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Sibirien hat es zur Eiszeit [* 2] ebensowewig Gletscher gegeben wie heute, wo bis zu den nördlichsten Ausläufern nicht die geringsten Spuren zu finden sind. Zwischen beiden Gebieten nahm der Timangletscher eine besondere Stellung ein. Die Gesteine, [* 3] welche in dem untern Geschiebemergel Norddeutschlands, der Grundmoräne der ersten Vereisung, liegen, gestatten einen Schluß auf ihren Ursprungsort. Die kristallinischen und eruptiven Felsmassen führen auf das Festland von Skandinavien, die Basalte, welche in der Mark und Mecklenburg [* 4] gefunden werden, auf Schonen, wo allein Basalt anstehend bekannt ist, in Ost- und Westpreußen [* 5] sind vorherrschend Granite von Finnland und den Ålandsinseln, namentlich Rapakivi, verbreitet, welche weiter westlich fehlen; die versteinerungsführenden paläozoischen Gesteine stammen sowohl von dem skandinavischen Festland als von den Inseln Öland, Gotland, Ösel, Dagö.
Gletscherschliffe und -Schrammen auf anstehendem Fels sind gefunden bei Osnabrück [* 6] (produktives Steinkohlengebirge), Belpke, Gommern bei Magdeburg [* 7] (Kulmsandstein), bei Halle [* 8] und Landsberg [* 9] auf Quarzporphyr, bei Taucha und Wurzen [* 10] unweit Leipzig, [* 11] bei Oschatz [* 12] und Lommatzsch auf Gneisgranit, bei Hermsdorf und Joachimsthal in der Mark (geschrammte Septarien im Septarienthon). Mehrfach sind zwei verschiedene Schrammensysteme beobachtet, so bei Rüdersdorf bei Berlin, [* 13] Belpke, Gommern und Landsberg (s. die Karte), woraus man auf wiederholte Eisbedeckung mit verschiedener Bewegungsrichtung schließen darf.
Während der ersten Eiszeit breitete sich das von Skandinavien vorrückende Inlandeis fächerförmig im norddeutschen Flachland aus; dementsprechend ist im Zentrum der Tiefebene die Richtung im allgemeinen NNW. bis SSO. (Rüdersdorf, Lommatzsch, Leipzig) im W.: NNO. bis SSW. (Belpke, Osnabrück); bei der zweiten Eisinvasion war die Richtung eine ausgesprochen ost-westliche (jüngeres Schrammensystem von Rüdersdorf und Belpke). Wie in der Richtung, unterscheidet sich die zweite Eisbedeckung auch in Bezug auf die Ausdehnung [* 14] nach S. und die Mächtigkeit von der ersten.
Auf der Höhe der Insel Bornholm und auf dem Höhenzug Romeleklint in Schonen werden die Schrammen der ältern Richtung nicht von denjenigen der jüngern gekreuzt, die Felsen ragten also wie heute die höchsten Berge auf Grönland als »Nunatakers« aus dem Eismantel der zweiten Eiszeit heraus. Die Südgrenze fällt mit einer Linie zusammen, welche vom Nordufer des Zuidersees die Ems [* 15] an der Mündung der Hase [* 16] kreuzt, an den Gehängen der Weserberge vorbei nach O. über Braunschweig, [* 17] Magdeburg, Würzen, Hoyerswerda, Görlitz, [* 18] Haynau, Liegnitz, [* 19] Ohlau, Brieg, [* 20] Oppeln [* 21] nach Polen hinzieht, also im großen und ganzen in ziemlich gleicher Entfernung dem Südrand der ersten Vereisung parallel verläuft.
Die große Eisdecke des nördlichen England bestand aus mehreren Gletschern, von denen jeder durch Seiten- und Endmoränen begrenzt war. Die gemeinsame Endmoräne der vereinigten Gletscher bildet eine gekrümmte, 550 Meilen lange Linie von der Mündung des Humber bis zur äußersten Ecke von Carnarvonshire. Der Gletscher der Irischen See, der mächtigste Englands, kam von Schottland, stieß auf die Berge von Wales und teilte sich in zwei Zungen. Die Vergletscherung Irlands hatte zum Zentrum eine große Binnendepression, die von einem Kranz von Gebirgen umgeben ist.
Von diesen kamen die ersten Gletscher, nach deren Vereinigung die Eismasse nach W., N., SO. strömte. In Nordamerika [* 22] zieht sich eine zusammenhängende Kette von mächtigen Moränen vom Kap Cod am Atlantischen Ozean durch Massachusetts, Long Island, New York südlich vom Ontario- und Eriesee bis an den Ohio; der Michigan ist ganz von denselben umschlossen, die hier in der Moräne des Green Bay-Gletschers (westlich vom Michigan) bis zu 235 m relativer Höhe ansteigen.
[* 1] ^[Abb.: Fig. 4. Verbreitung der Landmoräne der eiszeitlichen Gletscher in Nordamerika.] ¶
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Zwischen dem Missouri und North Red River streichen die Moränen durch Dakota nach NW. Viel weiter nach S. erstreckt sich aber das Gebiet der Driftablagerungen (s. das umseitige Kärtchen, [* 23] Fig. 4). Es lassen sich drei charakteristische, durch Zusammensetzung und Anordnung des Materials verschiedene Ausbildungen unterscheiden, nämlich eine typische Endmoräne, ein schmaler Streifen zerstreuten Geschiebes und eine breite Zone von Gerölle, das, je weiter vom Rand entfernt, um so feiner und dünner wird.
Der Moränenrand herrscht im Gebiet der atlantischen Staaten vor, wo er das Driftmaterial ganz verdeckt, streicht dann aber nordwestlich durch das Innere, während unter demselben das Geschiebe sich weit nach S. verschiebt. Eine ganz besondere Stellung unter den Moränen nehmen die dem amerikanischen Kontinent allein eigentümlichen Interlobatemoränen ein. Dieselben entstanden dadurch, daß zwei große Eiszungen sich einander so näherten, daß ihre Seitenmoränen verschmolzen.
Die Gebirge um die Depression [* 24] der Hudsonbai scheinen die Hauptquelle für das Inlandeis gewesen zu sein. Außerdem kam ein großer Eisstrom an der Westseite des Felsengebirges von Alaska nach Vancouver. In Grönland und Spitzbergen müssen die Gletscher früher, wie alte Schliffe und Moränen beweisen, größer als jetzt gewesen sein, doch ist der Unterschied verhältnismäßig gering; ein Gleiches gilt von der früher größern Ausdehnung der Gletscher auf Neuseeland und von Südamerika. [* 25]
Vergegenwärtigt man sich die Verbreitung der Gletscher der Eiszeit und vergleicht sie mit den heutigen Gletschern, so tritt die Thatsache hervor, daß die ehemalige Vergletscherung nur eine dem Grad nach verstärkte Ausbildung der jetzigen war. Dabei darf man aber nicht an eine allgemeine Eiskappe denken, welche über der ganzen arktischen Region lag und sich radial nach S. vorschob; vielmehr entstand die Eisbedeckung wahrscheinlich sowohl in Skandinavien und England als in Nordamerika aus lokalen Gletschern, deren Eismassen beim Vorrücken verschmolzen.
Die Eiszeit erscheint demnach als eine Periode, in welcher die Gletscher einen starken Vorstoß ausführten, als eine klimatische Schwankung; der Unterschied von Eiszeit und Gegenwart in klimatischer Hinsicht ist mehr quantitativer als qualitativer Art. Über den Charakter des Klimas, welches während der Eiszeit herrschte, haben aber die Untersuchungen der quaternären Seen des westlichen Nordamerika einiges Licht [* 26] verbreitet. Während eines Teils der Quartärzeit waren die jetzt wüsten Strecken der Hochplateaus zwischen dem Felsengebirge und der Sierra Nevada, des sogen. Großen Beckens, mit einem System von Seen bedeckt. Im nördlichen Teile lagen zwei große Wasserbecken, der Bonnevillesee im westlichen Utah, der Lahontansee, eine zusammenhängende Gruppe von Thalseen, im westlichen Nevada.
Aus physikalischen, chemischen und biologischen Gründen läßt sich ein zweimaliges Ansteigen des Seespiegels nachweisen, das durch eine Periode des Rückganges unterbrochen war. Wie das mehrere hundert Fuß tiefe Alluvium darthut, ging eine trockne Periode mit geringem Niederschlag und starker Verdunstung bei hoher Temperatur voraus. Das erste Ansteigen der Seen wurde durch mäßige Niederschläge bei niedriger Temperatur und schwacher Verdunstung veranlaßt, die weitere Entwickelung der Seen wurde aber durch eine Zeit unterbrochen, in der die Wassermassen sich bedeutend verminderten.
Das zweite Ansteigen geschah mit Unterbrechungen bis zu noch größerer Höhe als das erste Mal. Den beiden Hochwasserzeiten entsprechen zwei Ablagerungen auf dem Seeboden, getrennt durch eine diskordante Schicht; die untern Schichten sind dicker als die obern, die erste Hochflut also wohl von längerer Dauer. Im Monobecken wurden Moränen der Sierra Nevada abgelagert, an denen die Terrassen des Sees deutlich ausgeprägt sind. Die Sierra Nevada hatte zwei Eiszeiten wie der Monosee zwei Hochwasserperioden, die nicht nur gleichzeitig waren, sondern auch aus gleicher Ursache, nämlich einem klimatischen Wechsel, herrühren: Eiszeit und Seeanschwellung fanden bei einem feuchten und kühlen Klima [* 27] statt.
Die vorstehenden Betrachtungen legen es nahe, die Eiszeit als eine Periode der Erdentwickelung anzusehen, in welcher ein kühles und feuchtes Klima in den mittlern und höhern Breiten der Nord- und Südhalbkugel herrschte. Die von A. Penck entworfene Karte der Isochionen, d. h. der Linien gleicher Schneegrenzhöhe, veranschaulicht die klimatischen Verhältnisse der Eiszeit recht deutlich. Die 1000 m-Isochione, welche heute an der Westküste Norwegens verläuft, erscheint südwärts in das mittlere und südliche Deutschland [* 28] verschoben; die 1400 m-Isochione, welche heute über Schweden [* 29] angetroffen wird, lag in der Eiszeit in der Nähe der Tátra.
Die Eiszeit stellt sich als eine Verschiebung der Klimengürtel dar. Die Ursache der Eiszeit muß man somit in den Veränderungen der tellurischen Bedingungen des Klimas suchen; letztere stehen möglicherweise mit Vorgängen kosmischer Natur in Beziehung. Die Bedingungen für eine über große Erdräume sich erstreckende Gletscherentwickelung hat A. Woeikof untersucht, indem er von den gegenwärtig herrschenden klimatischen Verhältnissen ausgeht. In den Ozeanen der mittlern und äquatorialen Breiten ist die Temperatur der Wassermasse durch Strömungen, welche aus der Tiefe der Polarmeere kommen, stark erniedrigt, so daß in den Tropen das Wasser eine Temperatur von ca. 4° hat.
Die Meere der Nordhemisphäre sind im allgemeinen weniger tief und mehr von Land umgeben als in den entsprechenden südlichen Breiten. Dieser Umstand und die große Masse süßen Wassers, das aus den Flüssen kommt, erklären die ausgedehnte Eisbildung an ihrer Oberfläche und die lange Dauer des Eises. Die Schneedecke über dem Eise schützt noch das Wasser gegen starke Abkühlung. Die Meere der hohen südlichen Breiten sind tiefer, ausgedehnter und den Wirkungen von Wind und Strömungen ausgesetzt.
Der Mangel an Land in 50-70° südl. Br., ferner die Abwesenheit von Süßwasser, das Fehlen kalter Landwinde erklärt die relativ geringe Menge von Eis. [* 30] Die Meere der nördlichen Breiten tragen Eisfelder, die der südlichen dagegen Eisberge. Selbst im Winter sind auf der südlichen Hemisphäre weite Strecken nicht durch Eis oder Schnee [* 31] gegen Abkühlung geschützt. Der Wärmeverlust bedingt Konvektionsströmungen, die das kalte Wasser in die Tiefe führen, horizontale Strömungen leiten dieses Wasser auf dem Meeresboden zum Äquator.
Die Temperatur der Wassermasse liegt auf der südlichen Halbkugel nahe bei 0°. Die Verdunstung bei so niedriger Temperatur begünstigt nun aber die Bildung von Schnee, von Firnfeldern und Gletschern, die ihrerseits wieder zur Abkühlung der Meere beitragen. Die Meere der nördlichen Halbkugel verdunsten infolge der warmen Strömungen bei höherer Temperatur und liefern Regen. Das Übergreifen des Südostpassats auf die Nordhemisphäre befördert in dem Atlantic und Pacific viel wärmeres Wasser nach Norden. [* 32] Dieser Umstand bedingt das Temperaturübergewicht der Nordhalbkugel über den äquatorialen ¶