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ein sehr verschiedener sein kann, so erklärt sich dadurch auch die große Verschiedenheit der Fäulnisgerüche. Ein im Berliner [* 2] hygienischen Institut ausgebildeter japanischer Arzt, Kitasato, hat sogar im vorigen Jahr einen besonders leicht auf Brot, [* 3] Reis- oder Kartoffelbrei zu ziehenden Moschuspilz der Gattung Fuxisporium entdeckt, dessen rötliche, später ziegelrot werdende Kulturen einen deutlichen Moschusgeruch verbreiten, der sich auch durch Alkohol ausziehen läßt. Es ist nicht wahrscheinlich, daß diese niedern Organismen von ihren Duft- u. Farbstoff-Entwickelungen irgend einen Vorteil haben können, im Gegenteil erzeugen viele von ihnen stark riechende Stoffe, die, wenn sie sich in der Nährflüssigkeit anhäufen, den Erzeuger töten, so z. B. hat E. Baumann Spaltpilze beobachtet, welche Phenol (Karbolsäure), den ärgsten Feind ihres Lebens, hervorbrachten. Man kann in solchen Fällen nur sagen, daß durch die Verschiedenheit der erzeugten Duftstoffe Verschiedenheiten des Lebensprozesses schon bei diesen ureinfachen Wesen angedeutet werden, und dieselbe Bewandtnis hat es auch wohl mit dem Dufte, den gewisse Algen [* 4] verbreiten, wie z. B. die Veilchen-Alge (Chroolepus hercynicus), welche auf dem bekannten Veilchenstein lebt.
In den eigentümlich aromatischen oder auch für unsre Nasen abstoßenden Düften gewisser höherer Pilze [* 5] hat man dagegen bereits Anlockungsmittel für Fliegen, [* 6] Käfer [* 7] und andre Insekten [* 8] vermutet, die in einer bestimmten, bisher noch nicht ermittelten Weise entweder bei der Befruchtung [* 9] oder der Verbreitung der Sporen mitwirken. Viele Pilze bilden den ständigen Versammlungsort zahlreicher Insekten und den Wohnort ihrer Larven, die von dem Fleisch zehren, und manche, wie z. B. der bekannte Gichtschwamm (Phallus impudicus), verbreiten einen so fürchterlichen Aasgeruch, daß sie ihren Standort schon auf weite Entfernungen verraten. Im besondern unentbehrlich erscheint die Mitwirkung lebender Tiere für die Verbreitung gewisser unter der Erdoberfläche wachsender Pilze, wie der Trüffeln und der Hirschbrunst (Elaphomyces cervinus), und dieselben verraten sich in der That den Wildschweinen, Hirschen und gewissen Fliegen durch ihren aus der Erde empordringenden Duft, so daß sie herausgewühlt oder auch von den Fliegenlarven in der Erde besucht werden.
Was man bei den Pilzen bisher nur durch Analogieschlüsse vermuten konnte, daß ihre Duftabsonderung Vermittler für ihre Befruchtung und Verbreitung heranzuziehen bestimmt ist, unterliegt bei den Blütenpflanzen keinem Zweifel mehr. Lebhafte Farben und Düfte unterstützen sich hierbei gegenseitig, und der Zweck oder Nutzen verrät sich offen dadurch, daß Pflanzen, deren Blüten vom Wind befruchtet werden, wie die Gräser, [* 10] Kätzchenbäume u. a., in ihren Blüten weder eine besondere Farbenpracht noch Duftreichtum entwickeln.
Die Wechselbeziehung verrät sich noch weiter darin, daß Blumen, die der Honigausbeutung durch Abend- und Nachtinsekten angepaßt sind, erst des Abends zu duften beginnen und meist trübe oder schneeweiße, allenfalls hellblaue Farben zeigen, wie Zaunwinde, Nachtviole, Türkenbund, Waldhyazinthe (Platanthera bifolia) u. v. a. Dabei zeigt sich eine enge Anpassung der Duftfarbe an den betreffenden Besucherkreis. So verbreiten viele Aristolochiaceen, Balanophoreen, Stapeliaceen, Aroideen, Rafflesiaceen u. a. Aasgerüche und locken dadurch zu ihren Blüten, die obendrein häufig wie faules Fleisch gefärbt oder gefleckt sind, Scharen von Aasfliegen und andre Aasliebhaber herbei, welche die Befruchtung vollziehen.
Andre Fliegen- und Käferpflanzen haben einen eigentümlichen Stallgeruch, wie z. B. die Eryngium-Arten. Die Bienen und Wespen scheinen Pflanzen mit scharfen Gerüchen, wie die Lippenblütler, die wir als Küchenkräuter verwenden, zu bevorzugen; die dem Besuch der Schmetterlinge [* 11] angepaßten langröhrigen Blumen haben vielfach einen besonders würzigen Lilien-, Nelken- oder Vanilleduft. Auch viele Früchte duften sehr stark, namentlich solche, die ungenießbare Steinkerne besitzen und durch ihr duftendes Fruchtfleisch Tiere anlocken, welche zur Verbreitung der Samen [* 12] beitragen.
Daß aber die Pflanzendüfte nicht einzig der Anlockung von Tieren dienen, geht schon aus dem Umstand hervor, daß nicht bloß die Blumen, sondern häufig die ganze Pflanze, Blätter, Rinde und Wurzeln, duften und mit kleinen Behältern voller streng riechender ätherischer Öle [* 13] durchsetzt sind. In Bezug auf diese Stoffe wie auf die giftigen Alkaloide, die viele Pflanzen enthalten, schloß bereits Erasmus Darwin im vorigen Jahrhundert, daß sie den Pflanzen als Schutzmittel gegen gefräßige Insektenlarven und Wiederkäuer [* 14] dienen möchten.
In der That sind die starken Düfte mancher Pflanzenblätter vielen Insekten widerlich und sogar tödlich; man braucht nur an den stark aromatischen Walnußbaum zu denken, dessen Laub unter allen unsern Bäumen von Insektenfraß am wenigsten leidet, oder auch an die Insektenpulverpflanze. An den scharfen Duft und Geschmack der Kiefern- und Tannennadeln haben sich freilich viele Insekten gewöhnt. In ähnlicher Weise hat man die scharfen Duftstoffe der Rinden und Wurzeln vieler Pflanzen gedeutet, und in anbetracht des Umstandes, daß namentlich die Wurzeln vieler Sumpfpflanzen scharfe aromatische Stoffe enthalten, wie z. B. die Kalmus-, Ingwer-, Galanga- und Cypergraswurzeln, manche Allium-Arten u. a., hat man geschlossen, daß sie namentlich gegen die im Sumpfboden besonders mächtigen Fäulnisorganismen Schutz bieten dürften. Die streng aromatischen Harzflüsse unsrer Nadelhölzer [* 15] und andrer Bäume sind in ähnlichem Sinn, da sie sich an Wundstellen ergießen, von denen gewöhnlich die Angriffe der krank machenden Parasiten ausgehen, als natürliche Wundbalsame gedeutet worden.
Biologische Bedeutung der tierischen Duftstoffe.
Auch im Tierreich fällt den Duftstoffen offenbar die doppelte Rolle der Anziehung und Abstoßung zu, natürlich mit dem Unterschied, daß es sich hier nicht mehr um eine Wechselbeziehung zwischen Tier und Pflanze, sondern lediglich um eine Wirkung zwischen den Tieren unter sich, um sogen. sympathische und antipathische Wirkungen handelt, von denen die erstern vornehmlich in der geschlechtlichen Anlockung und für das gegenseitige Sichfinden aus der Entfernung eine wichtige Rolle spielen dürften.
Noch bei den Wirbeltieren zeigt die ungemeine, allen übrigen Gehirnsinnesteilen in der untern und ältern Gruppe vorauseilende Entwickelung der Riechlappen, wie der Geruchssinn ehemals die erste Stellung unter den Sinnesorganen einnahm. Bei den Wasserwirbeltieren freilich fiel Geruchs- und Geschmackssinn noch in eins zusammen, da sich bei den stets unter Wasser lebenden Tieren dampfförmige Duftstoffe nicht geltend machen können, obwohl, wie sogleich zu erwähnen sein wird, auch den Wassertieren riechende Absonderungen eigentümlich sind. Im allgemeinen aber bezieht sich das hier zu Bemerkende auf Lufttiere, bei denen der Wirkungskreis der Düfte naturgemäß erst zur vollen Ausdehnung [* 16] gelangt.
Übelriechende antipathische ¶
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Riechstoffabsonderungen dienen in weiten Kreisen der Tierwelt als bequemste Verteidigungs- und Abschreckungsmittel. Sehr viele Tiere, namentlich Amphibien und Reptilien, strömen, wenn sie gefangen werden, den übeln Knoblauchsduft aus, welcher der Knoblauchkröte ihren Namen gegeben hat, und einen solchen, vermutlich von der ganzen Oberhaut abgesonderten Angstduft hat man auch häufig bei vor Gericht stehenden menschlichen Verbrechern beobachtet. Sehr zahlreiche Tiere haben aber einen besondern Apparat ausgebildet, um Stoffe, die einen lange anhaftenden und unerträglichen Geruch besitzen, in größerer Menge in Vorrat zu halten und im Augenblick der Gefahr in bald flüssiger, bald dunstförmiger Gestalt auszustoßen. Am meisten bekannt und verrufen in dieser Richtung sind die Stinkmarder- (Putorius-), Stinkdachs- (Mydaus-) und Stinktier- (Mephitis-) Arten, welche aus neben dem After liegenden Drüsen dem Angreifer manchmal mehrere Meter weit eine Flüssigkeit entgegenspritzen, die so übelduftend ist, daß ein von ihr besudelter Mensch am besten thut, die Kleider gleich wegzuwerfen.
Nächstdem sind die Bombardierkäfer (Brachinus-Arten) am bekanntesten, kleine Raubkäfer, die im stande sind, durch explosionsartig aus dem After hervorgeschossene Wölkchen eines blauen, salpetrig riechenden und ätzenden Dunstes ihre Verfolger wiederholt zurückzuschrecken. Man hat beobachtet, daß ein solches kleines Tier (Brachinus crepitans) seinen 100mal größern Verfolger, den Puppenräuber (Calosoma inquisitor), 20mal nacheinander zum Stillstehen brachte, und dadurch entgeht er ohne Zweifel oft der Gefahr, ergriffen zu werden.
Aber diese nämliche Fähigkeit ist den meisten Raubkäfern eigen und dient somit Tausenden von Käferarten zum Schutz, die nicht so hörbar bombardieren. Die größern Laufkäfer-(Carabus-)Arten senden den Schuß auch auf erhebliche Entfernungen, während verschiedene Wasserraubkäfer, z. B. die Schwimmkäfer (Dyticus-Arten), aus feinen Poren der Flügeldecken einen höchst unangenehm riechenden und erst durch mehrmaliges Waschen von den Fingern zu entfernenden Stoff absondern.
Bei den kleinen Drehkäferchen unsrer Wasserflächen (Gyrinus natator) ist der Duft so stark, daß, wenn ein Sammler mehrere Stück in ein offenes Glas [* 18] gethan hat, man den Geruch auf 500-600 Schritt spüren soll. Übrigens ist die Duftabsonderung wohl bei allen Raubkäfern für menschliche Nasen unangenehm, und der oben erwähnte Puppenräuber verbreitet, wenn man ihn fängt, einen fast betäubend zu nennenden Geruch nach Bittermandelöl oder Nitrobenzol. Unter den übrigen Käfern führt die ganze Abteilung der Dämmerungskäfer (Tenebrionidae) im Volksmund den Namen der Stinkkäfer; sie stoßen aber die übelriechende Flüssigkeit vielfach nicht aus dem Hinterteil, sondern aus dem Mund hervor.
Bei mehreren Arten der kleinen Marienschäfchen (Coccinella) tritt, wenn man sie angreift, eine gelbe, unangenehm nach Opium duftende Flüssigkeit aus den Fußgelenken, und ähnlich verhalten sich die Maiwürmer (Meloë-Arten), die dieserhalb auch Ölmutter genannt werden. Von den übrigen Insektenklassen sind besonders die Wanzen verrufen, doch gibt es auch unter den Fliegen, Ameisen, Schmetterlingen und Geradflüglern, namentlich unter den Schaben, viele Arten, die ihrer Ausdünstung wegen von allen Insektenfressern gemieden werden und dann Anlaß zu Nachahmungen ihrer Tracht, geben (Mimikry-Erscheinungen).
Unsre Widderchen-(Zygaena-)Arten besitzen solche Aussonderungen. Auch bei vielen Insektenlarven findet sich dieses Verteidigungsmittel bereits ausgebildet. Rührt man die Larve unsers gemeinen Pappelkäfers (Chrysomela populi) an, so treten aus 18 kegelförmigen Erhöhungen auf dem Rücken ihrer mittlern Ringe ebenso viele Tröpfchen einer höchst unangenehm riechenden milchweißen Flüssigkeit hervor, die nach vorübergegangener Gefahr wieder aufgesaugt werden.
Der schon grün und schwarz geringelten Raupe unsers Schwalbenschwanzes wächst, wenn man sie beunruhigt, plötzlich ein schön orangerotes Gabelhorn aus dem Hinterkopf, welches einen starken Fenchelgeruch verbreitet und jedenfalls ein Verteidigungsmittel gegen kleine Feinde, wie Mücken und Schlupfwespen, vorstellt. Andre Raupen haben gleich den Schaben und den kurzflügeligen Raubkäfern (Staphyliniden) solche hervorstülpbare Dufthörner am hintern Leibesende. Diese Beispiele ließen sich ins Unendliche vermehren.
Viel weniger bekannt als die antipathischen Gerüche sind die sympathischen Duftstoffe, welche namentlich die Weibchen in bestimmten Zeiten aussondern und damit die Männchen aus weiten Entfernungen zu sich heranlocken; sie sind in vielen Fällen viel zu schwach, um von unsern Nasen wahrgenommen zu werden. Daß es indessen in vielen Fällen doch nur der von den Weibchen ausgestreute Geruch sein kann, welcher die Männchen herbeizieht, sieht man schon daraus, daß vielfach nur die Männchen stärker entwickelte Geruchswerkzeuge und zwar bei den Insekten stärker entwickelte Fühler haben als die Weibchen.
Man kann dies besonders schön unter den Schmetterlingen bei den Spinnern und unter den Käfern bei den Lamellikorniern sehen, sofern die Fühlerblätter, die den Duft auffangen, z. B. bei unsern Maikäfermännchen und noch auffallender bei dem sogen. Walker [* 19] (Polyphylla Fullo), viel größer entwickelt sind als bei den Weibchen. Bei Nachtschmetterlingen kann man die Sache auch praktisch erproben, indem man ein Weibchen in einem Käfig aufhängt, welches in der Regel dann bald von Männchen umschwärmt wird, so daß die Methode der seltenern Arten zum Fang benutzt werden kann.
Bei manchen Insekten sind die Weibchen ungeflügelt, und in einzelnen Fällen kommen sie gar nicht aus der Erde oder ihren sonstigen Schlupfwinkeln heraus, sondern strecken nur einen kleinen Teil ihres Körpers hervor; dennoch wissen die Männchen sie zu finden. Selbst im Puppenzustand ist dieser Geruch bei manchen Schmetterlingen schon ausgeprägt, und man hat wiederholt beobachtet, daß weibliche Chrysaliden, z. B. Seidenraupenpuppen, schon vor dem Ausschlüpfen Männchen anlockten.
Umgekehrt sind bei den Tagschmetterlingen oft die Männchen mit einem deutlichen, selbst der menschlichen Nase [* 20] erkennbaren Duft versehen, ja sie besitzen, wie Fritz Müller 1876 entdeckte, besondere Duftorgane, die aus pinselartigen Anhäufungen von Haar- und Schuppengebilden der Flügel bestehen, die für gewöhnlich nicht offen der Luft ausgesetzt sind, sondern in einem Umschlag des innern Flügelrandes oder mitten auf der Oberseite der Flügel in kleinen Furchen oder Taschen liegen, aber daraus hervortreten und sich sträuben können, wo sie dann als die denkbar besten Verbreiter solcher Duftstoffe in die Luft thätig sein können. Sind die Gebilde aus eigentlichen Schuppen zusammengesetzt, so pflegen diese doch verlängert und am obern Ende fransenartig zerteilt zu sein, um den wahrscheinlich in flüssiger Form aufsteigenden Duftstoff besser zu verdunsten. In vielen Fällen ist dieser Duft bisam- und moschusartig, ¶