Vielfach ist jedoch die Unzulässigkeit der Berufung gegen die erstinstanzlichen
Urteile der landgerichtlichen
Strafkammern als ein
erheblicher Mangel bezeichnet worden, und für die Wiedereinführung der in diesen
Strafsachen ist namentlich im deutschen
Anwaltstand eine
Bewegung entstanden. Der deutsche Anwaltstag hat sich einstimmig für die Wiedereinführung
ausgesprochen. Man verlangt dieselbe namentlich im
Interesse einer größern Gründlichkeit der
Entscheidung zur thunlichsten
Verminderung der
Gefahr ungerechter
Verurteilung, während die Gegner der Berufung dieselbe als mit dem
Grundsatz der
Mündlichkeit
und Unmittelbarkeit des
Verfahrens sowie der freien richterlichen Veweiswürdigung unverträglich bezeichnen.
Wiederholt ist im
Reichstag über diesen wichtigen Gegenstand verhandelt worden, und zwar waren es zuletzt
zwei
Anträge von Abgeordneten, welche die Grundlage der Beratungen bildeten. Ein
Antrag des klerikalen Abgeordneten
Reichensperger
will das
Rechtsmittel der Berufung dem
Staatsanwalt in gleicher
Weise wie dem Beschuldigten geben, während der
Antrag des freisinnigen
Abgeordneten Munckel die Staatsanwaltschaft im
Recht zur Berufung beschränkt wissen will. Nur durch die Anführung
neuer
Thatsachen oder Beweismittel soll nach Munckels
Vorschlag die von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Beschuldigten
eingelegte Berufung gerechtfertigt werden können.
Munckel will ferner die gegenwärtige Zahl von fünf
Richtern bei der Besetzung der
Strafkammern beibehalten wissen, während
Reichensperger die Zahl der erstinstanzlichen
Richter auf drei reduzieren will. Die Berufung selbst will
Reichensperger nicht an ein
höheres
Gericht, sondern an Berufungskammern für
Strafsachen gehen lassen, welche bei den
Landgerichten gebildet und mit fünf
Richtern besetzt werden sollen. Munckel schlägt dagegen vor, die an den mit fünfRichtern besetzten
Strafsenat
des Oberlandesgerichts gehen zu lassen. Zu einer
Entscheidung ist es in dieser
Frage jedoch bisher nicht gekommen.
(spr. besannt).Walter, hervorragender engl. Schriftsteller, geb. 1838 zu
Portsmouth,
[* 3] bezog 1859 die
UniversitätCambridge, wo er sich akademische Auszeichnungen erwarb, lebte darauf, während sechs
Jahren eine Professur
bekleidend, auf der
InselMauritius, ward späterhin
Schriftführer des Palestine
ExplorationFund sowie des archäologischen
Instituts der Freimaurer und erwarb sich schon früh eine große Mannigfaltigkeit der Lebenskenntnis, besonders auch
der untern Volksklassen. Er lebt zu
Hampstead bei
London.
[* 4]
Sein Erstlingswerk waren die
»Studies of early
French poetry« (1868),
dem außer seinen Beiträgen zu
Zeitschriften »The French humorists« (1873),
folgten. Gemeinsam mit E.H.
Palmer veröffentlichte er die »History of
Jerusalem«
[* 5] (1871, neue
Ausg. 1890). Ganz
verschiedener Art war die
zuerst anonym und rasch in mehreren
Auflagen erschienene
Erzählung »The revolt of man« (1882), in
welcher er sich in phantastisch-humoristischer
Weise mit der
Frauenemanzipation befaßte.
Schon vorher hatte sich Besant mit
JamesRice (s. d., Bd.
17) zu einer an
Erckmann-Chatrian erinnernden litterarischen
Gemeinschaft verbunden, wie sie gegenwärtig
in
England, ausgenommen für die
Bühne, äußerst selten ist. Aus der
Reihe dieser gemeinsamen
»Besant-Rice novels« (seit 1871),
welche mit
Recht zu den bessern Erzeugnissen der neuern englischen Romanlitteratur zählen, seien besonders »Ready
Money Mortiboy«, eine Geschichte aus der Handelswelt, und das humorvolle »The
golden butterfly« erwähnt. Auch zwei
Dramen brachten die beiden
Autoren gemeinsam auf die
Bühne.
In dem
noch mit
Rice begonnenen, nach dessen
Tod (1882) aber von Besant allein vollendeten sozialen
Roman
»All sorts and conditions of man,
an impossible story« (1882) und mit »The children
of
Gibeon« (1886) erreichte dann Besant eine höhere
Stufe seiner Wirksamkeit: mit dem erstgenannten
Roman,
in welchem er ein ergreifendes
Bild von dem
Los der Armenbevölkerung im
Ostende
[* 6]
Londons entwirft, gab
er den Anstoß zur Begründung
des
People's palace, einer Wohlthätigkeitsanstalt in großartigem
Stil, die 1887 eröffnet worden ist.
Von Besants übrigen
Romanen erwähnen wir: »The captain's room« (1883);
und »The eulogy of
Richard Jeffries« (1888). Besant ist
Herausgeber des großen Werkes »The surveys
of Western Palestine«, ein thätiges Mitglied der
Rabelais-Gesellschaft und Vorsitzender der 1887 begründeten Incorporated
Society of Authors.
Wladimir, russ. Nationalökonom, geb. 1828 zu
Wladimir, war anfänglich im
Finanzministerium beschäftigt,
studierte eifrig die westeuropäischen volkswirtschaftlichen Zustände und Litteratur, besonders die
Englands, und wurde mehrfach
zu amtlichen
Missionen in Rußland und nach dem
Ausland verwendet und bald zum Mitglied der kaiserlichen
Akademie der
Wissenschaften
in
Petersburg
[* 7] sowie zum
Senator gewählt. Er schrieb, abgesehen von zahlreichen Abhandlungen in russischen
Zeitschriften: ȃtudes
sur la physiologie sociale« (1857-59);
Emil, Nordpolfahrer, starb 30. März 1888 in
Stuttgart. ^[= (hierzu der Stadtplan), Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Württemberg, des württembergisch ...]
[* 9]