Heterostylie oder die ungleiche gegenseitige Stellung von Staubgefäßen und Narbe in den Blüten verschiedener Exemplare derselben
Art. Bei Primula officinalis z. B. haben die Blüten einiger Exemplare
[* ]
(Fig. 3 b) kurze Griffel und hoch am Eingang der Blumenröhre
eingefügte Staubgefäße (kurzgriffelige Form), während andre Exemplare
[* ]
(Fig. 3 a) doppelt so lange Griffel
mit weit hervorragender Narbe und tief in der Röhre angeheftete Staubgefäße (langgriffelige Form) besitzen.
Ähnliche zweigestaltige oder dimorphe Blüten kommen bei Pulmonaria, Hottonia, Linum-Arten und vielen andern Pflanzen vor. Durch
zahlreiche Versuche wurde festgestellt, daß der Blütenstaub der einen Form jedesmal nur auf der Narbe der andern Form sich
fruchtbar erweist, oder daß wenigstens eine Bestäubung der Narbe durch den Pollen der gleichen Form nur eine geringe Zahl
von schwächlichen Samen liefert. Ein derartiger Dimorphismus der Blüten hat demnach fast dieselbe Wirkung wie Zwei-
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^[Abb.: Fig. 1. Geranuiumblüte als Beispiel einer protandrischen Blüte. a Narbe mit geschlossenen Schenkeln. Erste Periode. Zweite Periode.]
[* ]
^[Abb.: Fig. 2. Blüte von Luzula als Beispiel einer protogynischen Blüte. erstes Stadium. Zweites Stadium.]
[* ]
^[Abb.: Fig. 3. Dimorphe Blüten von Primula. a Langgriffelige Form. blütenbestäubung Kurzgriffelige Form.]