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Kolonisation. Die deutsche Schutzherrschaft.
Ein Versuch, das ganze Gebiet unter britische Herrschaft zu bringen, wurde 1876 gemacht. Im Auftrag der Regierung der Kapkolonie, deren Parlament den Beschluß faßte, daß die Grenzen [* 2] der Kolonie an der Westküste nordwärts derart erweitert werden sollten, daß die Walfischbai inbegriffen und landeinwärts so viel Gebiet umfaßt würde, als zweckmäßig erschiene, ging Palgrave als Spezialkommissar zu den Herero und Nama und schloß mit den meisten Häuptlingen Verträge, durch welche das Land in das britische Gebiet einverleibt wurde Allein das englische Ministerium ratifizierte den Vertrag nicht und gestattete nur, daß die Walfischbai, welche als britisches Gebiet proklamiert worden war, als solches von der Kapkolonie behalten werden durfte.
Doch entfernten sich die englischen Beamten, welche 1879 während der Blüteperiode des Elfenbein-, Straußfedern- und Kupferhandels hierher von der Kapstadt [* 3] gekommen waren und die englische Schutzherrschaft über das Land ausgesprochen hatten, sämtlich, als abermals ein sich nun durch Jahre hindurchziehender Krieg zwischen Nama und Herero ausbrach. Aber der einzige brauchbare Hafen an dieser langgestreckten Küste blieb doch in englischen Händen, als Deutschland [* 4] von dem Land Besitz nahm, und es ist keine Aussicht, daß England denselben aufgeben werde.
Ganz im Gegensatz zu andern Gebieten, in welchen 1884 die deutsche Fagge geheißt wurde, bestanden hier keine deutschen Interessen. Allerdings hatte die deutsche Mission hier schon seit vielen Jahren gewirkt, aber sie verlangte nicht danach, ihre Beziehungen verändert zu sehen. Die deutschen Interessen mußten erst geschaffen werden. Lüderitz, der erste Erwerber, trat seine Rechte 1885 an die Deutsche [* 5] Kolonisationsgesellschaft für Südwestafrika ab, wobei Lüderitz sich mit einem Sechstel an der Gesellschaft beteiligte.
Die Gesellschaft, durch den Patriotismus opferwilliger Männer mit den nötigen Mitteln ausgerüstet, machte es sich zur Aufgabe, den Mineralreichtum des Landes auszubeuten. Im Bette des Swakopflusses und in der Nähe desselben in dem Landstrich zwischen Walfischbai und Otjimbingue wurden teils früher schon entdeckte, teils neu aufgefundene Erzlagerstätten [* 6] in Angriff genommen. Die Gesellschaft hat aber nicht allein das Bergwesen zu verwalten, sondern auch Anspruch auf gewisse Gebühren, Abgaben und Steuern gegenüber denjenigen, welche Bergbau [* 7] treiben, und außerdem ein Vorrecht auf die Verleihung von Feldern, so oft eine abbauwürdige Fundstelle erschlossen wird.
Zur Aufrechterhaltung der Ordnung errichtete sie eine kleine Schutztruppe aus Eingebornen, welche dem Reichskommissar unterstellt war, sich aber wenig tauglich erwies und Anfang 1889 aufgelöst wurde. An ihre Stelle trat eine Truppe, bestehend aus 25 deutschen Militärs, welche bei der Kavallerie gut gedient haben, unter dem bekannten Afrikareisenden Hauptmann v. Francois, die auf 50 erhöht werden soll. Die Unterhaltung derselben wird aus den vom Reich für Südwestafrika bewilligten 80,000 Mk. bestritten.
Aus den Kreisen der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika heraus ging das Südwestafrikanische Goldsyndikat hervor, das eine bergmännische Expedition absandte, um die bereits gemachten Goldfunde zu untersuchen, ihre Abbaufähigleit, Rentabilität und Ausdehnung [* 8] festzustellen und auch auf die Gewinnung von andern Metallen als Gold [* 9] Bedacht zu nehmen. Außer im Swakopthal wurden auch im Thal [* 10] des Khan und des Knisig Goldfunde [^ ]gemacht. Allerdings scheint nach den bisherigen Untersuchungen Gold nur auf einem eng begrenzten Gebiet vorzukommen, weit verbreitet sind dagegen Eisen [* 11] und Kupfer. [* 12]
Auch von andrer Seite wurden Unternehmungen behufs Ausbeutung der Mineralschätze des südwestafrikanischen Schutzgebiets ins Leben gerufen, so entstand eine Deutsch-Afrikanische Minengesellschaft, zugleich bildete sich auch ein rein kaufmännisches Unternehmen, die Deutsch-Westafrikanische Kompanie, welche zur Anbahnung von Handelsverbindungen mit dem Innern von dem Oberhäuptling der Herero die Konzession unbeschränkter Handelsfreiheit und Niederlassung erhielt sowie die Erlaubnis zur Errichtung von Viehstationen.
Auch wollte diese Gesellschaft nach ihrem Programm Seefischerei, Schlächtereien und eine Guanofabrik anlegen, Handel mit den Eingebornen treiben und die Ansiedelung von Deutschen fördern. Diese Gesellschaft machte indes schlechte Geschäfte und verlegte ihre Thätigkeit sehr bald nach Pondoland. Für das Gedeihen des Landes sind die zwischen Nama und Dama gleich von vornherein fortdauernd bestehenden feindseligen Beziehungen äußerst hinderlich gewesen.
Die beiden Volksstämme sind nach ihren körperlichen und geistigen Anlagen durchaus verschieden. Die Namahottentoten sind sanguinisch, leicht erregbar und verschwenderisch mit ihrem Besitztum, die Herero dagegen phlegmatisch, mißtrauisch und geizig. Diese beiden Stämme haben sich von jeher bekriegt, und unter deutscher Schutzherrschaft ist es keineswegs besser geworden. Als Deutschland die Schutzherrschaft übernahm, hatte der Krieg zwischen den Nama und Herero bereits fünf Jahre gedauert, und obwohl die letztern fast immer Sieger blieben, wußten sie doch ihren Vorteil nie auszunutzen und blieben den räuberischen Überfällen der Nama auf ihre Rinderherden immer von neuem ausgesetzt.
Ein christlicher Nama, Hendrik Witbooi, verkündigte sich als Prophet, sammelte 500 seiner Stammesgenossen um sich und griff die Herero an. Wiederholt zurückgeschlagen, zog er sich in die Berge zurück und machte von da aus Raubzüge gegen die Herero, denen er das Vieh wegtrieb. Die deutsche Schutzherrschaft wurde daher von den Herero mit Freuden begrüßt, weil sie die Sicherheit der Verhältnisse herzustellen versprach, welche die Engländer nicht hatten gewähren können.
Allein unter deutscher Herrschaft wurde es nur noch schlimmer, da der deutsche Reichskommissar über keine Machtmittel verfügte, die Unruhestifter, welche selbst seinen eignen Viehstand nicht verschonten, gebührend in Schranken zu halten. Die Verwirrung im Namaland stieg wie nie zuvor, und das deutsche Ansehen sank so tief, daß die für eine Polizeitruppe geworbenen Bastardrekruten sich nicht scheuten, ihre deutschen Exerziermeister thätlich zu mißhandeln.
Eine Strafe konnte ihnen von dem machtlosen Reichskommissar dafür nicht zudiktiert werden Man beschloß nun, 500 Gewehre und Munition von Deutschland auszusenden und an die Herero zu verteilen, um sich gegen die fortwährenden Räubereien zu verteidigen, ein jedenfalls sehr bedenklicher Schritt, der leicht zu großer Gefahr für die Weißen führen konnte. Indes schien durch die im August 1887 gemachten Goldfunde eine neue glückliche Ära für das Land hereinzubrechen. Der Reichskommissar veranlaßte sogleich Maharero, in dessen Gebiet die Goldlager sich befanden, zu einer erneuten feierlichen Erklärung, daß alle Minentitel in der Hand [* 13] der Deutschen Kolonialgesellschaft seien, und daß er die Ordnung der ¶
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Bergbauangelegenheiten der deutschen Regierung überlasse. Infolgedessen wurde ein Berggesetz für Hereroland vom Bundesrat und Reichstag angenommen, vom Kaiser vollzogen und ein Bergamt im Land errichtet. Leider war dabei auf Maharero gar keine Rücksicht genommen worden. Er zog von den bald darauf gemachten Funden von Wismut, Kupfer, Zinn, Silber und Gold gar keinen Nutzen, alles sollte allein der Deutschen Kolonialgesellschaft zu gute kommen. Es wurde daher dem Engländer Lewis, der seit langen Jahren im Hereroland als Händler thätig und der heftigste Gegner des Eindringens der Deutschen und des deutschen Schutzvertrags gewesen war, jetzt leicht, sich seines alten Einflusses auf Maharero zu bemächtigen, und erklärte letzterer auf einer in Okahandja, seinem Wohnplatz, abgehaltenen Versammlung dem Reichskommissar, daß alle mit den Deutschen abgeschlossenen Verträge sowie alle ihnen erteilten Konzessionen null und nichtig seien, da er Lewis schon vor Ankunit der Deutschen alle Minenrechte im Land erteilt habe.
Die Einsprache des deutschen Reichskommissars blieb erfolglos, und so zogen sich alle deutschen Beamten samt den Gliedern der goldsuchenden Expeditionen und dem neuerrichteten Berg- und Postamt von Otyimbingue, dem Sitz der deutschen Verwaltung, auf das britische Territorium an der Walfischbai zurück, von wo die meisten sich später nach Deutschland begaben. Nur die Missionäre und einige seit langem im Land angesiedelte deutsche Händler blieben auf ihren Plätzen. Allerdings mußten Lewis und dessen Genossen nach Übernahme der Verwaltung durch Hauptmann v. Francois das Land verlassen; die deutschen Arbeiten wurden aber doch nicht wieder aufgenommen, da die von der Deutschen Kolonisationsgesellschaft für Südwestafrika beabsichtigte Abtretung des nördlichen Teils ihres Gebiets an eine englische Gesellschaft, um Mittel zum weitern Betrieb zu gewinnen, von der Reichsregierung nicht genehmigt wurde.
Die rheinische Mission ist hier bereits seit vielen Jahren thätig. Sie besitzt jetzt in Groß-Namaland sechs Stationen: Warmbald, Keetmannshoop, Bersaba, Bethanien, Gibeon und Hoachanas mit zusammen 2526 Gemeindemitgliedern und in Damaland elf Stationen: Walfischbai, Scheppmannsdorf, Otyimbingue, Otyikango, Okahandya, Otyosazu, Otyizwa, Okozondye, Okombahe, Omburo und Rehoboth mit 1930 Gemeindemitgliedern. Unter den Ovampo wirken finnische Missionäre. Von andern Europäern wohnen besonders Deutsche u. Engländer im Land, welche allenthalben Handelsstationen gegründet haben.