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Gruseligen. * Haggard, dessen erste Bücher ziemlich unbeachtet vorübergingen, errichtete sich mit »King Solomon's mines« (mit der Fortsetzung »Allan Quatermain«),
besonders aber mit dem genialen »She« auf dem mysteriösen Boden des dunkeln Kontinents, den er lange selbst bewohnt hat, ein bleibendes Denkmal (weiteres in der Biographie). Den vorübergehenden Erfolg, den ein Sensationsroman des Australiers Fergus M. Home: »The mystery of a hansom cab«, als Buch und Drama gefunden, verdankt derselbe hauptsächlich der ungeheuersten Reklame und wohl auch seiner Eigenschaft als litterarische Gabe aus Australien. [* 2] Des Verfassers zweiter Versuch: »Madame Midas«, war indessen erfolglos.
Dagegen hat sich eine Schriftstellerin deutscher Abkunft, Olive Schreiner, Tochter eines Missionärs, mit »An African farm« sogleich einen geachteten Namen gemacht. Als Verfasser einer langen Reihe anonymer Romane, in denen das Wunderbar-Unwahrscheinliche bis auf die Spitze getrieben ist, allerlei revolutionärer Einfälle und Strömungen nicht zu gedenken (»Mehalah«, »Court royal« u. a.),
ergab sich zu allgemeinen: Erstaunen der würdige Landpfarrer Sabine Baring-Gould, der auch Reisebeschreibungen, 15 Bände »Lives of the Saints« und zwei wohlgemeinte, wenn auch nicht fehlerfreie Bücher über Deutschland [* 3] herausgegeben hat. In seinem neuesten Buch: »Arminell«, erklingen die wunderlichsten Töne. Die immer lesenswerte, gedankenreiche Frau Lynn Linton brachte »Through the long night«; die erstaunlich produktive Frau Oliphant: »Queen Eleanor and Fair Rosamond«, »Madam«, »A house dividend against itself«, »Oliver's bride«, »Effie Ogilvie«, »The son of his father«, »The second son« und »Joyce«. Mit ihr darf nicht verwechselt werden der kürzlich verstorbene Laurence Oliphant, Diplomat, Satirist, Romanschreiber, Religionsschwärmer, Reisender und Weltmann, als Schriftsteller oft ebenso klar wie verworren. Sein letzter Roman war »Massolam«; es gesellt sich darin sein altes Erzählertalent mit interessanten Erinnerungen aus Syrien, wo er den Abend seines Lebens zubrachte, und haarsträubendem Mystizismus.
Auf der Seite geistiger Freiheit in Religionssachen steht Frau Humphry *Ward, die Gattin eines Geistlichen, mit ihrem Buch »Robert Elsmere«, welches seinen außerordentlichen Erfolg neben dem eignen Verdienst auch dem Angriff verdankt, dem es von seiten des frommen Herrn Gladstone ausgesetzt war. Während hier der Geistliche selbst es ist, den wachsende Überzeugung aus der Gemeinschaft der Kirche und damit aus dem Vertrauen der Gattin treibt, ist in »John Ward, preacher« von Fräul. Deland der Konflikt gerade umgekehrt.
Beide Bücher sind für die neuere Geistesentwickelung in England höchst bezeichnend. Fräul. * Bayly hat unter dem Namen Edna Lyall ihrem beliebten Roman »Donovan« mehrere andre von gleich gesunder Richtung folgen lassen. Th. A. * Guthrie, unter dem Schriftstellernamen T. Anstey bekannt, der als einer der allerersten seit etwa acht Jahren in »Vice versa« das Phantastische wieder in die englische Novellistik einführte, wo es sich seither vielleicht übermäßig breit macht, brachte zwei ernste, aus dem wirklichen Leben gegriffene Romane: »The giant's robe« und »A fallen idol«; in letzterm gibt er sich wieder drolliger Laune hin. In humoristisch-phantastischer Weise behandelt er in »The tinted Venus« einen Gegenstand, den Heinrich Heine in die »Götter im Exil« eingeflochten. F. W. Robinson, der seit 1854 etwa 40 Romane veröffentlicht hat,
Kriminalgeschichten und andres, brachte »The youngest Miss Green«, der jüngere, fruchtbare Christie Murray eine höchst originale Landgeschichte: »Aunt Rachel«, dem er »Old Blazer's hero« und »The weaker vessel« folgen ließ. Clark Russel setzt die Reihe seiner beliebten Seegeschichten fort mit »The frozen pirate«, »The golden hope« und »The death ship«, Mabel Robinson fand ihren Stoff in Irland mit »The plan of campaigne«;
Frau Cashel Hoey schrieb: »All or nothing«, Hamilton Aide: »Passages in the lige of a lady«;
W. Englische [* 4] Norris: »Chris« und »The rogue«;
Hall [* 5] Caine: »A son of Hagar und «The deemster";
Mathilde Blind: »Tarantella«;
Justin Mc Carthy, der Vater: »Roland Oliver« Frau Riddle: »Miss Gascoigne« u. a. Der Politiker Wemyß Reid: »Gladys Fane: a tale of two lives«.
Der tüchtige Naturforscher Grant * Allen fühlt sich gedrungen, Sensationsromane zu schreiben: »Babylon«, »The devil's die«, »This mortal coil«;
der inzwischen verstorbene alte Soldatenfreund James Grant verherrlichte seine Bergschotten in »The master of Aberfeldie«, in dem er den Stoff dem ägyptischen Feldzug von 1882 entnahm;
sein letzter Roman war »Love's labour won«.
Die unverwüstliche Frau Braddon mag mit »Like and unlike« und »The fatal three« ihre Verehrer befriedigt haben. In diesem Sinn ist auch das Buch »Wanda« von Ouida zu erwähnen, welcher auf dem Kontinent merkwürdigerweise immer noch eine höhere Bedeutung zugeschrieben wird als in England. Als Zolaist oder Naturalist erwies sich George Moore, dessen skandalöses Buch »Confessions of a young man« die größte Entrüstung hervorrief.
Ästhetik, Kritik, Litteraturgeschichte.
Hier tritt dem deutschen Leser zunächst ein mit großer Sachkenntnis gearbeitetes Buch entgegen, in welchemi Charles Harold Herford [* 6] frühe litterarische Beziehungen zwischen England und Deutschland behandelt: »Studies in the literary relations of England and Germany in the sixteenth century«. Ebenso erfreulich ist uns »The spirit of Faust« von Dr. Coupland, ein umfassender Kommentar zu Goethes Wert, und »The early letters of Goethe« (Übersetzung und Einleitung) von Eduard Bell. Die drei eben genannten Schriftsteller sind Mitglieder der englischen Goethe-Gesellschaft, die, 1886 gegründet, eine wichtige Vermittlerrolle zwischen den beiden Nationen bildet, wie in Deutschland die Shakespeare-Gesellschaft. An die Stelle ihres ersten Präsidenten Max Müller trat Eduard Dowden, der sich vielfach mit Goethe beschäftigt hat und seinem wertvollen Buch über Southey eine größere Biographie des Dichters Shelley folgen ließ.
Hieran schließe sich die Veröffentlichung des hochwichtigen Briefwechsels zwischen Goethe und Carlyle (1887, beinahe gleichzeitig in London, [* 7] Berlin [* 8] und Boston [* 9] erschienen). Auch sonst ist die Carlyle-Litteratur beträchtlich gewachsen, zunächst durch die »Early letters« (2 Bde., 1886) und weitere »Letters« (abermals 2 Bde., 1888),
von C. Englische Norton herausgegeben, neuerdings durch Briefe der Gattin, welche Ritchie veröffentlicht hat, und das meisterliche Buch von Garnett: »Carlyle«. Ein Deutscher, Professor Aloys Brandt, hat in seinem von Lady Eastlake ins Englische übersetzten Werk über Samuel Taylor Coleridge zur englischen Litteraturgeschichte und Kritik einen sehr wohl aufgenommenen Beitrag geliefert; deutsche Gelehrte beteiligten sich auch mit Furnivall und der Early English Society an der Herausgabe altenglischer Texte. Der bekannte Litterarhistoriker Henry Morley ¶
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eröffnete mit dem ersten Bande der »English Writers« eine umfassende Geschichte der englischen Litteratur in Einzeldarstellungen.
Von Einzelwerken erwähnen wir ein sehr eingehendes Werk von Alfred Nutt: »Studies on the legend of the Holy Grail«; George Saintsbury: »History of Elizabethan literature«, wobei zu bemerken ist, daß es unter den verschiedenen litterarischen Gesellschaften Londons auch eine Elizabethan Society gibt;
Professor Mahaffy: »Greek life and thought from the age of Alexander to the Roman conquest«.
Eduard Dowden gab »Transcripts and studies« heraus;
Coventry Patmore eine ästhetisch-kritische Streitschrift: »Principles in art«;
Walter Besant: »The art of fiction«;
die unter dem Pseudonym Veraon Lee schreibende Violet * Paget: »Euphorion«, Renaissance-Studien;
Swinburne die etwas überschwengliche »Studies of Victor Hugo« und einen Band [* 11] geistvoller Kritik: »Miscellanies«;
Andrew * Lang: »Books and bookmen« und »Myth, ritual and religion«;
Augustin Birrell trat mit »Obiter dicta«, einem Bändchen geistreicher Essays über Carlyle, Browning, Cellini 2c., in die Öffentlichkeit und hat sich sogleich verdiente Anerkennung erworben, ein zweites Bändchen ist seither gefolgt;
Fredenc Wedmore schreibt ein Buch über Balzac;
Lady Wilde sammelte die »Ancient legends of Ireland«.
Der sonderbare Streit, ob Bacon die Dramen Shakespeares geschrieben, war in England eigentlich kein Streit, indem das Buch von Ignatius Donnelly: »The great cryptogram« und seine Vorlesungen beinahe spurlos vorübergingen. Die kleine Gemeinde seiner Anhänger hat sich in der Bacon-Gesellschaft einen Mittelpunkt geschaffen. Ein ägyptischer Prinz, Ibrahim Hilmy, hat ein Buch über die »Literature of Egypt and the Soudan« veröffentlicht. Ein nützliches Handbuch bietet sich in des Buchhändlers W. S. Sonnenschein »The beat books: a reader's guide«, welches etwa 25,000 Bücher verzeichnet.
Biographie.
Lebensbeschreibungen haben von jeher einen bedeutenden Platz in der englischen Litteratur eingenommen, wie Memoiren in der französischen; neuerdings hat man sich auch in England der letztern Gattung mehr zugewandt. Eine hervorragende Stelle nehmen hier des einflußreichen John Ruskin »Praeterita« ein, in Form und Inhalt immer anziehend, doch etwas langatmig. Von hervorragendem Interesse ist das »Life and letters of Charles Darwin by his son Francis«. Andre wichtige Erscheinungen sind Sir Henry Layard: »Early adventures in Persia, Susiana and Babylon«;
Laurence Oliphant: »Episodes in a life of adventure«;
Sir Henry Taylor: »Autobiography« und seine von Dowden herausgegebenen Briefe;
des greisen Dichters Charles Mackay: »Through the long day«;
des Novellisten und Historikers Adolphus Trollope: »What I remember«;
die »Letters and recollections« von Julius und Mary Mohl, des berühmten deutschen Orientalisten und seiner englischen Gattin;
das »Life of the Right Honble W. Englische Forster«, einst Gladstones einflußreicher Genosse, dann von ihm über Bord geworfen, um sich der Freundschaft Parnells zu versichern;
des frühern Ministers des Auswärtigen, Malmesbury, Denkwürdigkeiten;
Charles Neade: »Dramatist, novelist, journalist«, von zwei Söhnen;
»The eulogy of Richard Jeffries« (s. d., Bd. 17) von Walter Besant.
Wenn auch nicht von gleicher Bedeutung, doch vielfach für den Kenner englischen Lebens interessant, sind des Malers W. P. Froth
»Autobiography and reminisceanses«, die so viel Beifall fanden, daß er ihnen eine zweite Sammlung folgen ließ. Etwas weiter zurück greifen die zwei höchst anziehenden Briefsammlungen von Thackeray, die »Letters of General Gordon to his sister«, Daniel O'Connells Briefwechsel und die Fortsetzung von Grevilles »Memoiren«. Ferner sind hier anzureihen: »Macaulay« von dem Positivisten Coster Morison;
zwei vortreffliche Bücher von Garnett: »Emerson« u. »Carlyle«;
Professor Blackies »Burns«, »Goethe« von James Sime, dem Biographen Lessings;
»Keats« von Sidney Colvin, der sich auch um Landor verdient gemacht;
»Wellington« von George Hooper;
»Adam Smith« von R. B. Haldane;
endlich die auch ins Deutsche [* 12] übersetzten Biographien des Kaisers Wilhelm I. von A. Forbes und des Kaisers Friedrich von Rennell Rodd sowie »F. Chopin as a man and musician« von dem Deutschen F. Niecks.
Eine Ehrenrettung von zwei historischen Frauen versuchte John Cordy Jeaffreson in den Werken: »Lady Hamilton and Lord Nelson« und »The queen of Naples and Lord Nelson«. Von demselben Verfasser, anschließend an sein früheres Buch über Byron, erschien: »The real Shelly«, welches neben Dowdens erschöpfendem, vielleicht allzu enthusiastischem Buch über diesen neuerdings wieder in den Vordergrund getretenen Dichter genannt werden muß. Noch weiter zurück gehen einige andre Erscheinungen, so John Nichol mit »Francis Bacon: life and philosophy«, Peter Bayne mit »Martin Luther«, James Gairdner mit »Henry VII.« und »The story of Perkin Warbeck«, der gelehrte Historiker Freeman mit »William the Conqueror«.
Geschichte.
In der ersten Reihe stehen hier Gardiner, Stubbs, Kinglake, Lecky und Freeman. * Gardiner hat nach langen Studien und nach Veröffentlichung zahlreicher Monographien in 10 Bänden sein großes Werk »History of England from the accession of James I. to the outbreak of the civil war, 1603 to 1642« vollendet. Von der sich daran anschließenden »History of the great civil war« sind bisher 2 Bände erschienen. Über einige kleinere Werke des thätigen Schriftstellers vgl. seine Biographie (Bd. 17). Bischof Stubbs, früher Professor an der Universität Oxford, [* 13] als Autorität über die englische Verfassungsgeschichte anerkannt, veröffentlichte neuerdings »Lectures on the study of mediaeval and modern history«. A. W. Kinglake hat 1887 mit 2 Bänden, dem 7. und 8., endlich sein Riesenwerk »The invasion of the Crimea« zu Ende geführt, das er bereits 1863 begonnen, als das Interesse an jenen Ereignissen noch viel lebendiger war. Hat sich auch der Kreis [* 14] der teilnehmenden Genossen seitdem ziemlich gelichtet, so wird das Werk als wichtige und umfassende Quellenschrift doch dauernden Wert behalten. Ein andres großes Geschichtswerk, William H.
Leckys »History of England in the XVIII. century«, 1878 begonnen, hat sich mit dem 5. und 6. Band seinem Ende genähert. Obwohl Irländer und Patriot, zeigt sich Lecky in diesen Bänden, die sich vielfach mit seinem Heimatsland beschäftigen, doch keineswegs der neuerdings von Gladstone beliebten Auffassung günstig, vielmehr der Parnellschen Agitation entschieden abgeneigt. Englische A. Freeman gab »The chief periods of European history, with an essay on Greek cities under Roman rule« heraus. »The revolutions of 1848/49 in Italy, Austro-Hungary and Germany« sind in einem dicken Band von C. Englische Maurice behandelt, mit großem Fleiß, aber doch so, daß eine ¶