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ferner die »Inspektion der Marineartillerie«, unter derselben 3 Matrosenartillerieabteilungen, die erste zu 4, die zweite und dritte zu je 3 Kompanien;
die »Inspektion des Torpedowesens«, unter derselben 2 Torpedoabteilungen zu 2 Kompanien;
die »Inspektion der Marineinfanterie« zu Kiel, [* 2] unter derselben die beiden Seebataillone zu je 4 Kompanien in Kiel und Wilhelmshaven; [* 3]
ferner die Kommandanturen zu Kiel, Friedrichsort, Wilhelmshaven, Geestemünde und Kuxhaven sowie die »Direktion des Bildungswesens der Marine«, unter derselben die Marineakademie, Marineschule, Deckoffizierschule.
Vom Reichsmarineamt ressortieren die »technischen Institute«, d. h. die Werften zu Kiel, Wilhelmshaven und Danzig, [* 4] die »Schiffs-Prüfungskommission«, das »Torpedoversuchskommando«, die »Artilleriedepots« zu Friedrichsort, Wilhelmshaven, Geestemünde, Kuxhaven; die »Minendepots« zu Friedrichsort, Wilhelmshaven und Geestemünde, das »Torpedodepot« zu Friedrichsort; die »Deutsche [* 5] Seewarte« zu Hamburg [* 6] und die Intendanturen der Marinestationen mit ihren Unterbehörden.
Das Personal der Marine soll nach dem auch noch bis auf weiteres gültigen Etat für 1887/88: 808 Seeoffiziere, 100 Seekadetten, 484 Deckoffiziere, etwa 13,500 Mann und 500 Jungen zählen.
Vgl. »Die gesetzlichen Bestimmungen über Wehrpflicht und Organisation des Reichsheers« (Berl. 1888);
Rott, Die Wehrpflicht im Deutschen Reich, systematisch bearbeitet und erläutert (Kassel [* 7] 1890).
Einen Vergleich mit andern Staaten bietet Art. »Heerwesen und Kriegsflotten der europäischen Staaten« (Bd. 17).
[Wappen.] [* 8] Der deutsche Reichsadler erhielt nach kaiserlicher Bestimmung Anfang 1889 eine neue Gestalt (s. nebenstehende Abbildung), welche im Gegensatz zu der bisherigen, mehr naturalistischen Auffassung eine heraldisch strengere Durchführung zeigt. Der Kopf des neuen Reichsadlers ist feiner und der Hals stärker gebogen; der Brustschild ist kleiner und strenger in der Form, die Ordenskette kreisförmig um den Hals des Adlers gehängt. Über die Veränderungen der Kaiserkrone s. Krone (Bd. 17).
Zur geographisch-statistischen Litteratur: Penck, Das Deutsche Reich (1. Teil von Kirchhoffs »Länderkunde von Europa«, [* 9] Leipz. 1887);
Lepsius, Geologie [* 10] von Deutschland [* 11] (Stuttg. 1889 ff.);
»Anleitung zur deutschen Landes- und Volksforschung« (hrsg. von Kirchhoff u. a., das. 1889);
Kiepert, Übersichtskarte der Verbreitung der Deutschen in Europa (Berl. 1887).
Von den »Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde« erschienen bisher 4 Bände (hrsg. von Lehmann und Kirchhoff) mit über 20 Einzelschriften.
Über die überseeischen Schutzgebiete Deutschlands [* 12] vgl. den neuen Artikel Kolonien (Bd. 17).
Geschichte.
Die Vorlage der Reichsregierung über die Einführung des Branntweinmonopols wurde zwar vom Reichstag an einen Ausschuß verwiesen, aber von diesem sehr rasch in ablehnendem Sinn erledigt, so daß die zweite Beratung schon 26. März stattfand; sie endete 29. März, trotz einer empfehlenden Rede Bismarcks, mit der Ablehnung des Monopols mit 181 gegen 3 Stimmen (die Konservativen enthielten sich der Abstimmung). Auch die Einführung einer Branntweinverbrauchssteuer, welche nun die Regierung beantragte, lehnte die ultramontan-freisinnig-sozialdemokratische Mehrheit 26. Juni ab. Dagegen wurde die Reform der Rübenzuckersteuer genehmigt. Die ordentliche Session des Reichstags wurde 26. Juni geschlossen. Doch wurde er schon 16. Sept. zu einer außerordentlichen Session zusammenberufen, um den Vertrag über die Verlängerung [* 13] des Handelsvertrags mit Spanien [* 14] zu genehmigen, und, nachdem dies geschehen, 20. Sept. geschlossen.
Die Ausdehnung [* 15] und die Rechte der Kolonien in Afrika [* 16] und Australien [* 17] wurden durch Verträge mit Frankreich und England genauer festgesetzt, die Postdampferlinien nach Asien [* 18] und Australien, für welche das Reich Unterstützung zu zahlen übernommen hatte, traten im Sommer 1886 in Wirksamkeit. Der Reichskanzler Fürst Bismarck hatte in Kissingen [* 19] mit dem österreichisch-ungarischen Minister des Auswärtigen, Grafen Kalnoky, und in Franzensbad mit dem russischen Minister v. Giers Zusammenkünfte, um das Einvernehmen der drei Kaisermächte über die Erhaltung des Friedens zu befestigen, während der Kaiser Wilhelm I. nach seinem Aufenthalt in den Bädern Ems und [* 20] Gastein die Kaisermanöver unter lebhaften Huldigungen der Bevölkerung [* 21] im Elsaß abhielt. Die Katastrophe Ludwigs II. in Bayern [* 22] trug dazu bei, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem preußischen und bayrischen Königshaus enger zu knüpfen. Kurz, es schien der Friede wieder auf einige Zeit gesichert zu sein. Da zogen infolge der unerwarteten Ereignisse in Bulgarien [* 23] (s. d., Bd. 17), des brutalen Staatsstreichs gegen den Fürsten Alexander und seiner Abdankung, neue trübe Wolken am politischen Himmel [* 24] auf.
Textfigur: Der neue deutsche Reichsadler (1889).
Die deutschfreisinnige u. ultramontane Presse [* 25] war so unbesonnen, von der deutschen Reichsregierung zu verlangen, daß sie für den allerdings schmählich behandelten »deutschen Fürsten« Alexander gegen die russische Herrschsucht energisch eintrete, ja zum Krieg mit Rußland zu hetzen; sie bedachte nicht, daß der Fürst mit der Annahme des bulgarischen Throns jeden Zusammenhang mit dem deutschen Volk gelöst hatte und Deutschlands Wohl und Interesse an dem Schicksal Bulgariens nicht im geringsten beteiligt war, und beschuldigte Bismarck der servilen Liebedienerei gegen Rußland, als er sich in der bulgarischen Frage völlig neutral verhielt.
Dies bewirkte nur, daß in Rußland das mühsam beschwichtigte Mißtrauen gegen Deutschland, der von der slawophilen Presse geschürte nationale Haß von neuem auflebte und sich die Blicke der kriegslustigen russischen Militärs und Politiker nach Frankreich richteten. Hier bereitete der neue Kriegsminister Boulanger den Revanchekrieg mit rastlosem Eifer vor, verlangte für die Ergänzung der Rüstung [* 26] und Verteidigung 360 Mill. und legte den Kammern den Entwurf einer Heeresreform vor, welcher die Stärke [* 27] des französischen Heers beträchtlich vermehrte. Ja er wollte sogar an der deutschen Grenze, in Verdun, [* 28] ein Armeekorps probeweise mobil machen, ein Plan, der auf deutscher Seite Vorsichtsmaßregeln veranlaßte, da ein plötzlicher Einfall der Franzosen in Elsaß-Lothringen [* 29] nicht unmöglich war, jedenfalls ¶
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ein unbedeutender Zwischenfall den Ausbruch eines Kriegs veranlassen konnte. Schließlich ließ die französische Regierung den Plan fallen.
Jedenfalls war die Lage bei dem Mißtrauen Rußlands und der feindseligen Haltung Frankreichs, trotzdem schon 15 Jahre seit dem Frankfurter Frieden verflossen waren, so gespannt, die Heeresverstärkungen beider Mächte so bedrohlich, daß die Reichsregierung, um im Notfall nach Osten und Westen zugleich Front machen zu können, eine Sicherstellung der Wehrkraft des Reichs für notwendig hielt. Die Thronrede, mit welcher Staatssekretär v. Bötticher die neue Session des Reichstags eröffnete, kündigte die Vorlage hierüber an. Es sollte eine Erneuerung des 1880 festgesetzten Septennats, das noch bis galt, schon vom ab bis eintreten und gleichzeitig für diese Zeit die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heers wiederum auf 1 Proz. der 1885 festgestellten Bevölkerungszahl, also auf 468,409 Mann (ausschließlich der Einjährig-Freiwilligen), 41,135 Mann mehr als bisher, festgestellt werden; 31 Bataillone und 24 Batterien sollten neu errichtet werden.
Die laufenden Mehrausgaben sollten durch Erhöhung der Matrikularbeiträge, die einmaligen durch eine Anleihe aufgebracht werden; auf die Einbringung neuer Steuervorlagen verzichtete die Regierung nach ihren bisherigen Erfahrungen. Die Reichstagsmehrheit, welche aus dem Zentrum, den Deutschfreisinnigen und den Sozialdemokraten nebst Welfen, Polen und Elsässern bestand, und welche ihre Aufgabe darin gesehen hatte, der Reichsregierung, namentlich dem Reichskanzler, das Leben sauer zu machen, glaubte anfangs die Wehrvorlage verschleppen zu können.
Sie verwies sie 3. Dez. an eine Kommission, in welcher sie die Mehrheit hatte, und in der daher langwierige Erörterungen über militärische Fachfragen gepflogen wurden, so daß man erst 17. Dez. zum Ende der ersten Lesung und zum Beschluß gelangte, eine Erhöhung der Friedenspräsenzstärke um 13.000 Mann auf drei Jahre, um weitere 9000 Mann auf ein Jahr zu bewilligen, was der Kriegsminister Bronsart als unannehmbar bezeichnete. Darauf wurden 18. Dez. die Verhandlungen der Kommission bis nach Weihnachten vertagt.
Während der Weihnachtsferien erhob sich in einem großen Teil des deutschen Volkes ein ähnlicher Entrüstungssturm wie 1884. Zahlreiche Adressen und Petitionen sprachen ihre Zustimmung zur Wehrvorlage aus, und ganz besonders wurde das Verhalten der deutschfreisinnigen Fraktion als unpatriotisch getadelt, auch von bisherigen Anhängern derselben. Rußland aber und Frankreich beeilten sich, ihre Friedensliebe zu versichern, jenes durch ein »Mitgeteilt«, welches im russischen Regierungsanzeiger erschien, welches aber von der »Moskauer Zeitung« Katkows nicht abgedruckt wurde, dieses durch den Mund Boulangers, welcher bei der Preisverteilung an die Französische Rettungsgesellschaft eine von Friedensversicherungen überfließende Rede hielt.
Auch der alte Kaiser war von dem Verhalten des Reichstags in der Wehrvorlage schmerzlich berührt worden, und nach dem Wiederzusammentritt des Reichstags beschleunigte wenigstens die Kommission die Beratung des Gesetzes so, daß die zweite Lesung im Plenum 11. Jan. beginnen konnte. Zwei der oppositionellen Fraktionen, das Zentrum und die Deutschfreisinnigen, hatten sich aber dem Eindruck, welches ihr Verhalten vor Weihnachten beim deutschen Volk hervorgebracht hatte, nicht entziehen können und beschlossen, im Notfall 468,409 Mann auf drei Jahre zu bewilligen; sie wollten also das seit 1874 geltende Septennat in ein Triennat verwandeln, erklärten aber auch dies für ein großes Zugeständnis, da eigentlich die jährliche Bestimmung der Friedenspräsenzstärke konstitutionell sei und durch diese die Einführung der zweijährigen Dienstzeit erreicht werden müsse.
Nachdem Feldmarschall Graf Moltke 11. Jan. die Wehrvorlage der Regierung in klarer, sachlicher Weise verteidigt und darauf hingewiesen hatte, daß Deutschland stark und kriegsgerüstet sein müsse, wenn es seine Aufgabe, den Frieden in Europa aufrechtzuerhalten, mit Erfolg durchführen solle, daß aber Bewilligungen auf kurze Frist nichts nützten, daß der Reichstag jetzt, da die Augen Europas auf ihn gerichtet seien, zeigen müsse, daß Volk und Regierung einig seien: hielt Bismarck eine seiner glänzendsten, wirkungsvollsten Reden, in welcher er einerseits die Schwierigkeiten der auswärtigen Lage, namentlich die von Frankreich stets drohende Gefahr, und die Furchtbarkeit des nächsten Kriegs schilderte, anderseits sehr geschickt für die Regierung das Verdienst in Anspruch nahm, daß sie, um einen Konflikt zu vermeiden, an dem frühern Kompromiß des Septennats treu festhalte, während Windthorst und Richter nebst ihren Anhängern den Stand des Heers von den wechselnden Majoritäten und den Beschlüssen des Parlaments abhängig machen und das kaiserliche Heer in ein Parlamentsheer verwandeln wollten; zum Schluß erklärte er, daß, wenn der Reichstag nicht durch eine baldige und vollständige Annahme der Vorlage die Sorgen der verbündeten Regierungen um die Wehrhaftigkeit Deutschlands beseitige, diese es vorzögen, die Unterhandlungen mit einem andern Reichstag mit größerer Aussicht auf Erfolg fortzusetzen.
In der That konnte, wie die Deutschfreisinnigen zu spät einsahen, die Reichsregierung eine bessere Wahlparole als die Militärvorläge gar nicht finden. Windthorst versicherte zwar, seine Partei wolle ja jeden Mann und jeden Groschen bewilligen und also das Reich nicht wehrlos machen, während die Deutschfreisinnigen den Antrag, eine Reichseinkommensteuer zur Deckung der Kosten einzuführen, dazwischenwarfen. Der Reichskanzler beharrte dabei, daß jede Bewilligung für weniger als sieben Jahre unannehmbar sei, und als 14. Jan. dennoch der Stauffenbergsche Antrag, 468,409 Mann bis zu bewilligen, mit 186 gegen 154 Stimmen angenommen wurde, verkündete Bismarck sofort die Auflösung des Reichstags.
So war denn der Reichstag, welcher seit seiner Wahl der Reichsregierung fortgesetzt die größten Schwierigkeiten bereitet, eine fruchtbare Verhandlung über die Steuerreform unmöglich gemacht hatte und sich alle Zugeständnisse nur hatte abringen lassen, beseitigt. Es kam nun darauf an, bei den Neuwahlen, welche auf 21. Febr. festgesetzt waren, eine regierungsfreundlich gesinnte Mehrheit zu erreichen. Die Deutschkonservativen, die Reichspartei und die Nationalliberalen schlossen zu diesem Zweck ein Wahlkartell, wonach in denjenigen Wahlkreisen, in welchen bisher ein Mitglied dieser drei Parteien im Besitz des Mandats gewesen war, dieses oder ein andres Parteimitglied gewählt werden und in den andern Wahlkreisen eine Einigung der Parteien über einen gemeinsamen Kandidaten erfolgen solle. Bennigsen und Miquel setzten sich wieder an die Spitze der nationalliberalen Partei und hielten auf den Parteitagen in Hannover [* 31] und Neustadt [* 32] a. d. Hardt echt patriotische, zündende Reden. Die Deutschfreisinnigen suchten die Aufmerksamkeit ihrer Wähler von der ¶