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Allenthalben wurde noch lange nach seinen Rissen gebaut, und noch mehr sicherte er sich diesen nachwirkenden Einfluß durch das von ihm verfaßte Lehrbuch der Architektur. Die bedeutendsten seiner Nachfolger in Venedig [* 1] waren Vincenzio Scamozzi und Baldassare Longhena. Verwandte, doch nicht zu derselben Konsequenz gesteigerte Bestrebungen zeigen in jener Zeit: Bartolommeo Ammanati zu Florenz [* 2] (1511-92), Vollender des Palastes Pitti u. Erbauer der Brücke [* 3] Santa Trinità, die sich durch leichte Schwingung [* 4] ihrer Bogen [* 5] auszeichnet, Domenico Fontana zu Rom [* 6] (1543-1607), Erbauer des neuen Lateranpalastes, u. a.
Wie
Leo Battista
Alberti diejenigen Bestrebungen eingeleitet hatte, die im 16.
Jahrh. eine größere Verbreitung
fanden, so erscheint
Michelangelo als Begründer derjenigen
Richtung des architektonischen
Geschmackes,
welche das 17. Jahrh. charakterisiert. Ihm kam es vor allen
Dingen darauf an, durch die
Gewalt seiner Werke zu imponieren,
durch kühne und überraschende
Kombination den
Beschauer mit Staunen und Verwunderung zu erfüllen, ohne auf die Reinheit,
auf die innerliche
Notwendigkeit der
Mittel, die er zu solchem
Zweck anwandte, sonderlich Rücksicht zu
nehmen.
Dies Streben ward mit Vorliebe und in ungleich ausgedehnterm Kreis [* 7] um den Beginn des 17. Jahrh. aufgenommen; die architektonischen Werke dieser Periode haben einen gewissen pathetischen Schwung, der zuweilen allerdings Großartigkeit des Sinnes verrät, viel häufiger jedoch in fremdartigen und abenteuerlichen Formen sich ergeht und durchweg mit Hohlheit des Gefühls verbunden ist (Barockstil). Charakteristisch hierfür sind die zur Fortsetzung und zur glänzendern Gestaltung des Baues der Peterskirche von Rom ins Werk gesetzten Bauten von Carlo Maderna (1556-1639) und Lorenzo Bernini (1589-1680). Arbeitete der letztere und seine Mitstrebenden im allgemeinen auf eine gewisse Großartigkeit des Eindrucks hin, so trat ihnen eine andre Richtung gegenüber, die, von allem innern und äußern Formengesetz abweichend, nur durch die abenteuerlichsten und launenhaftesten Kombinationen zu wirken strebte.
Das Haupt dieser Partei war Francesco Borromini (1599-1667), der eifrigste Nebenbuhler Berninis. Alles Geradlinige in den Grund- und Aufrissen seiner Architektur ward soviel wie möglich verbannt und durch Kurven der verschiedensten Art, durch Schnörkel, Schnecken [* 8] u. dgl. ersetzt; den Hauptformen entzog er die gesetzmäßige Bedeutung, während er die untergeordneten, mehr für die Dekoration bestimmten Nebenformen mit völliger Willkür als die wichtigsten Teile des Ganzen behandelte.
Rom wurde angefüllt mit diesen Fratzengebilden der
Architektur. Unter den Nachfolgern des
Borromini, welche
im einzelnen die
Willkür des
Meisters noch zu überbieten wußten, sind Giuseppe Sardi und Camillo
Guarini (besonders in
Turin
[* 9] thätig) hervorzuheben. Im 18.
Jahrh. machen sich in der italienischen
Architektur Bestrebungen bemerklich, die zu einer größern
Ruhe des
Gefühls und zu einer strengern Schulrichtigkeit zurückführen; doch bereiten dieselben keine
neue geistige
Entwickelung vor. Die bedeutendsten
Meister dieser Zeit sind Filippo Ivara (1685-1735), der unter anderm das
Kloster der
Superga bei
Turin baute, und Luigi Vanvitelli (1700-73), der Erbauer des
Schlosses
Caserta bei
Neapel.
[* 10]
Außerhalb
Italiens
[* 11] blieb bei den christlich-occidentalischen Völkern der gotische
Baustil bis in das 16.
Jahrh.
hinein allgemein in Anwendung. Obwohl die
Renaissance hier somit erst beträchtlich später eingeführt wurde, so gibt sich
doch
bereits an denjenigen
Monumenten des gotischen
Stils, welche dem 15. und dem Anfang des 16.
Jahrh. angehören, sehr häufig
eine Behandlungsweise kund, die, ohne irgend eine
Gemeinschaft mit dem Formenprinzip der
Antike zu verraten,
als ein
Ausdruck des neuern
Zeitgeistes zu betrachten ist, welcher in der Rückkehr zu einer größern Massenwirkung und zu
dem
Gesetz der Horizontallinie und den hiervon abhängigen Bogenformen besteht.
Durch eine solche Richtung des künstlerischen Gefühls war auch hier die Einführung der antiken Formen vorbereitet, die von Italien [* 12] aus und zwar von jener Epoche ab erfolgte, wo die italienisch-moderne Architektur jene größere Freiheit der künstlerischen Konzeption, welche die dortigen Werke des 15. Jahrh. noch auszeichnet, eingebüßt hatte. Willig und aller selbständigen Produktion entsagend, nahm man die Grundsätze an, welche die italienischen Meister aufgestellt und durch ihre Werke bethätigt hatten.
Besondere Eigentümlichkeiten begegnen uns in der neuern Baukunst
[* 13] außerhalb
Italiens vornehmlich nur da, wo die antiken Bauformen
in den
Zeiten ihrer ersten Einführung noch in einen gewissen
Konflikt mit der ältern einheimischen Bauweise traten. Hierdurch
sind manche interessante
Schöpfungen entstanden, die zuweilen sogar noch an den
Charakter der italienischen
Werke des 15. Jahrh. erinnern, wenn sie auch die anmutsvolle Durchbildung der letztern nicht
erreichen.
Frankreich namentlich besitzt manche bezeichnende Werke solcher Art in der Architektur verschiedener Schlösser. Die künstlerischen Unternehmungen des Königs Franz I. (1515-47) verschafften hier dem neuen Stil schnellern und leichtern Eingang als in andern Ländern. Die vorzüglichsten französischen Architekten, welche in seiner und der nächstfolgenden Zeit thätig waren, sind: Jean Bullant (Schloß von Ecouen, um 1540), Pierre Lescot (die ältern Teile des Louvre, vollendet 1548; s. Tafel XII, [* 14] Fig. 4) und Philibert Delorme.
Auch ihre Werke haben bei mehr oder weniger reiner Aufnahme der italienischen Formen noch einen gewissen romantischen Nachklang; bei Delorme entwickelt sich hieraus aber ein barockes Wesen, das auch auf die spätere französische Architektur nicht ohne Einwirkung geblieben ist. In der ersten Hälfte des 17. Jahrh. ist besonders Jacques de Brosse anzuführen, von welchem der Palast Luxembourg in Paris [* 15] herrührt, der an den florentinischen Palastbau erinnert. Die umfassenden Bauten, welche in der spätern Zeit des 17. Jahrh. unter Ludwig XIV. entstanden, sind ohne sonderliche Bedeutung. Am meisten tritt unter diesen die von Claude Perrault ausgeführte Hauptfassade des Louvre mit einer mächtigen Säulenhalle vor den obern Geschossen hervor, während das von J. H. ^[Jules Hardouin] Mansard, dem Erfinder der nach ihm benannten Dachform, gebaute Schloß von Versailles [* 16] ziemlich charakterlos ist.
Die französischen
Architekten des 18.
Jahrh. erscheinen durchweg, wie die gleichzeitigen
Italiener, sehr nüchtern; nur
Jacques
Germain
Soufflot (1713-81), der in seinem Kuppelbau der
Kirche
Ste.-Geneviève (des heutigen
Panthéons) ein
bei vielen Mängeln doch großartiges Werk zu stande brachte und sich zuerst wieder an die reinern
Formen der
Antike anschloß,
verdient unter ihnen ausgezeichnet zu werden. Die
Franzosen nahmen übrigens die Stilbegriffe
Renaissance,
Barock und
Rokoko
erst nach dem Vorgang der
Deutschen an. Gewöhnlich bezeichnen sie die Stilwandlungen ihrer neuern Baukunst
nach
den
Regenten und unterscheiden einen
Stil
François I,
Henri II,
Louis XIII,
Louis XIV,
Style Régence und
Louis XVI.
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