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8tl^ti8ti^u6 Fener^Ik äk Ili, Planck« (It,68ultlrt8 ciu äenonidremeut c1t5 1886, I, das. 1888);
»^.nnnaii-6 8wn«n ä6 1^ Ilt^ii^" für 1888 (das. 1888);
Foville, I.a ^i'ancn eeoiwiniqu6 (Jahrg. 1889);
Reclus, La ^»ane^ 6t 168 colonie« (Par. 1886 ff., 2 Bde.);
Henriques, 1,68 6l)1oni68 tl".n^Ni868 ldas. 1889, 5 Bde.);
Meunier, l^bolo^ik r6^0n^i6 äs 1a Fg.nc6 (das. 1889);
Schröder, Das Volksschulwesen in Frankreich (Köln [* 3] 1884-1887, 2 Tle.);
Exner, Die französische Armee in Krieg und Frieden (Verl. 1889). Geschichte. Obwohl der Ministerpräsident Freycinet auf einer Rundreise durch einige Städte des Südens im September 1886 die Notwendigkeit der Einigung der republikanischen Parteien noch besonders betont hatte, befolgten die Radikalen diese Mahnung in den Kaminern,derenSitzungen14.Okt. wieder begannen, nicht; sie waren der Meinung, daß diese Einigung dadurch zu stände zu bringen sei, daß die Minister und die gemäßigten Republikaner (Opportunisten) immer nachgäben.
Nachdem die Kammern das Volksschulgesetz und das Gesetz über die Veräußerung der Kronjuwelen genehmigt hatten, wurde endlich das Budget für 1887 beraten. Der Budgetausschuß hatte im ganzen wenige Abstriche vorgenommen, da die Forderungen für Heer und Marine, so hoch sie waren, in ahne Anstand bewilligt zu werden pflegten. Da beantragte nun 3. Dez. der radikale Deputierte Colfavru, im Budget des Ministeriums des Innern die Gehalte der Unterpräfekten, welche 3 Mill. ausmachten, zu streichen, also diese althergebrachte und für die französische Verwaltung äußerst wichtige Veamtenkategorie einfach abzuschaffen.
Der Minister des Innern, Sarrien, bekämpfte den Antrag, versprach aber für die nächste Zeit eine Vorlage über Verminderung der Unterpräfekturen. Freycinet erklärte die Abschaffung der Nntervräfekten durch Streichung ihrer Gehalte für unmöglich und stellte d'ie Vertrauensfrage. Dennoch wurde der Antrag Colfavrus durch eine Koalition der Radikalen und der Rechten mit 262 gegen 247 Stimmen angenommen, worauf das Kabinett seine Entlassung einreichte. Goblet bildete 10. Dez. ein neues Ministerium, in welchem er außer der Präsidentschaft das Innere übernahm, und in welches die meisten frühern Minister wieder eintraten; nur Dauphin (Finanzen), Berthelot (Kultus > und Flourens (Auswärtiges) hatten dem frühern Kabinett nicht angehört. Der Kriegsminister Boulanger (s. d., Bd. 17) machte sein Verbleiben freilich von der Bewilligung eines außerordentlichen Kredits von 360 Mill. abhängig; auch der Marineminister Aube verlangte eine besondere Bewilligung für den Bau von Torpedobooten.
Das neue Ministerium Uellte sich 11. Dez. den Kammern vor und erlangte 18. Dez. die vorläufige Bewilligung von zwei Zwölfteln des Budgets von 1887, worauf sich die Kammern vertagten. Als die Kammern wieder zusammentraten, war auch in Frankreich alles gespannt auf die Entscheidung des deutschen Reichstags in der Septennatsfrage. Daß die Mehrheit desselben die Regierungsvorlage 14. Jan. ablehnte, obwohl Moltkeu. Bismarck klar und eindringlich darauf hingewiesen hatten, daß dann Frankreich ermutigt werden würde, den Krieg mit der Zuversicht auf Sieg zu beginnen, den es seit langem ersehne, erweckte begreiflicherweise in Frankreich das Kriegsfieber.
Während die Regierung und die gemäßigte Presse [* 4] die Sachlage so darstellten, als sei Frankreich bedroht, rüstete der Kriegsminister Böttlanger mit höchstem Eifer, warf zahlreiche Truppen an die Ostgrenze, für welche Baracken gebaut werden mußten, schaffte in großer Menge ein neues Sprengmaterial (Melinit) und Gewehre von kleinem Kaliber an und bereitete die Mobilmachung von ein paar Armeekorps im Osten vor; danir gab er die erste Rate seiner Forderung von 3W Mill., 86 Mill., welche der tzeeresausschuß schon Weihnachten 1886 bewilligt hatte, aus, ehe noch die Kammer sie genehmigt hatte, was 9. Febr. geld ah. In Elsaß-Lothringen [* 5] wurde durch die zahlreich dort wohnenden Franzosen der Glaube verbreitet, daß der Krieg nahe bevorstehe und der Sieg Frankreichs sicher sei, und in der That wählten die Elsaß-Lothringer nur französisch gesinnte Protestler. Um das Bündnis mit Rußland zu stände zu bringen, schrieb Boulanger einen Brief an den Kaiser (oder an den russischen Kriegsminister), den der französische Militärattache in Petersburg [* 6] an seine Adresse befördern sollte, was Flourens mit Mühe verhinderte.
Während das unter Leitung des Obersten Vincent stehende Nachrichtenbüreau des französischen Kriegsministeriums Spione in Deutschland [* 7] und besonders in Elsaß-Lothringen unaufhörlich und unbeirrt durch die Verhaftung und Verurteilung zahlreicher Werkzeuge [* 8] anwarb, beantragte Boulanger bei den Kammern ein nachher auch angenommenes drakonisches Spionengesetz, und die Presse witterte überall deutsche Spione, selbst in der deutschen Botschaft zu Paris. [* 9]
Der Ausfall der deutschen Reichstagswahlen 21, Febr. 1887 dämpfte allerdings etwas die französische Kriegslust. Neu entfacht aber wurde sie durch den Fall Schnäbele. Dieser, französischer Polizeikommissar in Pagny an der deutschen Grenze, hatte, wie die Landesverratsprozesse vor dem Reichsgericht in Leipzig [* 10] aktenmäßig erwiesen hatten, die Spionage in seinem Heimatsland Elsaß-Lothringen besonders eifrig geleitet, und das Reichsgericht hatte daher seine Verhaftung angeordnet, falls er sich auf deutschem Gebiet betreffen ließe.
Der deutsche Polizeikommissar Gautsch bestellte ihn, ohne hiervon etwas zu wissen, zu einer dienstlichen Besprechung nach Noveant, welcher Aufforderung Schnäbele 20. April Folge leistete. Kaum hatte er aber die deutsche Grenze überschritten, als er von Metzer Polizeibeamten im Namen des Reichsgerichts ergriffen und nach Metz [* 11] gebracht wurde In Paris erhob sich sofort ein gewaltiger Entrüstungssturm. Die radikale Presse erklärte Deutschland sür vogelfrei unter den Vollern und forderte die Ausweisung aller Deutschen.
Boulanger drängte zum Krieg. S'lbst der Ministerpräsident Goblet ließ sich fortreißen und beantragte im Ministerrat für oen Fall, daß Deutschland Schnäbele nicht sofort freigebe, ein Ultimatum zu stellen; er fügte hinzu, der Krieg sei unvermeidlich, und man könne ihm mit Auosicht auf Erfolg entgegengehen, da das Land vom echtesten Patriotismus beseelt sei. Grevn, der dem Ministerrat beiwohnte, und Flourens widersprachen dem Antrag, der schließlich mit7 gegen 5 Stimmen (Boulanger, Aube und die radikalen Minister) abgelehnt wurde.
Die deutsche Regierung, dem Grundsatz »der Klügere gibt nach entließ Schnäbele, obwohl er die Bestechung zahlreicher Elsaß-lothringer zum Landesverrat zugestanden hatte, 30. April, weil die Einladung des Polizeikommissars Gautsch die stillschweigend!' Zusicherung freien Geleits in sich geschlossen habe. Auch ein «ndrer Zwischenfall. die Erschießung eines französischen Iagdtrciber^, Blignon, durch einen deutschen Jägers wurde durch die Nachgiebigkeit Deutschlands, [* 12] das der Witwe Brignons ¶
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cine hohe Entschädigungssumme zahlte, beigelegt, obwohl das Versehen des Jägers leicht erklärlich war, da die französische Jagdgesellschaft die Grenze überschritten und a-uf Anruf nicht geantwortet hatte, also für französische Wilddiebe, wie sie zahlreich in deutschen Wäldern ihr Wesen trieben, gehalten werden konnte. Dem Antrag Colfavrus, der den Sturz Freycinets verursacht hatte, suchte Goblet zu entsprechen, indem er zahlreiche Unterpräfekturen abzuschaffen vorschlug, was indes der Senat ablehnte.
Boulanger legte ein neues Militärgesetz vor, welches die dreijährige Dienstzeit einführte und das Institut der Einjährig-Freiwilligen abschaffte. Der öffentlichen Meinung, die sich allmählich über die Finanzen beunruhigte, folgend, verlangte die Kammer von dem Ministerium vor allem Ersparnisse im Budget, ohne freilich anzugeben, welche Budgetposten zu streichen seien, und ohne den übermäßigen Forderungen des Kriegs- und des Marineministers sich zu widersetzen.
Der Budgetausschuß erklärte einfach, die im Etat für 1888 von der Regie rung vorgeschlagenen Ersparnisse seien ungenügend, und das Ministerium sei verpflichtet, ein neues Budget vorzulegen. Die Regierung rechnete allerdings 77 Mill. Ersparnisse heraus, schlug aber gleichzeitig im Budget eine Erhöhung der Ausgaben um 58 Mill., eine Anleihe von 400 Mill. und eine Steuervermehrung von 136 Mill. vor. Goblet und Dauphin erklärten indes 17. Mai der Kammer, wenn der Ausschuß Ersparnisse verlange, möge er die Möglichkeit derselben nachweisen, und als die Kammer dennoch den Antrag des Ausschusses, die Regierung solle mit ihm gemeinschaftlich das Budget ins Gleichgewicht [* 14] bringen, init 275 gegen 257 Stimmen annahm, reichte das Ministerium Goblet seine Entlassung ein.
Die Bildung eines neuen Kabinetts bot große Schwierigkeiten dar, da die Radikalen kein lebensfähiges Ministerium bilden konnten, die Opportunisten aber Boulanger nicht als Kriegsminister behalten wollten, weil derselbe, auf seine Beliebtheit bei der Menge pochend, eine unerträgliche Anmaßung und Eigenmächtigkeit gezeigt hatte. Endlich 29. Mai gelang es Rouvier, sin Kabinettzustandezubringen, das überwiegend aus gemäßigten Republikanern bestand; Flourens behielt das Auswärtige, Ferron trat an Stelle Boulangers, der als kommandierender General nach Clermont versetzt wurde.
Das neue Ministerium versprach vor allen: ein System ernster Sparsamkeit durch Vereinfachung der Verwaltungsausgaben und Beseitigung der Unredlichkeiten bei der Erhebung der Steuern;
wirklich erzielte es im Budget für 1888 (3124 Mill.) eine Ersparnis von 129 Mill. Es veran laßte den Beginn der Beratung des von Boulanger ausgearbeiteten Militärgesetzes, dessen Grundsätze von der Kammer gebilligt, dessen Annahme aber im Sonnner 1887 noch nicht beschlossen wurde.
Auch bewilligten die Kannnern die Errichtung von4neuenKauallerie- u. 18Infanterieregimentern und später auch die Bildung von besondern Gebirgstruppen an der italienischen Grenze (12 Iägerbatcnllonen und 2 Artillerieregimentern). Die von der äußersten Linken und den Boulangisten gegen das Ministerium Rouvier gerichteten Anträge und Interpellationen wurden von der Mehrheit der Kammern zurückgewiesen, die letzte Interpellation Revillons 11. Juli sogar mit 357 gegen 111 Stimmen, worauf die Session der Kammern geschlossen wurde.
Gleichwohl schien die Republik durch die Uneinigkeit der republikanischen Parteien, die selbstsüchtigen Bestrebungen der Parlamentarier und die Umtriebe der Intransigenten und Aoulangisten so unterwühlt, daß der Graf von Paris im Septembersich ermutigtfühlte, ein neues Manifest unter dem Titel: »Weisungen an die Vertreter der monarchischen Partei in Frankreich zu erlassen, in welchem er die Überlegenheit des monarchischen Regiments über das republikanische, dessen Unbeständigkeit alle Anstrengungen, Ordnung in den Finanzen herzustellen, zu nichte mache und in Europa [* 15] isoliere, hervorhob und die Einführung eines wahrhaft parlamentarischen Systems sowie Erleichterung der Militärlasten versprach. Dasselbe blieb nicht ohne Wirkung, zumal die Achtung vor den republikanischen Autoritäten, besonders vor Gre'vy, merklich gesunken war. Dazu kam im Oktober die Enthüllung eines großen Skandals. Der Generalstabschef im Kriegsministerium, General Eaffarel, wurde 7. Okt. unter der Anklage, mit dem Orden [* 16] der Elnen^Hinn Handel getrieben und denselben unwürdigen Leuten gegen hohe Summen verschafft zu haben, verhaftet; der ebenfalls verdächtige General d'Andlau, ein durch seinen republikanischen Eifer bekannter Gegner Bazaines, entzog fich der Verhaftung durch die Flucht. Die Mittelsperson bei dem Ordensschacher hatte hauptsächlich Frau Limousin, eine berüchtigte Penon, gebildet, und es ergab sich, daß die Generale Thibaudin, Paul Grevy (Bruder des Präsidenten) und Boulanger mit ibr in Beziehungen gestanden hatten. Letzterer, der Eaffarel zu feinem hohen Posten berufen hatte, besaß die Dreistigkeit, den Kriegsminister Ferron wegen der Verhaftung Eaffarels zur Rede zu stellen und die gerichtliche Untersuchung für eine gegen ihn gerichtete Intrige zu erklären. Namentlich aber wurdo durch die Papiere der Limousin der Schwiegersohn des Präsidenten Grevy, der Deputierte Wilson, langjähriger Vorsitzender des Budgetausschusses, bloßgestellt, der nicht bloß die Verleihung von Orden, sondern auch von Amtern, Konzessionen und Lieferungen im größten Umfang vermittelt und bei seiner sehr ausgedehnten Korrespondenz sich durch Anwendung des Stempels der Präsidentschaft Portofreiheit verschafft hatte; er selbst schickte, als es bekannt wurde, nicht weniger als 40,() () ()Fr. dem Finanzminister als Ersatz. Ein Bonapartist, Cuneo d'Ornano, stellte sofort'nach Zusammentritt der Kammern (25. Okt.) den Antrag auf Einsetzung eines Ausschusses zur Untersuchung der Verwaltu'ngsmißbräuche und des Ordenshandels, und die Kammer nahm ihn trotz des Widerspruchs der Minister nicht nur an. sondern bewilligte auch für die Beratung die Dringlichkeit, beauftragte aber den Ausschuß 8. Nov. mit der Untersuchung aller Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung. Erschwert wurde der Wilsonsche Fall noch dadurch, daß sich ergab, das; besonders gravierende Briefe Wilsons an die Limousin aus den Akten verschwunden und durch neugeschnebene Briefe ersetzt waren, was nur durch Mitwirkung der Behörden möglich war. Die Kammer sprach ihre Entrüstung dadurch aus, daß sie 17. Nov. mit 527 gegen 3 Stimmen ihre Zustimmung zur gerichtlichen Verfolgung Wilsons gab. Der Präsident Grevy ließ sich aber dadurch in dem Glauben an die Unschuld seines Schwiegersohns nicht beirren und reichte seine Entlassung nicht ein, wie man erwartet hatte. Um ihn dazu zu zwingen, verabredeten das Ministerium und die Kammermehrheit die Herbeiführung einer Ministerkrisis; wenn dann niemand sich bereit zeigte, ein neues Kabinett zu bilden, mußte Grevy abdanken. Die Kammern hatten die Umwandlung der 4'/2proz. Rente in eine 3proz. beschlossen, und als die Linke 19. Nov. eine Interpellation alt die Regierung über die politische Lage richtete. ¶