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Untergrund bis zu verschiedener Tiefe aushöhlten, wie im bekannten »Gletschergarten« in Luzern. [* 2] Die genannten glazialen Ablagerungen ruhen meistens aus den jüngsten tertiären Bildungen, vielfach trifft man aber auch als Übergangsstufe Süßwasserablagerungen, wie Kalke und sandige Thonmergel, oder auch marine Bildungen, wie in Norddeutschland Cyprinenthone mit Cyprina islandica, an. Die eigentlichen glazialen Bildungen zeigen ferner eine häufige Wechsellagerung von echten Moränen mit Gerölllagern, Ligniten, Torflagern und Sand- und Thonschichten und sind stellenweise von Löß bedeckt; so schalten sich in der Nordschweiz zwischen die untern und obern Moränen Schieferkohlen in einer Mächtigkeit von 3 m und Gerölle ein, ebenso in den Algäuer Alpen [* 3] in der Nähe von Sonthofen.
Daraus geht hervor, daß die Vergletscherung der Alpen mehrfachen Schwankungen in Bezug auf ihre Ausdehnung [* 4] unterlag, die entweder nur untergeordneter Natur waren, oder längern Zeitepochen entsprachen. Aus der relativen Lage der äußern und innern Moränenzüge ist nun geschlossen worden, daß von den wiederholten Vereisungen die letzte nicht den Umfang der vorhergehenden erreichte. In der Schweiz [* 5] liegen außerhalb der typischen Endmoränen noch Grundmoränen und erratische Blöcke.
Dasselbe Verhältnis kehrt am ganzen Nordrand der Alpen, am Fuß der Pyrenäen, in Mitteleuropa und Nordamerika [* 6] wieder, die ältern Moränen sind stets weiter verbreitet als die jüngern. Beide unterscheiden sich nicht bloß orographisch, insofern als die äußern Moränen die charakteristischen Eigentümlichkeiten ihrer Entstehung nicht mehr aufweisen, sondern auch geologisch, indem sie durch Zwischenbildungen voneinander getrennt sind. Die Quartärzeit besteht somit nicht aus einer einzigen Gletscherperiode, sondern zerfällt in zwei Perioden des Gletscherwachstums, getrennt durch eine Zeit des Abschmelzens, des zeitweiligen Gletscherrückgangs, eine Interglazialzeit.
Bei der Mannigfaltigkeit in der lokalen Ausbildung der Gletscherablagerungen ist eine Parallelisierung verschiedener Gebiete noch mit Schwierigkeiten verknüpft, indem sich nicht sicher nachweisen läßt, daß z. B. die Gletscher in den Alpen genau zur gleichen Zeit ihre größte Verbreitung hatten wie diejenigen in Skandinavien, oder daß die Eiszeit [* 7] Europas mit derjenigen Amerikas gleichzeitig war, es steht nur fest, daß dies innerhalb des gleichen geologischen Zeitabschnitts geschah.
[* 1] ^[Abb.: Fig. 2. Gletscherschliff auf der Küste von Argyllshire.]
[* 1] ^[Abb.: Fig. 3. Gekritztes Geschiebe von der Grundmoräne eines Gletschers.]
In den wichtigsten Gebieten der frühern Vergletscherung sind die Grenzen, [* 8] bis zu denen das Land von Eis [* 9] bedeckt war, ziemlich genau festgelegt, wenn auch über die Deutung der Erscheinungen noch nicht volle Übereinstimmung herrscht. Am intensivsten ist die ehemalige Vergletscherung der Alpen und des voralpinen Hochlandes durchforscht. In der Schweiz waren es außer den weniger bedeutenden Arve- und Isèregletschern fünf mächtige Eisströme, die sich über die Hochebene ergossen und teilweise bis in den Jura reichten.
Der alte Rhônegletscher hatte über 5000 qkm, ebenso der Rheingletscher, derjenige der Linth ca. 1000 qkm, der alte Aaregletscher 650, der Reußgletscher 1900 qkm Fläche. Die obern Grenzen der Gletscherspuren weisen ein Gefälle auf, das beim Reußgletscher bis 40 m auf 1 km erreicht, beim Aaregletscher sogar bis auf 45 m steigt, die Dicke der Eisschicht betrug bei beiden stellenweise fast 1000 m. Der Rheingletscher wurde durch den Schwäbischen Jura nach NO. abgelenkt und von demselben aufgestaut.
Die Moränenlandschaft der zweiten Vereisung, End- und Ufermoränen, zeigt mehrfache Ein- und Ausbuchtungen und bleibt hinter der äußersten Grenze des Moränengebiets um 10-20 km zurück. Entsprechend der Abnahme des eiszeitlichen Gletscherphänomens von W. nach O. steht der Salzachgletscher mit seinen Größenverhältnissen in der Mitte zwischen seinen beiden Nachbarn, dem Inn- und Traungletscher. Die Ursache der Abnahme der eiszeitlichen Gletscherentfaltung, welche ganz proportional der heutigen Entwickelung ist, liegt nicht nur in der Änderung der Höhenverhältnisse des Gebirges, sondern auch in dem Kleinerwerden der Thalsysteme gegen O. Nördlich der alpinen Vergletscherung beherbergten von den deutschen Mittelgebirgen der Schwarzwald und die Vogesen in ihren südlichen Thälern kleine Gletscher.
Skandinavien war zur Eiszeit ebenso wie heute noch Grönland unter Eis begraben. Nach W. durchkreuzte skandinavisches Eis die Nordsee und lagerte norwegisches Gestein an der schottischen und englischen Ostküste ab. Am mächtigsten war aber die Verbreitung nach S., wo die Eismassen die Ostsee überschritten und die norddeutsche Tiefebene bis an den Außenrand der deutschen Mittelgebirge mit Geschiebe bedeckten. Die Südgrenze des skandinavischen Eises wird durch eine Linie bezeichnet, welche sich von den Rheinmündungen an den Gehängen des rheinisch-westfälischen Schiefergebirges, Harzes, Thüringer Waldes, Erz- und Riesengebirges entlang bis zum Nordabhang der Karpathen östlich von Krakau [* 10] verfolgen läßt (s. die Karte). In Zentralrußland verbreitete sich der skandinavische Gletscher bis Kiew [* 11] am Dnjepr und Nishnij Nowgorod an der Wolga. Die vergletscherte Fläche ist scharf und auf allen Seiten vom Ural getrennt. Im Ural und ganzen nördlichen ¶
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Sibirien hat es zur Eiszeit ebensowewig Gletscher gegeben wie heute, wo bis zu den nördlichsten Ausläufern nicht die geringsten Spuren zu finden sind. Zwischen beiden Gebieten nahm der Timangletscher eine besondere Stellung ein. Die Gesteine, [* 13] welche in dem untern Geschiebemergel Norddeutschlands, der Grundmoräne der ersten Vereisung, liegen, gestatten einen Schluß auf ihren Ursprungsort. Die kristallinischen und eruptiven Felsmassen führen auf das Festland von Skandinavien, die Basalte, welche in der Mark und Mecklenburg [* 14] gefunden werden, auf Schonen, wo allein Basalt anstehend bekannt ist, in Ost- und Westpreußen [* 15] sind vorherrschend Granite von Finnland und den Ålandsinseln, namentlich Rapakivi, verbreitet, welche weiter westlich fehlen; die versteinerungsführenden paläozoischen Gesteine stammen sowohl von dem skandinavischen Festland als von den Inseln Öland, Gotland, Ösel, Dagö.
Gletscherschliffe und -Schrammen auf anstehendem Fels sind gefunden bei Osnabrück [* 16] (produktives Steinkohlengebirge), Belpke, Gommern bei Magdeburg [* 17] (Kulmsandstein), bei Halle [* 18] und Landsberg [* 19] auf Quarzporphyr, bei Taucha und Wurzen [* 20] unweit Leipzig, [* 21] bei Oschatz [* 22] und Lommatzsch auf Gneisgranit, bei Hermsdorf und Joachimsthal in der Mark (geschrammte Septarien im Septarienthon). Mehrfach sind zwei verschiedene Schrammensysteme beobachtet, so bei Rüdersdorf bei Berlin, [* 23] Belpke, Gommern und Landsberg (s. die Karte), woraus man auf wiederholte Eisbedeckung mit verschiedener Bewegungsrichtung schließen darf.
Während der ersten Eiszeit breitete sich das von Skandinavien vorrückende Inlandeis fächerförmig im norddeutschen Flachland aus; dementsprechend ist im Zentrum der Tiefebene die Richtung im allgemeinen NNW. bis SSO. (Rüdersdorf, Lommatzsch, Leipzig) im W.: NNO. bis SSW. (Belpke, Osnabrück); bei der zweiten Eisinvasion war die Richtung eine ausgesprochen ost-westliche (jüngeres Schrammensystem von Rüdersdorf und Belpke). Wie in der Richtung, unterscheidet sich die zweite Eisbedeckung auch in Bezug auf die Ausdehnung nach S. und die Mächtigkeit von der ersten.
Auf der Höhe der Insel Bornholm und auf dem Höhenzug Romeleklint in Schonen werden die Schrammen der ältern Richtung nicht von denjenigen der jüngern gekreuzt, die Felsen ragten also wie heute die höchsten Berge auf Grönland als »Nunatakers« aus dem Eismantel der zweiten Eiszeit heraus. Die Südgrenze fällt mit einer Linie zusammen, welche vom Nordufer des Zuidersees die Ems [* 24] an der Mündung der Hase [* 25] kreuzt, an den Gehängen der Weserberge vorbei nach O. über Braunschweig, [* 26] Magdeburg, Würzen, Hoyerswerda, Görlitz, [* 27] Haynau, Liegnitz, [* 28] Ohlau, Brieg, [* 29] Oppeln [* 30] nach Polen hinzieht, also im großen und ganzen in ziemlich gleicher Entfernung dem Südrand der ersten Vereisung parallel verläuft.
Die große Eisdecke des nördlichen England bestand aus mehreren Gletschern, von denen jeder durch Seiten- und Endmoränen begrenzt war. Die gemeinsame Endmoräne der vereinigten Gletscher bildet eine gekrümmte, 550 Meilen lange Linie von der Mündung des Humber bis zur äußersten Ecke von Carnarvonshire. Der Gletscher der Irischen See, der mächtigste Englands, kam von Schottland, stieß auf die Berge von Wales und teilte sich in zwei Zungen. Die Vergletscherung Irlands hatte zum Zentrum eine große Binnendepression, die von einem Kranz von Gebirgen umgeben ist.
Von diesen kamen die ersten Gletscher, nach deren Vereinigung die Eismasse nach W., N., SO. strömte. In Nordamerika zieht sich eine zusammenhängende Kette von mächtigen Moränen vom Kap Cod am Atlantischen Ozean durch Massachusetts, Long Island, New York südlich vom Ontario- und Eriesee bis an den Ohio; der Michigan ist ganz von denselben umschlossen, die hier in der Moräne des Green Bay-Gletschers (westlich vom Michigan) bis zu 235 m relativer Höhe ansteigen.
[* 12] ^[Abb.: Fig. 4. Verbreitung der Landmoräne der eiszeitlichen Gletscher in Nordamerika.] ¶