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Ansprüche der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft auf die der englischen Interessensphäre überlassenen Gebiete wurden dadurch nicht berührt, ebensowenig wie die privatrechtlichen Ansprüche auf die Erwerbungen im Somalland vom Tana bis zum Golf von Aden, [* 2] was aber Italien [* 3] nicht hinderte, 1889 das Gebiet von Obbia an dieser Küste von dem dortigen Sultan sowie das daran grenzende Küstenland bis Kismaju zu erwerben. Auch wurden die an dieser Küste gelegenen Stationen von Kismaju, Barawa, Merka und Makdischu mit einem Umkreis von je zehn Seemeilen und Warscheich mit einem Umkreis von fünf Seemeilen als dem Sultan von Sansibar [* 4] gehörig anerkannt.
Demselben wurden auch durch ein zu gleicher Zeit getroffenes Übereinkommen außer den
Inseln
Sansibar
und
Pemba diejenigen kleinern
Inseln zuerkannt, welche in der
Nähe der erstern innerhalb eines Umkreises von 12
Seemeilen liegen,
die
Inseln
Lamu und
Mafia, sowie auf dem
Festland ein Küstenstreifen von 10
Seemeilen
Breite,
[* 5] welcher ununterbrochen von der Mündung
des Mininganiflusses am
Ausgang der Tunghibucht bis Kipini reicht. Die
Verhandlungen
Deutschlands
[* 6] mit
Portugal
[* 7] wegen Feststellung der Südgrenze des deutschen
Gebiets wurden rasch erledigt.
Somit war sowohl der deutsche
als der englische
Besitz von dem direkten
Verkehr mit der
Küste gänzlich abgeschlossen. Die
Deutsch-Ostafrikanische
Gesellschaft hat daher ihre
Stationen hinter diesem Küstenstreifen und zwar einige
derselben in sehr beträchtlicher
Entfernung vom
Meer angelegt, für ihr wirtschaftliches Gedeihen ein sehr großes Hindernis.
Solche
Stationen sind Usaungula, Madimolo und Dunda in
Usaramo, Kiora und Simathal in
Usagara, Korogwe in
Usegua, während Tanganijko
in dem Küstenstreifen des
Sultans
vor der britischen Interessensphäre und Hohenzollernhafen an der
Küste
des Somallandes liegen.
Die später gebildete Ostafrikanische Plantagengesellschaft hatte die
Stationen Deutsch
enhof am Ruvu, Mbzini in Useguha und
Kibuene und Manganya auf
Sansibar angelegt. Die
Stationen waren demnach sehr zerstreut uud viel zu weit von der
Küste gelegen,
um bei den mangelhaften Verkehrsverhältnissen Äquatorialafrikas, wo alle
Transporte durch
Träger
[* 8] besorgt
werden müssen, an eine lohnende Verwertung denken zu lassen. Zudem war der
Verkehr keineswegs gesichert, so daß Sendungen
von der
Küste zu den
Stationen im Innern mehrfach abgefangen wurden.
Die
Versuche mit allerlei
Kulturen, insonderheit mit
Tabak,
[* 9] gediehen indessen recht gut, obschon die Beschaffung von Arbeitern
anfangs einige Schwierigkeiten machte. Eine große Verbesserung der wirtschaftlichen
Lage des deutschen
Schutzgebiets war es, als durch Vermittelung der Reichsregierung der
Sultan der
Gesellschaft die Häfen
Pangani und
Dar es Salam
[* 10] gegen eine
Entschädigung, jedoch unter Wahrung seiner Hoheitsrechte, überließ. Als dann 1888 die Britisch-Ostafrikanische
Kompanie mit dem
Sultan einen
Vertrag auf 50 Jahre abschloß, durch welchen die gesamte
Verwaltung, insbesondere
auch die
Erhebung der
Zölle im Küstengebiet, an die englische
Gesellschaft verpachtet wurde, ahmten die
Deutschen dies
Beispiel
nach.
Dieser Vertrag verschaffte den beiden Gesellschaften nicht nur, indem er sie an den Zollerträgnissen teilnehmen ließ, Einnahmen zur Verzinsung ihrer Kapitalien, sondern löste, indem er die Gesellschaften mit Verwaltungs- und Hoheitsrechten im Sultansgebiet ausstattete, auch die Territorialfrage, wenn auch noch nicht klar rechtlich und mit Vorbehalten, doch faktisch zu gunsten der Europäer. Neben der Sultansflagge sollte die der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft geheißt werden.
Aber die Beamten der deutschen
Gesellschaft, welche die Zollverwaltung sofort übernahm, während die
Engländer diese Übernahme noch aufschoben, waren kaum in die ihnen zugewiesenen
Plätze eingerückt, als ein
Aufstand der
in ihren
Interessen bedrohten arabischen
Händler ausbrach, welcher rasch die ganze bisher geleistete Kolonialarbeit zu nichte
machte. Die deutschen
Beamten wurden vertrieben, einige sogar getötet und die deutsche
Flagge in den
Staub getreten.
Der Sultan von Sansibar entsandte zwar ein Korps unter seinem General Matthews, zog dasselbe aber sogleich wieder zurück, da seine Soldaten mit den Aufständischen fraternisierten. Eine an der ostafrikanischen Küste stationierte deutsche Marineabteilung schritt fast gar nicht ein, und so verbreitete sich die aufständische Bewegung rasch über die ganze Küste, nur zwei Plätze derselben wurden von einer kleinen Zahl Deutscher, unterstützt von der Marine, gehalten und gegen große Übermacht tapfer verteidigt.
Die Verluste aber, welche die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft durch den Aufstand erlitt, waren sehr bedeutend, die direkten wurden von ihr auf 650,000 Mk. berechnet, während die indirekten Verluste an Aufwendungen, welche gemacht wurden, um im Innern festen Fuß zu fassen, Stationen (Arusha, Mashi, Mpwapwa) anzulegen, Expeditionen auszusenden u. a., sich auf noch weit höhere Summen berechnen. Die Gesellschaft stellte nun beim Auswärtigen Amte den Antrag, daß ihr gestattet werde, eine Anleihe von 6 - 10 Mill. Mk. unter einer Zinsgarantie seitens des Reichs aufzunehmen, deren Verzinsung und Amortisation aus dem deutschen Anteil der Zölle geschehen solle.
Die deutsche Reichsregierung aber zog es vor, selber die Wiederherstellung der Ruhe und den Schutz der deutschen Interessen in die Hand [* 11] zu nehmen. Sie erhielt zu diesem Zweck vom Reichstag eine Bewilligung von 2 Mill. Mk. und gewann den Afrikaforscher Wißmann, die Führung einer Expedition zu übernehmen, durch welche die Ruhe im ostafrikanischen Schutzgebiet wiederhergestellt werden sollte. Wißmann ging mit 21 deutschen Offizieren, Ärzten und Beamten und 40 Unteroffizieren im März 1889 nach Afrika [* 12] ab, wo er eine Truppe aus Somal, Suaheli und Zulu anwarb.
Zur Beförderung seiner Truppen von einem Ort zum andern wurden fünf Dampfer angekauft, außerdem noch zwei kleinere Dampfer gemietet. Die Araber unter ihrem Führer Buschiri waren inzwischen immer kühner geworden. Wißmann schritt sogleich nach seiner Ankunft an der ostafrikanischen Küste zum Angriff auf die arabischen, stark verschanzten Stellungen und nahm, unterstützt von einer Abteilung der deutschen Flotte unter Admiral Deinhardt, in rascher Folge Bagamoyo, Saadani, Pangani und Tanga, worauf sich der Rebellenführer Buschiri nach dem Innern zurückzog und die Station Mpwapwa überfiel, wobei ein deutscher Beamter ermordet wurde, während ein zweiter entkommen konnte.
Buschiri, der bisher den Kampf in verhältnismäßig ehrlicher Weise geführt hatte (so wurden auch die von ihm gefangenen Reisenden Meyer und Baumann sowie die Mitglieder der katholischen Mission gegen ein Lösegeld freigegeben), begann mit diesem Akt eine Reihe der empörendsten Grausamkeiten gegen alle, welche mit den Deutschen in irgend welche Verbindung traten. Er metzelte in barbarischer Weise die Bewohner der überfallenen Ortschaften nieder und schickte Handwerker und Arbeiter, ¶
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welche den Deutschen Dienste [* 14] geleistet, mit abgehauenen Händen in Wißmanns Lager. [* 15] Eine auf seinen Kopf gesetzte hohe Belohnung hatte lange keinen Erfolg. Endlich aber fiel er, in einem Gefecht verwundet und fliehend, den aufgebrachten Eingebornen in die Hände, welche ihn an Wißmann auslieferten, der ihn sofort durch ein Kriegsgericht aburteilen und durch den Strang hinrichten ließ. Obwohl nun durch Wißmanns, der inzwischen zum Major befördert worden war, und seines ersten Offiziers, v. Gravenreuth, energisches Vorgehen die Sicherheit so weit hergestellt wurde, daß nach Errichtung einer befestigten Station zu Mpwapwa der Karawanenverkehr über diesen wichtigen Handelsplatz wieder aufgenommen werden konnte, so daß Stanley und Emin von hier unter deutschem Geleit zur Küste zogen, so war der Aufstand damit doch noch nicht völlig niedergeworfen. Eine längere militärische Besetzung des Landes erwies sich als dringend nötig, und der Reichstag bewilligte abermals 2 Mill. Mk. für militärische Zwecke in Deutsch-Ostafrika.
Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft erhielt die landesherrliche Genehmigung, sich in eine reichsrechtliche Korporation umzuwandeln mit dem Recht, Eigentum und andre dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht zu klagen und verklagt zu werden. Mitglieder der Gesellschaft sind die Eigentümer von 536 Anteilscheinen in Einzelbeträgen von 200 bis 10,000 Mk. und im Gesamtbetrag von 3,726,200 Mk., der heute bis auf 1 Mill. reduziert ist.
Die Finanzverhältnisse haben sich folgendermaßen entwickelt. Als die oben dargelegte Umwandlung der Gesellschaft »Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft Karl Peters und Genossen« in die »Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft« erfolgte und auf diese nun der ganze Besitz überging, betrug die buchmäßige Beteiligung der persönlich haftenden Gesellschafter und Kommanditisten 40,000, diejenige der stillen Gesellschafter 1,217,600 Mk. Am wurde von den seitherigen persönlichen Gesellschaftern der genannten Kommanditgesellschaft und von ihren Kommanditisten, welche bei dem Unternehmen in der neuen Form in der Höhe ihrer seitherigen Quoten beteiligt wurden, sowie von andern Personen, welche auf das Unternehmen in der neuen Form 208 Anteile über je 10,000 Mk. gezeichnet hatten, eine neue »Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft« konstituiert.
Die Gesamtbeteiligung beträgt gegenwärtig Neuzeichnungen bis 2,080,000 Mk., Beteiligung der ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafter und Kommanditisten 40,000, Anteile ohne Barzahlung als Gegenleistung 150,000, Beteiligung ehemaliger stiller Teilnehmer 1,216,300, Neuzeichnungen seit Februar 1887: 240,000 Mk. Die Gesellschaft ist berechtigt, auf Beschluß des Verwaltungsrats weitere Anteile von je 100,000 Mk. bis zum Gesamtbetrag von 10 Mill. Mk. auszugeben.
Trotz der äußerst ungünstigen in jüngster Zeit eingetretenen Verhältnisse erweist sich unser ostafrikanischer Besitz für den Handel als außerordentlich wertvoll. Denn es betrug der Gesamtwert der in die Verwaltungsbezirke Tanga, Pangani, Bagamoyo, Dar es Salam, Quiloa Kiwindje, Lindi und Mikandani vom bis eingeführten Waren 2,478,388, der der Ausfuhr 4,388,150 Mk.; an Einfuhrzöllen wurden während der gedachten Periode 123,388, an Ausfuhrzöllen 523,678 Mk. erhoben.
Vgl. Westphal, Sansibar und das deutsche Ost-Afrika (Weim. 1885);
Wagner, Deutsch-Ostafrika (2. Aufl., Berl. 1888);
Grimm, Der wirtschaftliche Wert von Deutsch-Ostafrika (das. 1886);
Baumgarten, Deutsch-Afrika und seine Nachbarn (das. 1887);
Derselbe, Ostafrika (Gotha [* 16] 1890);
Krenzler, Ein Jahr in Ostafrika (Ulm [* 17] 1888);
Graf Pfeil, Vorschläge zur praktischen Kolonisation in Ostafrika (Berl. 1888);
Oberländer, Deutsch-Afrika (Leipz. 1889);
Frenzel, Deutschlands Kolonien (2. Aufl., Hannov. 1889);
Förster, Deutsch-Ostafrika, Geographie und Geschichte der deutschen Kolonie (Leipz. 1889);
Fabri, Fünf Jahre deutscher Kolonialpolitik (Gotha 1889);
Peters, Die deutsch-ostafrikanische Kolonie (Berl. 1889);
Baumann, In Deutsch-Ostafrika während des Aufstandes (Wien [* 18] 1889), Karten: Übersichtskarte von Mittelostafrika (1:800,000, 2. Aufl., Weim. 1887);
Ketteler, Spezialwandkarte von Deutsch-Ostafrika (1:3,000,000, Wien 1887);
Spezialkarte von Afrika, Sektion 8, bearbeitet von Lüddecke (Gotha 1887).